Predigt anlässlich einer Trauung
Predigt anlässlich einer Trauung Ich kann verstehen, dass zwei Menschen sich zusammentun… für fünf Minuten. Oder für eine Nacht. Ich kann auch verstehen, dass zwei Menschen zusammen in eine Wohnung ziehen und glücklich dort leben; erst recht, wenn sie noch einen gewissen Oskar dazu holen. Warum aber gehen die beiden eines Tages zum Bürgermeister und dann noch zum Pfarrer? Der Bürgermeister NN und der Pfarrer NN sind zwei fabelhafte Figuren, kein Zweifel, aber was geht diese beiden Männer Eure Ehe an? Ich will klarbekommen, was hier heute eigentlich geschieht. Was macht Ihr hier? Warum lasst Ihr Euch auf einen Amtsakt ein? Denn das Brautkleid, die Orgel und dieser Anzug täuschen ja nicht darüber hinweg, dass es in St.-Laurentius um einen Rechtsakt geht, mit Zeugen, Dokumenten, Unterschriften. Ich setze natürlich mein volles Vertrauen in Eure Trauzeugen, die coole NN und den zauberhaften NN. Aber: wozu? Meine nachdenkliche Antwort: Zwei Menschen gehen zum Bürgermeister und zur Kirche, weil sie ahnen, dass ihre Beziehung nicht nur Privatsache ist. Wie zwei Menschen zusammenleben, das hat, über 1000 Verästelungen, Auswirkungen auf das Ganze. Der Staat und die Kirche beginnen in Ihren Beziehungen, in den Familien. Ihr zwei prägt die Gesellschaft mit. Ihr prägt das Land. Ihr prägt die Kirche. So oder so. Hinter uns hier steht die Hoffnung, das Recht sei nicht eine lästige Zumutung, sondern etwas Gutes. Niemand will in einem rechtlosen Land leben oder unter dem Recht des Stärkeren. Wir sind doch keine aus dem Cowboy-Film. Wer vor dem Standesamt heiratet, schließt eine Art Vertrag mit dem Staat: Wir werden Steuern zahlen, uns an das Recht halten; vor allem aber: Wir werden Bürger sein. Bürger, das sind nicht die, die grölen: „Wir sind das Volk!“ Bürger im guten Sinn sind die, die aufrecht stehen, stolz, frei und sagen: Wir werden die Demokratie verteidigen und das Recht und die Schwächeren. Bürger, das sind Frauen und Männer, die miteinander reden anstatt sich anzuschreien, die Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen, die sich informieren (nicht nur auf Twitter-X oder in der „Bild“), die wählen, die ehrenamtlich arbeiten und den Armen helfen. Frauen und Männer, die das Ganze zusammenhalten. Das alles steckt in der standesamtlichen Trauung. Die kirchliche Trauung bedeutet: Zwei Getaufte sagen der Kirche: Wir wollen dir treu sein, weitergeben, was du lehrst, dich korrigieren, wenn du, Kirche, Mist baust. Die Kirche ihrerseits (so wie sie in Wahrheit sein soll) wird Eure Geschichte und Kultur erhalten, Eure Heimat, sie wird sich um Eure Seelen sorgen und Eure Ehe und Familie beschützen. Wegen alldem ist das hier ein Augenblick voller Ernst und Würde. Nachher ist Jux & Spiel & Bier & Torte. Jetzt wird es ernst. Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Gäbe es noch kirchliche Hochzeiten, wenn die Kirche keine schönen Kirchen mehr hätte? Würden die Leute in einer Garage heiraten? Ohne Orgel? Andere Frage: Wäre ich noch Priester, wenn ich wie die in Frankreich nur 700 € im Monat verdienen würde? Eher nicht. Und Sie hier, liebe Freunde? Sie schaffen es noch nicht einmal, die Tüte Chips halb voll wieder in den Schrank zu legen! Das hier ist keine Versammlung der Starken. Nichts hier ist sicher. Und genau deswegen sind wir hier. Man heiratet nicht kirchlich, weil man toll ist, sondern weil man Hilfe braucht. Diese beiden brauchen Ihre Hilfe. Deswegen wollten Katharina und Luis, dass Sie alle dabei sind: „Helft uns, ein gutes Fest zu feiern. Helft uns (wenn Ihr wirklich unsere Freunde seid), eine gute Ehe zu führen.“ Ich spüre täglich die Fragwürdigkeit des Ganzen. Was gibt mir Halt? Klarheit. Diesen Halt finde ich hier. Ich komme in diese Kirche, seitdem ich ein kleiner Bub war. Meine Eltern waren hier, meine Großeltern und Urgroßeltern und so fort durch die Jahrhunderte, in denen wir hier in Marktheidenfeld leben. Alle diese Frauen und Männer und Kinder haben diesen Altar gesehen. So viele fade Predigten lang. Ganz oben im blauen Himmel das Bild der Dreifaltigkeit. Vater, Sohn, Heiliger Geist. Geist, das bedeutet: kein Körper. Weder Mann noch Frau. Ein Gott in drei Personen. Eins ist drei, drei ist eins. Gott sprengt die Buchhalter-Logik. Gut so. Was sehen Sie noch? Engel. Nicht bloß einen: viele. Scharen. Sie sehen zwei Männer, Petrus und Paulus. Die beiden haben zusammengearbeitet. Sie sehen viele Heiligen-Figuren: die Gemeinschaft der Heiligen. Und Sie sehen eine Mutter mit ihrem Kind. Mit dem Baby und später mit ihrem toten Sohn. Merken Sie was? Sie sehen Beziehungen. Diese Kirche hat eine große Botschaft: Beziehung. Das ist für immer die erste Lehre der Kirche: Lebe deine Beziehungen! Es beginnt mit einem Gott, in dem Beziehung ist: Vater, Sohn, Geist, und geht zur Ehe, zu den Freundschaften, Partnerschaften, zur Nation, zu den Gemeinden, Vereinen, Teams… zu allem, wo es um Gemeinschaft geht. Das ist der Gegenentwurf zu dem da draußen. Bei uns gilt: Beziehung ist wichtiger als Konkurrenz. Hier muss keiner gewinnen. Das Geschenk ist wichtiger als der Profit. Ein Kind ist kein Produkt, das man plant und gestaltet, sondern ein Geschenk. Der Mensch kann nicht sein ohne andere Menschen. Der Mann ist ohne die Frau kein vollständiger Mensch: Lehre der Bibel. Luis braucht Katharina. Katharina braucht Luis. Nur dann ist es richtig. Wer vor allem danach strebt, keinen anderen Menschen zu brauchen, nie um etwas bitten zu müssen, der ist eine verlorene Seele. Der kann sich im Alter nur noch tot saufen. Alles schon passiert. Was noch am Hochzeitstag? Liebe! – Lieber nicht. Dazu ist schon alles gesagt, eben in der wunderschönen Lesung. „Die Liebe erträgt alles… hält allem stand.“ Wirklich? Auch einer Affäre? Und einer zweiten Affäre? Ich halte nicht viel von Reden über die Liebe. Da schauen Sie lieber Hugh-Grant-Weihnachts-Filme und weinen ein bisschen. Vergessen Sie die Chips nicht! Verliebt sein ist super, weiß Gott. Es hat halt keinen Bestand. Leidenschaft ist nicht das Gleiche wie Liebe. Ich denke nicht, dass man sich trennen muss, weil man einen anderen geiler findet. Natürlich wird Eure Ehe zwischendurch einmal müde werden. Ihr wäret die Ersten, denen das nicht passiert. Aber sollt Ihr deswegen die Hochzeit lieber gleich sein lassen? Nach dieser Logik müsste sich ein Mann mit 28 aufgeben, weil er weiß, dass mit 48 seine Taille nicht mehr schlank sein wird. Ich weiß etwas Besseres: Realismus und Tapferkeit, beide inspiriert von der Liebe. Das geht. Man kann Liebe wollen. Gewollte Liebe ist wertvoller als die, die einem zufliegt. Und wieder wegfliegt. Es geht darum, das eigene Leben anzunehmen, sein Geschlecht, seine Begabungen, seinen Körper, sogar seine Schwächen. Es geht darum zu wissen, wie zerbrechlich man ist und dennoch gerade zu stehen. Das geht – und wenn da einer ist, der mitmacht, geht es leichter. Es kann sogar lustig werden. Wenn Ihr über Euch selbst lachen könnt. Was ich da beschreibe, nennt man Loyalität. Die ist kein Gefühl, sondern ein Entschluss. „Ich verspreche dir die Treue…“ Jetzt gleich. Und morgen früh wieder: „Ich verspreche die Treue…“ Und in 30 Jahren noch immer. Eine Ehe ist dann am Ende, wenn jeder nur noch ein Einzelner ist. Wenn einer alles mit sich allein ausmacht. Dann ist es kein Wunder, wenn er sich jeden Tag droben in der „Wache“ die Kante gibt oder nur noch an der Karriere arbeitet. In meinen Augen ist dies das Gleiche. Es braucht also Einsicht – und Hilfe. Vom anderen. Und von Gott. Nichts anderes bedeutet „Sakrament der Ehe“: Hilfe von Gott. Aber Hilfe wozu genau? Ich sage Euch dazu einen Satz, den keiner hier mögen wird. Der aber vielleicht anfängt zu wirken… Er lautet: Im Sakrament der Ehe bekommen Frau und Mann die Gnade – die Hilfe! –, ein Bild der göttlichen Liebe zu werden. An Eurer Liebe sollen die anderen sehen können, wie sehr Christus die Welt liebt. Ihr sollt Bilder werden. Lehre des Apostels Paulus. Glaubt Ihr, dass Gott Euch helfen kann? Das ist die eine Frage. Die andere Frage ist: Werdet Ihr Gott um Hilfe bitten? Ich vergesse nie die fromme Frau, die mir gegenübersaß, um über ihren Mann zu jammern, völlig zu Recht. Die aber Gott noch nie um Hilfe gebeten hatte. „Haben Sie mal für Ihren Mann gebetet?“, fragte ich sie. „Nein. Noch nie.“ Seltsam, oder? Das war die Predigt. Wozu habe ich gepredigt? Damit Ihr zwei eines Tages ein glückliches altes katholisches Ehepaar seid. Und natürlich habe ich auch für die alten Hasen der Ehe hier gepredigt. Amen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Marktheidenfeld, St.-Laurentius am 26. August 2023Einleitung der Feier
Predigt