Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest des Evangelisten Johannes, 27. Dezember 2021

27/12/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Denken Sie sich einen Tiefseefisch und ein Heftpflaster. – Diese Pflaster kennen Sie alle und sehr wahrscheinlich kennen Sie auch das Bild eines dieser Wesen aus den tiefsten Tiefen: seltsam schön. Keiner von uns wird, so vermute ich, je ein solches Wesen in natura sehen. Also: Tiefseefisch und Heftpflaster.

So verstehen Sie leichter, was der Kardinal meint, wenn er in der Kirchenzeitung von der Schwierigkeit spricht, Weihnachten zu denken. Er sagt: „Das geht nicht! Der Unendliche und das Endliche. Der Ewige und das Zeitliche. Das kann nicht zusammengehen.“ Wir sind endlich. Wir haben Grenzen, wir stoßen an Grenzen. Wo Frau NN jetzt sitzt, da kann nicht gleichzeitig Frau NN sitzen. Gott hat keine Grenzen. Gott nimmt keinen Raum ein. Tiefseefisch und Heftpflaster haben nichts gemeinsam. Nur das Sein. Gott und wir haben nichts gemeinsam. Es sei denn… Gott stellt Gemeinsamkeit her. Wie? Indem er Mensch wird. Das ist Weihnachten: die Herstellung der Gemeinsamkeit. Dazu wird Gott Mensch. Und läuft ins Leere: Den meisten Menschen ist die Menschwerdung Gottes völlig gleichgültig.

Wir sollten heute den Evangelisten Johannes feiern. Ist Ihnen nach Feiern zumute? Haben Sie Lust, den Evangelisten und, wichtiger noch, das Evangelium zu feiern? Was bedeutet Ihnen das Evangelium? Das „nach Johannes“?

Unter Theologen ist das Johannesevangelium nicht beliebt. „Zu spät“, „zu griechisch“, „zu theologisch“… Den meisten Leuten ist es „zu hoch“ oder sie stören sich an Johannes selbst, der die anderen Jünger abtut und angeblich die Juden nicht leiden kann.

Ich erkenne hinter dieser Ablehnung zusätzlich die allgemeine Abneigung gegen Gott. Die Leute sind ja nicht bloß indifferent, sie sind feindselig. Gerade in der Zeit um Weihnachten sieht es aus, als wolle man alles tun, um vergessen zu machen, dass Gott auf die Welt kam. Bloß nicht daran denken! Man tut, als gäbe es kein Evangelium. Ich bin der erste, der zugibt, dass fromme Leute eine besondere Plage sein können mit ihrer Rechthaberei, ihrer gewalttätigen Sanftheit, ihrer spießigen Weltverachtung. Aber ich frage mich doch, woher es wirklich kommt, dass z. B. der Gläubige, der sich bekehrt, der es plötzlich ernster nimmt als zu vor, die Abneigung der eigenen Leute erfährt. Was löst der Glaube in den anderen aus?

Mir ist das Evangelium nach Johannes nicht „zu hoch“. Ich mag diesen abschätzigen Ausdruck nicht. Es ist so tief! Ich lese und meine bürgerliche Logik versagt. Aber was tut das? Ist meine Logik der Maßstab für die Wahrheit? Ich verehre dieses Evangelium. Ich kann den Evangelisten feiern.

Denn da kommt einer und sagt: Wir haben gehört, mit unseren Augen gesehen, wir haben angefasst. Was? Das „Wort des Lebens“. Ein Wort, das man anfassen kann? Einzig mögliche Erklärung: Das Wort des Lebens ist ein Mensch! Sie konnten Jesus hören, sehen, anfassen und verstanden immer tiefer: Dieser ist das Wort des Lebens. – Wenn Sie das Evangelium hören, hier, in der Messe, sagen Sie sich dies: Ich höre jetzt das Wort des Lebens. Ich höre Christus.

Gott wird nicht einfach nur Mensch. Er wird nicht der Postbote Herr Fröhlich, der mir die Briefe an die Tür bringt. Herr Fröhlich geht mich an, Sie nicht. Was ihn betrifft, können Sie sich raushalten. Wenn aber der Mensch, der Gott geworden ist, das Wort des Lebens ist, dann müssen Sie hören. Sie müssen das Evangelium hören. Es sei denn, Sie wollen nicht leben. – „Ich muss das hören!“, denken Sie so, wenn das Evangelium vorgetragen wird?

Wir können in diesen Tagen die Menschwerdung Gottes im Allgemeinen feiern, eine schöne Idee. Aber wirklich richtig wird es erst, wenn wir die Menschwerdung Gottes in diesem ganz bestimmten Menschen feiern: in Jesus aus Nazareth.

Und wozu? Wozu die Menschwerdung? „Für uns Menschen und um unseres Heiles willen“, heißt es. Übersetzt: Damit wir leben. Dieses Leben wird in der Lesung beschrieben mit dem Wort „Gemeinschaft“.

Wie schön, werden Sie sich denken. Gemeinschaft mit Menschen, die man mag, ist super. Stammtisch, Fitnessstudio, Club, idealerweise sogar die Familie: alles Gemeinschaft, die mir taugt. Und in diesen Monaten versteht jeder noch zusätzlich, wie wichtig Gemeinschaft ist und wie verheerend es ist, wenn Menschen die Gemeinschaft einer Familie oder eines Landes zerstören (die beleidigten Impfgegner).

Hier aber geht es um mehr. Nicht nur um unsere Gemeinschaft untereinander. Weite Teile der Kirche haben das komplett vergessen. Für sie ist Gemeinschaft nur ein soziales Phänomen, gut, wenn es um Leute geht, mit denen man einer Meinung ist, verzichtbar, wenn es um die anderen geht. Kirche, das sind heute 1000 verschiedene Gruppen, die nicht mehr miteinander reden. Vielleicht weil sie verdrängt haben, worum es geht. Um die Gemeinschaft „mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ nämlich. So der Johannesbrief.

Feiern wir hier die Gemeinschaft mit Gott?

Suchen Sie in Ihrem Gebet die Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist? Begründet der Empfang der hl. Kommunion Ihre Gemeinschaft mit Christus?

Vor einiger Zeit hörte ich in der Messe die Worte „unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“. Das wurde zum Motto meiner Kommunion: Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Schön, nicht?

Und fünf Minuten später überlege ich, was es heute Abend zu essen geben soll. Wie viele Weihnachten braucht es noch, damit ich es endlich kapiere?

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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