11. Sonntag im Jahreskreis (A)
11. Sonntag im Jahreskreis (A) Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Er hatte „Mitleid mit ihnen“. Sie kennen auch Leute, die sagen: „Also Mitleid brauche ich echt keines.“ Mitleidlos soll man aber auch nicht sein. Die Menschen sind echt schwierig. – Weiter im Text: „Die Ernte ist groß.“ Das sagt Jesus und blickt dabei auf die vielen Menschen vor sich. Wollen Sie als „Ernte“ bezeichnet werden? Sie wissen, dass es, wo es eine Ernte gibt, auch einen „Herrn der Ernte“ gibt? Und dass Ernte immer Ende bedeutet? Nach der Ernte ist Schluss. Können Sie einen Herrn akzeptieren und das Ende ertragen? – Weiter im Text. Zwölf Apostel. Das bedeutet Hierarchie und Männer. Exakt das, was heute in der Kritik steht. – Dann ist die Rede von Sendung. Jesus sendet die Männer aus. Aber nicht zu allen! Samariter sind wäh, Heiden auch. Sie haben hier also Exklusivität und Mission. Beides für viele ganz schlimm (Wertheim). – Und zum Schluss die Rede vom „Himmelreich“. Interessiert keinen, glaubt keiner. Obwohl… Geheilt werden, liebe Tote zurückbekommen: Wenn das Himmelreich so wäre, das wäre schon toll. Aber längst nicht alle werden geheilt. Jesus hat viele geheilt, aber nicht alle. Und noch keiner hat seine lieben Toten zurückbekommen. Hier nicht. In dieser Welt bleiben nur Trauer oder Vergessen. Mit diesem Schnelldurchlauf durch das Sonntagsevangelium wird klar, dass die Religion mit ihrer Mischung aus Langeweile und naivem Optimismus ziemlich neben dem Evangelium liegt. Die meisten Leute finden Jesus langweilig (wäre es anders, würden sie seine Worte ja mit Begeisterung hören). Die meisten Kirchenleute (und da gibt es ja gottlob inzwischen auch viele Frauen) verkünden ein Christentum ohne Drohung, ohne Entscheidung, ohne Drama. Klingt fein. Aber ist das Leben so? Bedroht uns gar nichts? Müssen wir nie schwere Entscheidungen treffen? Gibt es ein Leben ohne dramatische Momente? Wir leben nicht unter dem Kommunionkinder-Regenbogen. Ich finde, die Welt, die wir morgens in der Zeitung finden, sollte nicht ganz und gar anders sein als die Welt, die wir sonntags in der Kirche treffen. Sonst wird der Glaube nämlich eine Freizeit-Sache. Er wird kitschig. Nichts für erwachsene Frauen und Männer, die müde und erschöpft sind „wie Schafe, die keinen Hirten haben“. Auf die also keiner aufpasst, um die sich keiner sorgt. An diesem Punkt geht es um Grundentscheidungen: Kann ich das Evangelium nehmen wie es ist? Kann ich mich darauf einlassen? Das Evangelium lehrt uns immer wieder, Dinge zu denken, welche die Leute für unmöglich halten. „Geht! Weckt Tote auf!“, sagt Jesus den Aposteln. Das waren Fischer und Zöllner. Handwerker, kleine Geschäftsleute. Solchen Männern sagt Jesus: „Weckt Tote auf!“ Wie hätten Sie reagiert? Wären Sie gegangen? Aufgeregt? Ratlos? Oder fasziniert? „Was der uns zutraut!“ „Es gibt keine Wunder!“, Das ist das Dogma der Leserbrief-Schreiberin und des Stammtisch-Bruders. Alle haben so ihre Dogmen, nicht nur die Kirche… Würde es nicht reichen zu sagen: Sehr wahrscheinlich gibt es keine Wunder? Es könnte doch sein, dass Wunder der Natur gar nicht widersprechen, sondern nur dem, was wir von der Natur wissen? Die Natur ist größer als die Naturwissenschaft. Also Vorsicht. Wenn eine Erweckung von den Toten ausgeschlossen ist, bleibt nur die Konsequenz: Das Evangelium ist naiv oder es lügt. Wenn wir alles Wunderbare streichen, bleibt vom Evangelium nur ein wenig Moral. Anderen helfen. Verzeihen. Dazu brauche ich aber kein Evangelium. Schon der Hausverstand sagt mir: Wenn du nicht verzeihst, ist deine Beziehung am Arsch. Wenn ihr einander nicht helft, zerfällt euer Dorf. „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, treibt Dämonen aus!“ – Aber ein Himmelreich gibt es nicht. Auch keine Dämonen! Kranke heilen können nur Ärzte! Ist das Evangelium also erledigt? Kommt die Krise der Kirche nicht nur vom unfähigen Klerus, sondern vom Evangelium selbst? Davon, dass hier nach wie vor Sachen erzählt werden, die kein Mensch mehr ernst nehmen kann? Die Bibel will gar nicht vernünftig sein in unserem Sinn, nicht logisch. Die Bibel funktioniert eher wie eine Geschichte. Es geht um Beziehungen, Situationen, neue Antworten. Jesus interessiert sich auch nicht für eine Deklaration der Menschenrechte. Vernehmen, was Gott will – und sehen, wie es weitergeht: Das ist Jesus wichtig. In den Wundern begegnet uns der unfassbare Gott. Sie können außen vor bleiben und sich erhaben fühlen. Oder Sie staunen und fragen: Was willst du, Gott? Sie können die Kirche sehen als eine Institution zwischen langweilig und verkommen. Oder als geheimnisvolles Ereignis, das uns verwandelt. Der Glaube ist eine Macht. Schöpferisch. Er kann einen Familienstreit heilen. Er kann machen, dass ein Vater seinen Sohn ganz neu sieht. Ein Wort des Glaubens kann eine Seele verwandeln: aus einem müden, erschöpften Zombie wird ein lebendiger Mensch. Dann ist das Himmelreich nahe. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Rothenfels am 17. Juni 2023