Karfreitag 2022 – Das Kreuz ist da
Karfreitag 2022 – Das Kreuz ist da Aus technischen Gründen leider keine Audio-Datei! Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Vor sechs Wochen war‘s noch anders. Man konnte es übersehen, wenn man wollte. Die Kranken waren nicht zu sehen; sie blieben zuhause oder waren im Spital. Ehe-Dramen waren nicht zu sehen; vielleicht weil es keine mehr gibt. Krise, Schluss, neue Beziehung! Der Tod war bei den Bestattern. Kriege gab es, aber weit weg, und die Flüchtlinge blieben in den Wäldern. Ohne Heizung. Jetzt aber sehen wir den Krieg, wir sehen die Fliehenden und die Toten, die auf der Straße liegen. Davor haben wir schon die Seuche gesehen und die Dummheit auf der Straße schreien gehört. Nun ist es da, das Kreuz. Sie müssen es sehen. Und beinahe sieht es aus, als ginge es nicht mehr weg. Das Kreuz des Karfreitags, das, von dem die Passion erzählt (die uns langweilt), dieses Kreuz ist ja nicht das einzige; im Gegenteil, es ist eines von vielen. Das Kreuz des Karfreitages ist alle Kreuze. Wenn Sie das Kreuz Jesu nachher anschauen, dann, wenn es enthüllt und erhoben ist, sehen Sie auch die Kreuze in Mariupol und die Kreuze der Chemotherapien. An diesem Karfreitag 2022 stehen Sie nicht mehr in einem stimmigen Gottesdienst, sondern in der Realität. Das Kreuz ist die ganze Zeit da. Wir können es sehen. Nicht auf dem Golgota, sondern gleich hier. Ich sage Ihnen: Gut so! Denn wir müssen das wieder lernen: das Kreuz ansehen. In vielen Ländern dieser Erde wissen die Menschen, was das Kreuz ist. Sie sehen es jeden Tag. Hunger, bittere Armut, Gewalt, sogar gegen Kinder, kein Strom, kein Wasser und ganz bestimmt keine Rehab nach der Knie-Operation. Die Europäer hatten den Sinn für das Tragische und den Sinn für die Realität verloren. 2022 müssen auch die Europäer sich eingestehen, dass es die Geschichte und ihre Widersprüche wirklich gibt. Das Anschauen macht realistisch. Und Realismus macht, so seltsam es klingt, Mut. Ich bin sicher: Hinsehen macht stark (Hinsehen ist allerdings etwas anderes als Anglotzen). Realismus macht Mut und Mut macht Hoffnung. Ohne Hoffnung ist das Kreuz auf Golgota nur noch eine Quälerei mehr. Die Hoffnung des Karfreitags ist allerdings eine andere als die am Ostermorgen oder die in Emmaus. Was macht am Karfreitag Hoffnung? Der Schmerz. Wie das? Der Schmerz macht Hoffnung, weil er aus der Liebe kommt. Das Kreuz ist wirklich eine Hoffnung, weil es true love ist. Wahre Liebe. – Haben Sie Acht, dass ihr Schmerz nicht steril bleibt, nicht nutzlos. Füllen Sie Ihre Schmerzen mit Liebe! Christus ist nicht der einzige, der Schmerz gekannt hat. Vielleicht ist er der einzige, der ihn so gekannt hat. Wir sind ganz und gar aus dieser Welt, wir kennen den Schmerz irgendwie schon immer. Jesus nicht. Ihn trifft der Schmerz mit voller Wucht. Dabei geht es nicht nur um die Folter. Der eigentliche Schmerz Jesu liegt im Ausleiden der sinnlosen Sünde. Dieser Krieg ist sinnlos. Die verweigerte Vergebung unter Nachbarn ist sinnlos. Jesus ist in beidem gleichzeitig: in Gott und im gottverlassenen Geschöpf. Das ist eine Spannung, die ihn auseinanderreißt. Kreuzigung bedeutet: auseinanderreißen. – Sie wissen, glaube ich, dass Liebe einen zerreißen kann; spätestens dann, wenn sie bis ins Letzte geht. Wo aber etwas zerrissen wird, da wird es weit. „Wasser strömt hervor und Blut; Erde, Meere, Sterne, Welten werden rein durch solche Flut.“ Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören