Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C), 23. Januar 2022

23/01/2022 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

In der Lesung aus dem Alten Testament, im Evangelium und hier in Mailberg: Menschen und Bücher.

Eigentlich erstaunlich. Mailberg war über die Jahrhunderte hin ein Bauern- und Handwerkerdorf. Im Schloss, das in Wahrheit eigentlich eine Burg ist und einmal ein Hospital war, da saßen Verwalter oder altgediente Ordensritter. Bücher gab es nicht, im Schloss nicht und im Dorf nicht. Vielleicht im Büro des Verwalters, Rechnungsbücher halt. Und im Pfarrhof. Taufbücher, Ehebücher, Totenbücher… Aber Leser waren auch die Pfarrer hier nicht, genauso wenig wie die Bauern und die Handwerker und die Komture. 

Einen Ort aber gab es aber, an dem immer ein echtes Buch zu finden war. Das Buch. Eine Stunde gab es, in der alle um ein Buch zusammenkamen. Um zu lesen, zu hören, nachzudenken, zu lernen. Über die Jahrhunderte hin versammelte sich die Mehrzahl der Mailberger Sonntag für Sonntag um ein Buch. Und keiner wagte es, diesen Frauen und Männern zu sagen: Was braucht ihr ein Buch? Geht lieber arbeiten! Es war das heilige Recht dieser Menschen, eine Stunde lang mit diesem Buch zu sein. Und noch heute wird in jeder Messe gelesen und gehört. Immer das gleiche Buch. Sonntag für Sonntag nehmen die Menschen es auf sich, einem Buch zu begegnen. Manchmal ist es geheimnisvoll, manchmal schwer, dann wieder ganz einfach und klar. Aber die Worte und Wörter sind nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist zu wissen: Hier ist das Wort Gottes in Menschentönen. Gott spricht.

Etwas anderes. Wir sagen „Kirche“. Das Wort „Kirche“ kommt aus einer alten Sprache und bedeutet „Gotteshaus“. Im Lateinischen sagen sie nicht Kirche, sondern „ecclesia“. Das bedeutet nicht „Gotteshaus“, sondern „Versammlung“. Die Kirche beschreibt sich selbst also als Versammlung. Wie kommt sie darauf? Weil sie sich erinnert an das Volk Israel, das sich um den Berg Sinai versammelt hat. Und wozu? Um dort das Wort Gottes zu hören. Eine Versammlung, die hört: Das ist die Kirche. Die Kirche ist eine Versammlung, die das Wort Gottes hört.

Mehr noch: eine Versammlung, die Gott selbst einberufen hat. „Bis ans Ende der Zeiten versammelst du dir ein Volk“, heißt es im III. Hochgebet. Der Gottesdienst ist also der Moment, in dem die Kirche entsteht. – Verstehen Sie jetzt, warum ich den Gottesdienst so ernst nehme und warum ich mir wünsche, alle Getauften in Mailberg kämen jeden Sonntag zum Gottesdienst zusammen? Zur Versammlung, die Gott hört.

Die Welt zerfällt immer mehr. Aber der Gottesdienst verbindet alle. Wodurch? Wodurch werden wir verbunden? Durch Mailberg? Durch einen Orden? Nein. In Wahrheit werden wir unter einander verbunden durch das eine Wort und den einen Leib: durch das Wort Gottes und den Leib Christi. Durch die Lesung und die Eucharistie werden wir alle ein Geist und ein Leib (Kommunion). Damit ist die Gottesdienst-Gemeinde tiefer verbunden als jede andere Versammlung auf der Welt. Sie ist verbunden durch Gott. Bewirkt wird das durch den Hl. Geist: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Hl. Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus“ (III. Hochgebet).

Das aber geschieht durch die ganze Geschichte hindurch. Heute und vor 2500 Jahren. „Vom frühen Morgen bis zum Mittag las Esra den Männern und Frauen vor… Alle Leute weinten, als sie die Worte der Weisung hörten.“ Das Buch Nehemia erzählt vom Neubeginn nach dem babylonischen Exil. Was das Volk früher zusammengehalten hatte, war weg: kein Tempel mehr, kein König mehr, kein eigenes Land mehr. Aber das Volk – das Volk Gottes! – versteht sich neu. Es wird das Volk des Buches.

Unser Text erzählt von der ersten öffentlichen Lesung der Heiligen Schrift. Dabei ist gar nicht so sehr der Inhalt entscheidend. Viel wichtiger ist, dass gelesen wird, öffentlich, gemeinsam und so Gott zu hören ist.

So damals. Und wir? Wir haben heute in den modernen Medien so viele Worte, unklare, unnütze, flüchtige, widersprüchliche, verlogene. Wir haben die Achtung vor dem Wort beinahe ganz verloren. Aber wie wäre das: ein Wort, das es auf den Punkt bringt? Das eindeutig wahr ist? Das uns gut tut? Das Volk damals war zerstreut worden, es war verwirrt, ohne Rat und Orientierung, ohne Trost – und fand das richtige Wort wieder. Worte können eine Heimat sein, das wissen Sie doch. Deshalb können diese Frauen und Männer gar nicht genug bekommen; sie sind so ergriffen, so angerührt von diesem einen Wort, dem Wort Gottes, dass ihnen die Tränen übers Gesicht laufen und sie stundenlang zuhören können.

Und noch einmal werden Menschen von einem Wort gepackt: „In jener Zeit kehrte Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück.“ Und dann geht er in die Synagoge; er liest aus der Schrift vor, und alle sind tief betroffen.

Geht das bei uns auch, diese Ergriffenheit, Ehrfurcht, Liebe zu dem Wort in der Kirche? Ja, wenn uns klar ist, dass es Sein Wort ist. In der „Einführung in das Messbuch“ (warum kennt die niemand, sogar die nicht, die in den Pfarren die Liturgie „gestalten“?), in dieser Einführung heißt es: „Wann immer in der Kirche die Heilige Schrift gelesen wird, spricht Gott selbst zu seinem Volk.“

Wie die Christen in Korinth, von denen die zweite Lesung heute spricht, suchen wir auch heute den richtigen Weg im Zusammenleben, den richtigen Weg in eine gute Zukunft. Vielleicht ist das dabei die erste, wichtigste Frage: Auf wen wollen wir hören?

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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