Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Stephanitag 2021 – Der offene Himmel oder die wahre Welt

26/12/2021 


Die Predigt zum Anhören

Stephanitag 2021 – Der offene Himmel oder die wahre Welt

 

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Sie sind Realisten, ich weiß. Sie stehen mit beiden Füßen auf der Erde.

Man kann wirklich nicht sagen, dass Stephanus in einer Traumwelt lebt. Er hat ja die Aufgabe, sich um die Armen der Gemeinde zu kümmern. Er hat so gut studiert, dass er mit den Gegnern diskutieren und sie widerlegen legen. Er steht Konflikte durch. Und spätestens wenn der erste Stein auf deinen Kopf kracht, ist es sowieso aus mit den Träumen; Blut ist immer realistisch.

Steht Stephanus so im echten Leben wie Sie? – Ich frage Sie das, weil wir alle Leute kennen, die behaupten: Jeder der an Gott glaubt, träumt sich was zurecht. 

Kann man ZU realistisch sein?

Wir starren auf die Welt – Job, Politik, Familie, Gesellschaft… – und dann zappeln wir und versuchen, aus ihr schlau zu werden, uns irgendwie in dieser Welt zu positionieren, sicher durchzukommen, den Stand zu halten, es einmal besser zu haben als die Eltern oder die Nachbarn, es den Konkurrenten zu zeigen, gesund zu bleiben… Ganz schön hart, dieses Leben.

… dieses Leben von 2021 auf 2022. Wo die Menschen nicht mehr wissen, wo sie herkommen oder aus ihrer Heimat vertrieben werden. (Und weil man auch aus der geistigen Heimat vertrieben werden kann, sind viele hier in NN Heimatvertriebene. Wo genau ist Ihre geistige Heimat?)

Das Leben heute, wo alles nur noch Zukunft ist, nur Fortschritt und Wandel, aber keine Vergangenheit mehr. Als könnten wir ohne Wurzeln leben!

Das Leben heute, wo alles schnell geht und wir Menschen doch Zeit brauchen, schon weil es Dinge gibt, die man nur langsam tun kann (Weinbau).

Das Leben heute, wo alles, um es ganz platt zu sagen, nur noch Hackeln ist. Wozu?!

Stephanus sieht den Himmel offen. Das ist der Unterschied zwischen ihm und Ihnen. Oder ist er bloß ein Spinner?

Was sieht man, wenn der Himmel offensteht? „Den Menschensohn zur Rechten Gottes“, heißt es in der Lesung. Man sieht aber nicht nur, sondern man versteht auch. Man versteht: Es gibt noch eine andere Welt. Man ahnt: Jene Welt ist vielleicht viel wahrer, viel echter als die, in der wir leben. Vielleicht ist hier der Traum und dort die Wirklichkeit! Haben Sie diese Möglichkeit schon einmal bedacht?

In jener anderen Welt, die Stephanus sieht, an die er glaubt, für die er sogar stirbt, da gilt: „Das Sichtbare und das Unsichtbare, Mächte und Gewalten, alles ist durch Christus geschaffen. Jesus Christus ist vor aller Schöpfung. In ihm hat alles Bestand. Alles im Himmel und auf Erden wollte Gott zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,16). So bei Paulus.

Anders gesagt: Die Welt des Glaubens hebt die Welt auf, die die meisten Leute erleben. Die Welt des Glaubens ist realer als diese Welt hier. Der Himmel ist die wirkliche Wirklichkeit. Wenn es wahr ist, was Frederick William Faber sagt, dass nämlich diese ganze Erde immerzu in das Blut Christi getaucht ist, dann wird vieles zweitrangig.

Was machen wir aus unserer Zeit? Aus der Zeit, die uns doch gegeben ist, um Gott zu lieben? Man möchte am liebsten gar keine Antwort geben… In meinem ganzen Leben gab es vielleicht keinen einzigen Tag, der ganz und gar dem Plan Gottes entsprochen – mit Ausnahme der ersten Kindheit, wo ich nicht wusste, was ich tat. Alle anderen Tage habe ich Gott weggenommen.

Die Welt Gottes ist realer als alles, was wir in dieser Welt hier erleben. Oder wollen Sie wirklich ernstlich behaupten, Gott sei unecht und wir seien echt? Wie kommt es, dass die meisten Leute das Böse, das Dumme, das Banale für die eigentliche Wirklichkeit halten – und das Gute nur für einen frommen Wunsch? Das Fest des hl. Stephanus nährt den Verdacht, dass etwas nicht stimmen könnte mit dieser Welt.

Lichtlein, Girlanden, Geschenke, Essen, Besuche: Sie wissen, dass das nicht hält. An Weihnachten nur was kriegen, genießen, ein bisschen Optimismus tanken, und dann doch wieder die Enttäuschung: Kenn ich schon, geht nicht, nutzt eh nichts: Wollen Sie darauf ernsthaft bauen? Wollen Sie wirklich allein auf diese Welt hier bauen?

Vielleicht fühlen Sie sich sicherer, wenn Sie viel arbeiten und ordentlich Geld verdienen. Vielleicht fühlen Sie sich sicherer in den Reihen der Impfgegner und Querdenker, wo Sie es den Mächtigen und den Superschlauen endlich mal zeigen können. Ich verstehe gut, dass Menschen auf Nummer sicher gehen. Ich kann Ihnen auch nicht versprechen, dass der Umgang mit Gott, der Eintritt in jene andere Welt einfach ist. Ich kann noch nicht einmal garantieren, dass Stephanus glücklich war. Oder „erfolgreich“. Aber sein Leben hatte einen Sinn!

Wozu braucht es Sinn? In der Evolution geht es um Selbsterhaltung und Fortpflanzung, nicht um einen tieferen Sinn. Aber wir brauchen alle einen Sinn in unserem Leben, – das grenzt uns ab von allen anderen Geschöpfen! Sinn sucht nur der Mensch. Glück ist etwas Tolles. Aber das Hauptanliegen des Menschen ist es nicht, Glück zu erreichen oder Schmerz zu verhindern, sondern in seinem Leben einen Sinn zu sehen. Glück, das ist meistens nur ein flüchtiger Moment. Der Sinn bleibt. Der Sinn aber kommt aus der anderen Welt.

Wissen Sie, was Beten ist? Das Gebet ist die Suche nach der anderen Welt. Der Kardinal schreibt uns zu Weihnachten: „Und bitte kämpfen wir täglich um den Raum für das Gebet.“ (Und er fügt hinzu: „Es ist mein täglicher Kampf.“)

Sie kämpfen alle. Sie sind Kämpferinnen und Kämpfer, ich weiß das. Das haben Sie mit Stephanus gemeinsam. Stephanus sieht nicht Nichts, als es zu Ende geht, er sieht den Himmel offen. Er sieht Christus, die wirkliche Wirklichkeit.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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