Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Hl. Messe zur Eröffnung der Ausstellung über das Turiner Grabtuch

07/06/2017 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes 

[Lesung aus Isaias 6] „Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht.“ Sie sehen nicht. Die Serafim sehen Gott nicht. Doch sie rufen.

Sie werden nachher vor einer „originalgroßen Kopie“ des Turiner Grabtuchs stehen. Also vor dem Bild eines Bildes eines Bildes. Und Sie werden fragen. Ist er das? Sieht er uns? Sehen wir ihn? Wen sehen wir da?

Uns blickt eine Gestalt an, die nicht zu sehen ist. Nur die Technik konnte ja das Bild finden. Wie kann uns einer so ansehen, der keine Augen hat? Werden Sie diesem Blick standhalten?

„Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ – Wer immer sich den Titel der Ausstellung ausgedacht hat: ein katholischer Geniestreich. Weil dieser Titel die Haltung der Kirche auf den Punkt bringt: Die Kirche steht vor diesem Tuch und fragt. Sie entscheidet nicht; sie bewegt alles in ihrem Herzen. Nur fragen. Mehr darf sie gar nicht. Nicht nur, weil die Befunde vage sind oder ambivalent oder vorläufig. Nein: Weil Gott so ist. Oder Gott so nicht ist.

Dieses Bild verbirgt sich. Und es erzählt. Dieses Bild schweigt, es schließt sich ab – und ist dennoch durchlässig. Durchlässig auf den Erlöser? Also auf Gott? Ein Bild Gottes?

„Du sollst dir kein Bild machen.“ Erstes der Zehn Gebote. Das gilt in dieser Welt. „Und eher werden Himmel und Erde vergehen, als dass auch nur der kleinste Buchstabe im Gesetz vergeht“ (Lk 16,17). Woanders aber gilt: „Wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Jo 3,2). Dort, nicht hier.

Lieb ist das Bild nicht. Es beunruhigt, oder? Das andere Bild, das, das jetzt alle so lieben, das Bild der Sr. Faustina beunruhigt keinen. Es streichelt alle. Mich beschäftigt der Unterschied zwischen den beiden Bildern. Und ich erinnere mich: „Jetzt sehen wir nur rätselhafte Umrisse“ (1 Kor 13,12), schreibt Paulus.

Der Gott des Alten Testamentes ist ein bildloser Gott. Einer, der durch Wüsten zieht und in Zelten wohnt. Der nicht bleibt. Der Tempel aus Stein kommt erst später. Und selbst darin ist das Allerheiligste: leer. Da tanzt kein Rokoko, da trägt keine mannhafte Romanik. Der Gott des Alten Bundes ist Niemand. Er hat keinen Namen, keine Herkunft. Die Stimme aus dem Dornbusch spricht. „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Anders übersetzt: „Ich bin der Ich-bin-da“ (Gen 3,14). Niemand heißt so. Der Name Gottes steht da – und muss verschwiegen werden. Das Volk Gottes spricht den Namen nie aus. Gott: kein Name, keine Voraussetzung, keine Folgerung. Nur Gott. Und dennoch ist der Wortlos-Namenlose der Grund dafür, dass wir sprechen können. Von Ursachen und Wirkungen, von Anfang und Ende und von Namen.

Von diesem Gott der Wüste geht es zu einem Bild. Zu diesem Bild. Ja, da ist die Menschwerdung Gottes… Aber ist Jesus zu fassen in einem Bild? Ist das Bild, das Sie nachher betrachten werden, nicht auch deswegen so leer, weil der Auferstandene nicht zu halten ist? Weil auch seine Kirche sich dem Menschlichen entzieht?

Unsere Gottesdienste setzen Gott in Sprache. Dabei sind sie doch Geschöpfe Gottes wie alles andere auch. Jeder Gottesdienst ein Geschöpf des Gottes, der auch die Sprache erschuf.

Das Geschöpf sucht den Schöpfer zu fassen: Wie soll das gehen?

Gott war immer da und ist doch nicht fassbar. Gott wird gehofft, nicht ergriffen, geschweige denn gesehen. Gottesdienst ist wie eine Fährte im Schnee. Gottesdienst geschieht und ist doch unverfügbar. Gottesdienst ist immer eine Suche. Wie jenes Bild im Schrein zu Turin.

Das Bild der Sr. Faustina ist selbst gemacht; es kommt nicht über unsere Hoffnungen hinaus. Es ist ohne Rätsel. Kann Gott sein, wo kein Rätsel mehr ist? Wer hat das Bild auf dem Tuch gemacht? Wurde es gemacht? Haben Sie keine Scheu, dieses Bild anzusehen? Wie hält er unsere Blicke aus?

Er. Das ist Er!

Was sehen Sie? Sehen Sie Ihre Hoffnung? Ihn? Den Erlöser?

Aber Ihre Hoffnung wird nicht erfüllt. Nicht jetzt, nicht hier. Vor diesem Bild geht nichts in Erfüllung. Man muss hindurch, auf die andere Seite.

Wenn Sie nachher in die Ausstellung gehen und vor das Bild hintreten, werden Sie stehen vor Ihrer Hoffnung und in Ihren Zweifeln. Das ist nicht falsch. Das ist der Glaube an Gott: Frage und Hoffnung.

„Ihr werdet den Himmel offen sehen…“, sagt Jesus. Das wird sein; das ist noch nicht.

Wenn Gott sichtbar wird, braucht es keine Kirche mehr.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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