Fest des hl. Franz von Sales, 24. Jänner 2022
Fest des hl. Franz von Sales, 24. Jänner 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Haben Sie eine Ahnung vom Schrecken der Predigt? Ich sage mit Bedacht „Schrecken“, denn, sehen Sie, jedes Fest, jede Predigt, jedes Gebet ist eine Begegnung. An den Begegnungen aber scheitern wir. Wir werden dem anderen nicht gerecht. Ich muss nicht nur Ihnen begegnen; was schon schlimm genug ist. Nicht, weil ich Sie nicht mögen würde, sondern weil ich weiß, was ein Mensch in der Seele eines anderen Menschen anrichten kann. Ich muss also nicht nur Ihnen begegnen, sondern auch einem Heiligen. Heute Franz von Sales. Er ist nicht nur einer der großen Heiligen der katholischen Kirche. Er wird in gleich zwei Orden besonders gefeiert: bei den Salesianern, unseren Nachbarn drüben in der Anna-Gasse und bei den Visitandinnen am Rennweg. Wir begegnen in ihm auch einem der ganz Großen der französischen Literatur und einem der Größten des 17. Jahrhunderts, jener Epoche, die Frankreich und von dort aus Europa mit Heiligkeit, Eifer und Geist geradezu überflutet hat. Die Schriften des hl. Franz von Sales haben Weltrang; seine „Einführung in das geistliche Leben“ wird noch heute jeder Christ mit Gewinn lesen. Zu seinen Büchern treten seine Briefe. Allein 424 Briefe an die hl. Johanna Franziska von Chantal sind auf uns gekommen. Müsste ich also nicht, um auch nur einigermaßen richtig zu predigen, seine Werke kennen, sein Leben, ihn selbst verstanden haben? Sie werden verstehen, dass das unmöglich ist. Peinlich unmöglich. Was kann ich tun? Ich könnte schwafeln, frommes Zeug. Wir wissen alle, dass diese Lösung ergriffen wird. Oder ich kann mich bescheiden, nur das haben, was ich eben habe und versuchen, damit zu predigen – zu Ihrem Gewinn. Was habe ich? Das, was ein jeder hat: Erinnerungen, Worte, Vorlieben. Kennengelernt habe ich den Heiligen im Kloster Zangberg, nicht weit von Altötting. Eine Tante war dort Nonne. Dass ich als Schüler lieber nach Zangberg fuhr als per Interrail kiffend und küssend Europa zu durchqueren, war nicht die geringste Sorge meiner Eltern… In Zangberg war oft vom hl. Franz von Sales die Rede; in den Briefen von dort stand immer wieder ein Wort von ihm. Die Nonnen, die ihn als ihren Stifter verehrten, waren Frauen, die mich tief beeindruckt haben. Gute, ernsthafte Ordensfrauen, intelligent, lebensklug und fromm. Ich will nichts schönreden; ungut Menschliches wird es auch dort gegeben haben. Aber ich konnte als Student vor allem eines mitnehmen: eine Abneigung gegen alles Enge, Kleinliche, Spießige; stattdessen frommer Ernst, Geist, Fleiß, Feinheit. Es waren vornehme Frauen. Vornehm, das heißt nicht abgehoben, nicht bemüht „fein“, sondern nüchtern, realistisch, maßvoll, diskret, humorvoll. Und wie waren diese Nonnen so geworden? Indem sie dem hl. Franz von Sales und der hl. Johanna Franziska von Chantal folgten. Der liturgische Kalender schreibt über Franz von Sales (ich paraphrasiere nur wenig): „Nun widmete er sich unter größten Opfern und Gefahren der Rekatholisierung“ des fast ganz dem Calvinismus anheimgefallenen Landes am Genfer See. 1602 wurde er Bischof von Genf. In ihm erwuchs der düsteren, puritanischen Strenge Calvins „ein Bezwinger von zartfühlender Menschlichkeit, von humanistischem Zuschnitt und durchformtem Adel des Geistes und des Charakters.“ Ein Mann also, der den Härten des Lebens und der Glaubenskämpfe begegnet, unverzärtelt, nicht kindisch-läppisch, nicht fanatisch-eifernd, sondern menschlich-adlig in Geist und Charakter. Weiter heißt es über ihn: „Das Urvertrauen zu Gott als Liebe und die restlose (!) Erwiderung dieser Liebe war der Angelpunkt“ seiner Seelsorge. „Als meisterhafter Kenner des menschlichen Herzens“ drang er auf die Einbeziehung unserer Affekte in das Glaubensleben. Er war überzeugt davon, dass wir tiefe Religiosität und persönlicher Heiligkeit zusammenbringen können mit weltlicher Aktivität und Kultur. Klingt Ihnen das zu abstrakt? Dann mache ich Sie aufmerksam auf ein Detail. Die Details sind wichtig; sie sagen beinahe alles. Die Heimsuchungsschwestern setzten, damals zumindest, über ihre Briefe die beiden Buchstaben „V“ und „J“, gefolgt von einem Rufzeichen. Das stand für: „Vive Jésus!“ – „Es lebe Jesus!“ Dieser Herzensruf ist also der Anfang all dessen, was dann kommt. „Frohe Gottesliebe“, hat einmal einer über den Glauben des hl. Franz gesagt. Da haben Sie alles. Vive Jésus! Setzen Sie es nur in den rechten Zusammenhang! Heute wird Franz von Sales gerne reduziert auf Milde. Milde, Verständnis, Güte, Menschlichkeit… wie schön! Sie sollten aber wissen und es an seinem Fest zur Kenntnis nehmen: Er hat dem calvinistischen Irrglauben nicht einfach milde das Feld überlassen. Er hat die Sünde der Menschen nicht einfach gütig-resigniert zur Kenntnis genommen. Die Christen damals waren Kämpfer durch und durch. Ihre Gegner waren der Irrtum und die Sünde. Sie kämpften um das Reich Gottes in den Seelen. Beim hl. Franz von Sales war das kein grausamer, sondern ein liebevoller Kampf. Ich bin überzeugt, dass das geht. Irgendein Brief des Heiligen, zufällig aufgeschlagen. Am 3. Mai 1604 schreibt er an „Madame la Baronne de Chantal“: „Unser Gott befiehlt uns, vollkommen zu sein.“ – Sie erinnern sich: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“, Wort des Herrn (Mt 5,48). Was soll aus uns werden, wenn wir dieses Wort von vornherein für uns abtun? Dann fragt der Heilige: „Aber in was besteht die Vollkommenheit?“ Antwort: In der Liebe. Sehr einfach. In der Liebe, die die Nächstenliebe und die Gottesliebe umfasst. Und wodurch wird diese Liebe bewirkt? Durch das Gebet. Durch das demütige, inständige, fortwährende Gebet um die vollkommene Liebe; durch die Sakramente und durch die guten Werke. Das ist der Weg des hl. Franz von Sales: Abneigung gegen allen Zwang und Vertrauen in die Liebe. Dieser Weg ist nicht leichter. Er ist schöner. Vornehmer. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören