Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Lange Nacht der Kirchen, Freitag, 28. Mai 2021

28/05/2021 


Die Predigt zum Anhören

(Lesungen vom Freitag der 8. Woche im Jahreskreis)

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Der arme Feigenbaum! Die armen Geschäftsleute! Und die armen Tiere! Und der böse Jesus! Jedes Kommunionkind weiß, dass das nicht geht. Alle gut erzogenen Menschen wissen das. Ferner sämtliche Esoteriker, Moralisten, Gutmenschen und Ordnungshüter. Alle wissen: Man verflucht keine Pflanzen, man prügelt sich nicht, man vertreibt keine Tiere, man stößt keine Tische um und man ist, bitte sehr, nicht zu fromm. Das ist doch religiöser Wahn! „Haus des Gebetes…“ Beten kann man auch daheim. Warum soll es in der Kirche kein Konzert geben, keine Touristenführungen, keinen Bücherverkauf, und warum darf man bei der Messe nicht ins Handy schauen? Stimmt. Warum eigentlich nicht? Kann man alles machen. Der Dompfarrer wird’s verstehen.

Doch lassen wir den Tempel mal Tempel sein; es geht ja nicht um ihn, sondern um Jesus Christus. So wie er uns in diesem Evangelium vorgestellt wird, ist er verstörend, nicht wahr? Die Irritation über Jesus ist essentiell. Sie muss sein. Für Kirchenleute ebenso wie für Ungläubige; für fromme Menschen erst recht. Wer meint, er könne Jesus auf den Punkt bringen, hängt schon am verdorrten Baum. Nein, man kann Jesus nicht auf einen Punkt bringen! Die Kirche lebt durch die Auseinandersetzung mit ihm. Und doch ist genau diese Auseinandersetzung verpönt. Peinlich. Unangenehm.

Jesus aus Nazareth. Ein Zimmermann. Ein Jude. Ein Mann, der prügelt. Und Dinge sagt, so sublim, dass die Menschheit bis heute staunt und nachsinnt über seine Worte. Auch Dinge, die ganz einfach sind, so, dass jedes Kind sie versteht. Der Kranke heilt und Intellektuelle widerlegt. Dem Frauen folgen und Männer gehorchen. Der Autoritäten widersteht und am Grab des Freundes weint. Der arm ist und sich vor keinem beugt. Der dem Vater gehorcht. Dem im Himmel. Jesus, dessen Vater Gott ist und dessen Mutter Jungfrau bleibt. Dieser Jesus betritt jetzt den Tempel.

Sie haben auch den Tempel betreten. Die Lange Nacht der Kirchen rechnet mit allem, an den Türen wird keine Auswahl getroffen. Dabei kann man sich entweder gar nichts denken oder verstört sein. Ist diese Kirche wirklich für alle? Ganz gleich, was sie denken und glauben? Gibt es nicht richtiges Leben und falsches Leben? Haben wir nicht das Recht, unter uns zu bleiben? Was sollen wir mit unseren Maßstäben machen? Sie durchsetzen? Sie aufgeben? Sie suspendieren? Die Lange Nacht der Kirchen ist recht besehen auch eine Nacht der Irritation. Das passt zum irritierenden Jesus.

„Nachdem er sich alles angesehen hatte“ – wie Sie hier –, geht er nach Bethanien. Jesus schaut sich um und geht heim, wie Sie. Am nächsten Tag kommt er wieder. Und räumt auf. Die Szenerie stammt eher aus einem Western als aus einem christlichen Kalenderchen. Sie haben das Bild vor Augen: Wie einer den großen Hof betritt und es plötzlich still wird und die Leute zurückweichen. Dann wird es schmerzhaft und laut. Der Mann lässt es nicht zu, „dass jemand irgend etwas durch den Tempelbezirk“ trägt. Mindestens die Geistlichen dort wussten ganz genau, was er meint. Und die Geistlichen wissen es immer noch. Aber sie wissen es auch besser als Jesus. „Wenn wir die Touristen in die Kirche lassen und die Konzertbesucher, die Bach verehren und den Glauben lächerlich finden, wenn wir die alle willkommen heißen, bleibt doch vielleicht etwas hängen… vielleicht denken die Leute nach.“ Nur an einem Punkt hört die Toleranz auf: beim Geld. Sie „suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen“. Der aus Nazareth wird die Geschäfte des Tempels nicht ruinieren! – Warum finden die Leute die Neonazis zwar peinlich, aber nicht wirklich schlimm? Nicht wirklich empörend? Weil sie nicht auf unser Geld losgehen. Nur auf die Juden. Das Geld ist halt ein wunder Punkt.

Die Lange Nacht der Kirchen ist eine Begegnung mit heiligen Orten. Die harmloser tun als sie sind. Die Lange Nacht der Kirchen bedeutet: Welt trifft Glauben. Das ist immer ein Risiko. Der Jesus dieses Evangeliums lässt Sie ahnen, dass das nicht immer glatt geht mit Gott.

„Ihr müsst Glauben an Gott haben!“, sagt Jesus seinen Jüngern; man hört sie förmlich denken: „Haben wir doch!“ Und dann sagt Jesus, was Glaube wirklich ist. Nicht ein leicht herablassendes Für-möglich-halten. Nicht das gelegentliche Spüren einer „höheren Kraft“. Glaube ist: „Wenn jemand zu diesem Berg sagt: Heb dich empor, und stürz dich ins Meer!“ – Eine Stelle im Evangelium zeigt Ihnen die Richtung an. „Da sah er von weitem einen Feigenbaum mit Blättern und ging hin, um nach Früchten zu suchen. Aber er fand an dem Baum nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit der Feigenernte.“ Hier spüren Sie das Unpassende des Glaubens, das Unzeitgemäße, Unvernünftige. Das Große.

Da verflucht Jesus den Feigenbaum. „Und seine Jünger hörten es.“ Mehr können wir nicht tun: hören. Und dann sehen, was mit uns geschieht, wenn wir gehört haben.

Natürlich kann man dabei sehr vernünftig bleiben. Man kann wissen, dass dieses Evangelium von einer symbolischen Handlung erzählt: Wie der Feigenbaum, so hat auch der Tempel viele „Blätter“. Einen regen Pilgerbetrieb und üppige Geldgeschäfte. Aber keine Früchte. Kein reines Gebet. Nur das religionsübliche: ich gebe dir, Gott, damit du mir gibst. Keine selbstlose Hingabe. Der Tempel ist kein Haus des Gebetes mehr. Deshalb wird der Tempel zerstört werden.

Es ist nie etwas so gekommen, wie die Propheten, die großen Lehrer und Lehrerinnen der Menschheit wollten. Die Verwahrlosung einer Idee ist nichts Erstaunliches. Aber ohne die großen Lehrer wäre es überhaupt nicht gekommen. Wäre die Welt wirklich besser, wenn Jesus nie gesprochen hätte? Wollen Sie wirklich behaupten: Jesus ist ein Produkt seiner Zeit, seine Zeit aber ist um? Ist Jesu Zeit wirklich um? Sind die heiligen Ort verloren? An den Konsum? Sind diese Kirchen nur mehr dazu da, „zur Ruhe zu kommen“?

Am 30. August des Jahres 70 wurde der Tempel in Jerusalem zerstört.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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