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„In Gottes Namen lasst’s rinnen“

01/03/2018 


„Franziskus“ und „Josef“ sind gegossen

96 Jahre lang begleiteten die Glocken der Stadtpfarrkirche Fürstenfeld die Bevölkerung, ehe diese am 27. Mai zum letzten Mal zu hören sein werden. Die ersten beiden der fünf neuen Glocken wurden am Freitag in Passau (Bayern) gegossen.

Mehr als 50 Fürstenfelderinnen und Fürstenfelder wollten bei diesem großen Ereignis dabei sein – „auch deshalb, weil man einen Glockenguss für die Heimatkirche wohl nur einmal im Leben erlebt“, wie es viele Augenzeugen auf den Punkt brachten. In der Glockengießerei Perner in Passau gab es einen herzlichen Empfang und nach einer kurzen Einführung ging es in eine Halle, wo sofort zwei große Glockenformen zu sehen waren: „Maria“ und „Augustinus“, die am 28. Juli zum ersten Mal in Fürstenfeld zu hören sein werden. Zwei andere dieser Formen waren nicht zu sehen, spielten aber an diesem 23. Februar die Hauptrolle. „Franziskus“ und „Josef“ waren längst in der Glockengrube vergraben. Komplett mit Erde verfüllt und ordentlich verdichtet, damit die Formen den beim Gießen entstehenden Druck aushalten können. Stadtpfarrer Alois Schlemmer las aus dem Evangelium und nach einem Vaterunser konnte der Glockenguss – begleitet vom Geläut der Passauer Domglocken – beginnen. Mit den Worten „In Gottes Namen lasst’s rinnen, stoßt den Zapfen aus. Gott bewahr’ das Haus,“ machte sich die über 1.100 Grad heiße Glockenspeise durch einen Kanal auf den Weg zur Glocke „Franziskus“. Gemäß alter Tradition natürlich an einem Freitag zwischen 12.00 und 15.00 Uhr – zur Sterbestunde von Jesu Christi. Dass dieser geschichtliche Augenblick für die Stadtpfarrkirche Fürstenfeld von den Passauer Domglocken begleitet wurde, kommentierte Alois Schlemmer mit dem Satz „Jetzt bekommen die Passauer Glocken Schwestern in Fürstenfeld“.

Brodeln heiße Tradition

Es war ein eindrucksvolles Erlebnis, wie die Glocke „Franziskus“ gefüllt wurde. Die brodelnd heiße, flüssige Glockenspeise verschwand nach und nach in der Erde und als die Glocke gegossen war, rauchte und blubberte es noch lange an der Erdoberfläche. Firmeninhaber Rudolf Perner erklärte nochmals den genauen Gussvorgang auf sympathische bayrische Art und Weise, ehe anschließend auf den Guss angestoßen wurde. Dabei erzählte Rudolf Perner auch noch ein bisschen von der mehr als 400 Jahre langen Tradition seines Unternehmens, das einst in Verona oder Bern einen Ursprung hatte, ehe es nach Pilsen ging. Dort erhielt Johannes  1702 das Bürgerrecht. Einer seiner Söhne blieb in Passau, während Josef nach Budweis und Matthias ins bayrische Eichstätt ging. Durch die Zugehörigkeit zur kuk Monarchie finden sich heute noch Zeugnisse der historischen Perner–Gießkunst in Österreich, Böhmen und vielen anderen Ländern; so wurden bereits 1895 Glocken von Budweis nach Westafrika geliefert. 1946 kam der Großvater des jetzigen Glockengießermeisters von Budweis nach Passau – Hacklberg und konnte dort nach der Errichtung des Schmelzofens 1947 die ersten Bronzeglocken gießen. Die bekannteste Glocke blieb in Passau – es war 1952 die Pummerin für den Passauer Dom.

Auskühlen

Die beiden neuen Fürstenfelder Glocken „Franziskus“ und „ Josef“ („Johannes der Täufer“, „Augustinus“ und „Maria, Königin des Friedens“ werden noch gegossen) müssen jetzt rund eine Woche lang im Erdreich in Passau auskühlen. Ihr Klang wurde beim Druck festgelegt, entscheidend sind die drei Parameter Durchmesser, Höhe und Wandstärke, die sogenannte Rippe. Je nach Größe dieser drei Parameter verändert sich der Ton. Eine Glocke hat etwa 50 Klangfarben, einen Grund-, Unter-, Prim-, Terz-, Quint-, Oberton et cetera, die in ihrer Gesamtheit den hörbaren Ton der Glocke bestimmen.

Viele Vorarbeiten

Bis es zum Guss kommt, sind viele Arbeiten nötig. So benötigt der Glockengießer zur Herstellung einer Glocke eine dreiteilige Form, bestehend aus Kern, falscher Glocke und Mantel. Der Kern, der dem Inneren der Glocke entspricht, wird aus Lehmsteinen und verschiedenen Lehmschichten gemauert. Die falsche Glocke, oder Modellglocke, muss in Umfang und Aussehen genau der späteren, noch zu gießenden Bronzeglocke entsprechen. Sie besteht aus Lehm und Talg, die Zier wird in Wachs aufgetragen. Vor der Herstellung des Mantels streicht der Glockengießer zunächst einen feinen, dann immer gröberen Lehm auf die falsche Glocke, sodass sich die Zier im Mantel abdrücken kann. Der Mantel muss einen großen Druck aushalten, der während des Gießens auf ihn einwirkt. Vor dem Guss nimmt man den Mantel ab und zerschlägt die falsche Glocke. Der Hohlraum zwischen Kern und Mantel ergibt dann die richtige Glocke. Am Tag des Gusses wird der Schmelzofen angefeuert. Hat die Bronze eine Temperatur von zirka 1100 Grad Celsius erreicht, kann der Guss beginnen. Wenn die rot glühende Glockenspeise aus dem Ofen fließt, Rauch aufsteigt und Gase abbrennen, hat der Glockenguss seinen Höhepunkt erreicht. Die gegossenen Glocken müssen in der ausgehobenen Glockengrube noch einige Tage auskühlen, bis sie aus ihrem Mantel befreit werden können. Dann wird mit der Stimmgabel geprüft, ob der Guss gelungen ist und die Glocke wie gewünscht erklingt.

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Stadtpfarrkirche Fürstenfeld im Jahr 1945 nach dem Beschuss des Kirchturms

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Die neuen Glocken der Stadtpfarrkirche Fürstenfeld:

„Johannes der Täufer“:

Ton                        c1
Durchmesser          ca. 1.570 mm,
Gewicht                 ca. 2.200 kg

„Franziskus“:

Ton                        g1
Durchmesser          ca. 1.090 mm
Gewicht                 ca. 850 kg

„Josef“:

Ton                        b1
Durchmesser          ca. 920 mm
Gewicht                 ca. 600 kg

„Augustinus“:

Ton                        es1 – DUR
Durchbesser           ca. 1.350 mm
Gewicht                 ca. 1.300 kg

„Maria, Königin des Friedens“:

Ton                        f1
Durchmesser          ca. 1.200 mm
Gewicht                 ca. 1.050 kg

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