Erster Adventsonntag, 28. November 2021
Erster Adventsonntag, 28. November 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Verwirrung oder Sünde, was ist schlimmer? „Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“ Es heißt, dieses Gebet sei unter Papst Leo dem Großen in die Messe eingefügt worden. Vor 1500 Jahren also, in den Wirren der Völkerwanderung, als eine alte Welt zusammenbrach und Rom erobert und geplündert wurde. Eine Zeit, die um einiges schlimmer gewesen sein dürfte als die heutige, wo wir in einer Diktatur leben. Das haben mir in den letzten Wochen verschiedene Leute gesagt. Sogar ein Pfarrer. Der will jetzt sein Geld von der Bank holen wegen der Diktatur. Ein albanischer Sport-Lehrer sagte mir: Zwischen der kommunistischen Diktatur in Albanien damals und Österreich heute ist kein Unterschied. Spontan würde ich gerne meinen Kopf auf die Tischplatte schlagen, wenn ich so etwas höre. Aber ich fasse mich und überlege: Diktatur, was ist das eigentlich? In einer Diktatur darf man nicht sagen, was man denkt. Nicht auf der Straße, nicht in der Zeitung, nicht im Internet, nicht einmal im eigenen Wohnzimmer. Diktaturen schalten den Zugang zum Internet gerne ab, und wer demonstriert, kommt ins Gefängnis. In einer Diktatur darf man keine Partei gründen. Nicht vor Gericht ziehen. Da gibt es keine Justiz mehr, die von der Regierung unabhängig ist. Ist in Österreich nicht gerade erst ein Kanzler gestürzt, weil ihm die unabhängige Justiz auf den Pelz rückte? In Österreich können sie demonstrieren, reden, schreien, vor Gericht ziehen, Regierungen abwählen und neue, bessere Parteien gründen. Sie müssen bloß Steuern zahlen, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn beachten und die körperliche Gewalt der Polizei überlassen. Das ist ja eine der Errungenschaften der Neuzeit: dass nicht mehr jeder gegen jeden die Waffe ziehen darf, sondern der Staat das Gewalt-Monopol hat. Wenn Sie Steuern hinterziehen, kommen Sie mit Gewalt ins Gefängnis. Das ist aber nicht Diktatur, sondern Gesetz. Sie dürfen also dem jungen Tankwart, der ihnen sagt: „Hier müssen Sie Maske tragen“, keine Kugel in den Kopf schießen. Wurden schon Impfgegner erschossen? Querdenker? Juden, Moslems, Homosexuelle, Pflegerinnen im Spital, Frauen, die Männer abweisen, sind derzeit in größerer Gefahr. Was genau ist eine Diktatur? Verwirrung geht weg, wenn man Fragen stellt und klärt. Verwirrung geht auch weg, wenn man lernt, wie Denken geht. Dass ein Pfarrer, der immerhin Philosophie studiert haben muss, nicht denken kann: Himmel noch eins! Vielleicht sollten Sie nicht um Pfarrer beten, die nett sind und ein paar Vierterl mit Ihnen trinken, sondern um Pfarrer, die denken können. Die wüssten nämlich, wie man zum richtigen Urteil kommt. „Der hat mir von einem erzählt, der vom wem gehört hat, dass…“ – „Einem Freund von meinem Cousin sind nach der Impfung die Hoden geschwollen…!“ Damit ging eine amerikanische Sängerin ins Internet. Wollen Sie sich so ein Urteil bilden? Durchs Hörensagen, Klatsch, Geschichten? Gerede ist kein Beweis. Gerede kann beunruhigend sein, aber es taugt nicht als Argument. Wenn Sie jetzt skeptisch sind, denken Sie an Ihre Lieben. Anekdoten erklären nicht Ihren Mann und nicht Ihre Frau. Ihr Mann ist doch mehr als das, was über ihn erzählt wird. Tratsch und Anekdoten sind unterhaltsam, aber das Wissen kommt woanders her: aus dem Überblick, aus der Distanz, aus der Einheit von Logik und Intuition, Verstand und Gefühl. Mit Gefühl allein fährt sich kein Traktor, Gefühl allein ist Steinzeit. Also lassen Sie Tratsch und Geschichten im Wirtshaus und bemühen Sie sich um klares Denken. Klarheit statt Verwirrung. Christen sollten nicht nur die liebevollsten im Dorf sein, sondern auch die nüchternsten und ruhigsten. Und das soll jetzt eine Predigt zum Ersten Advent sein? Ja. Im Evangelium steht: „Es werden Zeichen erscheinen, und auf der Erde werden die Völker voll Angst und Bestürzung sein.“ Passt, oder? Aber das ist nicht alles! Christen hören nämlich nicht nur, was sie gerade hören wollen, sondern das ganze Evangelium. Das aber bleibt nicht bei der Angst stehen, nicht bei der Verwirrung, sondern geht weiter. Das Evangelium geht zur Hoffnung. Zu Christus. Ist Christus Ihre Hoffnung? – Wie kommt es, dass in allem, was mir jetzt fromme Katholiken über die Welt erzählen, Christus gar nicht vorkommt, mit keinem Wort? Nur noch Verschwörung, Diktatur, Flucht, Geheimnisse. Ich war immer der Meinung, Christen hätten der Welt mehr zu bieten. Der Advent sei die Zeit des Wartens, heißt es. Stimmt. Menschen warten auf Erlösung. Alle. Nur was genau Erlösung ist, das ist umstritten. Advent sei die Zeit des Wachens. Stimmt auch. So steht es in der Schrift: „Seid wachsam!“ –„Nehmt euch in Acht, dass die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren.“ [W] Damit ist klar, dass der Advent auch die Zeit der Klarheit ist. Ich versichere Sie: Klarheit tut nicht weh. Sie ist manchmal wie eine kühle Kirche in der Früh oder eine kalte Dusche nach dem Sport: nin bisschen Schreck, aber dann gut! Vielleicht können Sie das Ihrer Umgebung schenken: Ruhe und Klarheit. Wir können die anderen nicht überzeugen, schon gar nicht mit Argumenten. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe gute Argumente für den Glauben, aber wegen meiner Argumente ist hier noch keiner katholisch geworden. Was wir aber können: Dampf rausnehmen, klären, Fragen stellen. „Was genau ist eine Diktatur? Wie bildet man sich ein Urteil? Wirklich nur durch Surfen im Internet? Von was möchtest Du erlöst werden? Wovor hast Du Angst? Wer ist Christus für dich?“ Mitten in der Verwirrung gibt es Orientierung und Ermutigung. „Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde!“ Könnte es nicht sein, dass Verwirrung mehr ist als Zerstreutheit und Sünde mehr als die Tafel Schokolade zu viel? Dass ich selbst ein Sünder bin und nicht immer nur die anderen? Der Advent gibt uns einen einzigen, einfachen Auftrag: wachsam sein und beten. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören