12. Sonntag im Jahreskreis (A)
12. Sonntag im Jahreskreis (A) Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Wer sich ganze Nachmittage lang in die Gebrauchsanweisung seines neuen Autos vertieft, bis er auch den letzten unnötigen Gag kapiert hat, der soll mir nicht sagen: „Die Bibel versteht doch kein Mensch!“ Es stimmt, alle drei Lesungen dieses Sonntags sind schwierig. Die Gedanken darin springen, sie widersprechen sich oder sind uns fremd geworden. Aber „schwierig“, ist das ein Argument? Wenn Fußball leicht wäre, bräuchte es keine Trainer, die Riesen-Gehälter kassieren. Wenn Sie genau über Ihre Kinder nachdenken, werden Sie merken, dass jeder Mensch „kompliziert“ ist, sogar ein Dreijähriger. Ich bin gegen die Vereinfachung der Religion. Weil dann nur Regenbögen und Gipsengel übrigbleiben. Oder die Idee, wenn man zwei Reformen macht, wird alles gut Ist Ihr Leben so einfach? Sie Sie selbst so einfach? Nein, sind Sie nicht. Die Kirche weiß, dass die Bibel schwierig ist, dass keiner sie gleich versteht. Sie weiß, dass viele aussteigen, sobald die Lektorin spricht. Und dennoch mutet die Kirche Ihnen solche Texte zu, Sonntag für Sonntag. Warum? Weil wir Zeit haben. Verstehen braucht Zeit, und die Kirche hat Zeit. Sie denkt nicht in Wahlperioden. „Denn nichts ist verhüllt, das nicht enthüllt wird. Und nichts ist verborgen, das nicht bekanntwerden wird.“ In diesem Wort Jesu geht es nicht um Enthüllungsjournalismus, Verschwörungen und Whistleblower. Es geht darum, dass die Worte Jesu mit der Zeit immer klarer werden. Der Hl. Geist steht doch nicht still! Wer wirklich hört, lernt zu verstehen. Die Kirche – Sie! – lernen mit der Zeit, zu verstehen, was Christus will. Die Kirche traut Ihnen etwas zu. Ich bin nicht sicher, ob ARD und ZDF Ihnen viel zutrauen. Bei der hundertsten Quiz-Show und dem achthundertsten Schweden-Krimi kommen mir Zweifel. Man weiß, wie’s läuft. Man weiß: Gleich wird Barbara Schöneberger aus der Torte springen. Die Kirche hat die Menschen von jeher mit großen Ideen bekannt gemacht. Alle, nicht nur eine Elite. Sie hat (früher zumindest) den einfachsten Menschen die beste Architektur und die größte Musik zugetraut. Und die Heilige Schrift. Wenn Sie erwarten, dass der Trainer Ihre Kinder fordert, damit sie etwas lernen, dann sollten Sie nicht murren, wenn der Pfarrer Sie fordert. Weil er Ihnen etwas zutraut. Lassen Sie die Kirchen links liegen, wo Sie nur entertaint werden. Ihnen steht Besseres zu. Die Kirche mutet Ihnen diese Texte zu, weil sie weiß, wie wichtig es ist zu lernen. Ich habe von den ganz modernen Berufen kaum eine Ahnung, aber immer, wenn ich an das Handwerk denke, bin ich schwer beeindruckt von all dem Wissen, das ein Winzer oder ein Schreiner oder ein guter Schneider im Lauf der Jahre gewinnt. Diese Berufe brauchen Zeit und Erfahrung. Mit dem Glauben ist es nicht anders. Also bleiben Sie nicht beim Baby-Glauben stehen. Werden Sie Meisterinnen und Meister. Jede Sonntagsmesse ist ein Schritt dahin. Wie können wir mit solchen Texten wie heute also umgehen? Wer z. B. sind die „Übeltäter“, von denen Jeremias spricht? Sind die inzwischen alle tot oder haben wir heute auch Gegner? Wie ist der Zusammenhang zwischen Sünde und Tod zu verstehen, von dem Paulus spricht? Und noch schwieriger: Wie ist das mit 500 Auswanderern, die ertrinken, wenn doch kein Spatz zur Erde fällt, ohne dass Gott es will? Denken Sie nicht, dass irgendwer dazu die schlaue Super-Antwort hat. Manche versuchen, zwischen den drei Texten Linien zu ziehen, Verbindungen zu schaffen und ein System zu finden. Wie der Kommissar vor einem Fall. Sehr schlau. Und dann merken sie, dass es nicht aufgeht. Weil das Evangelium kein System ist. – Andere nehmen einzelne Worte aus dem Ganzen heraus und denken über die nach. Kann man machen. Aber da ist die Gefahr, dass ich heraussuche, was mir gefällt, was mich beschäftigt – und dann hat das nichts mehr mit Ihnen zu tun. Ich soll aber nicht mich verkünden. – Man kann schließlich, dritte Möglichkeit, nur das große Ganze in den Blick nehmen – und riskieren, dass man so bei Ideen gelangt, von denen nichts dasteht. Dann hat man eine Idee, die mit dem Wortlaut nichts mehr zu tun hat. Auch schief. Es geht in diesen Sonntagstexten z. B. um unsere Furcht („Grauen ringsum“). Es geht um das Bekennen im Angesicht der Gegner. Um Bedrohung. Und Rache. Es geht um die Bedeutung des Einzelnen für das Ganze, um das Gesetz und um einiges andere mehr. Aber die Grundstimmung in den drei Texten ist doch: Gott und Menschen, die auf Gott vertrauen. Klingt banal, ist es aber nicht. Glauben Sie mir: Lernen, Gott zu vertrauen, ist eine Lebensaufgabe. Von diesem Grundthema aus können Sie weitergehen in den Texten und vertiefen. Sie können entdecken. So viel! Vielleicht gehen Sie so in die neue Woche: indem Sie lernen, auf Gott zu vertrauen. Ist ja nicht leicht, in dieser wirren Zeit. Helfen Sie einander dabei. Eltern, die ihren Kindern helfen, auf Gott zu vertrauen… das wäre eine super Pfarrei. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt am 25. Juni 2023 in Lengfurt