29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 17. Oktober 2021
29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 17. Oktober 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Mitte dreißig. Schnittige Anzüge, dunkelblau. Das weiße Hemd offen. Wissen, welchen Gin man heute bestellt. Meistens eine blonde Frau. Die ist niemals rundlich, sondern geht ins Fitness und isst Salat: Junge Männer, die Erfolg haben wollen und nach Erfolg riechen und für Erfolg alles tun. Erfolg heißt hier: Macht. Und Geld natürlich. Wer auf solche Männer reinfällt, hat vom Leben noch nicht viel verstanden. Wer meint: Die werden ’s endlich reißen, die werden alles gut machen, die werden alles anders machen, wer das meint, ist ein Gänseblümchen. Seit acht Tagen ist endgültig klar, dass es auch diese Erfolgstypen nicht bringen. Wie auch? Was sollen Studienabbrecher, die schon als Teenager an nichts anderes als ihre Karriere denken – also nicht an ihr Land, nicht an das allgemeine Wohl, nicht an die Armen, nicht an die Kultur, nicht an die Umwelt, nur an sich selbst und die Macht, was sollen solche Leute bringen? Ich bin meinen Eltern so dankbar, dass sie mir beigebracht haben, Aufschneidern zu misstrauen. Das kann man lernen. Schärfen Sie Ihren Blick. Oder lesen Sie die Bibel. Da steht heute: „Ihr wisst, dass die Mächtigen ihre Macht missbrauchen.“ Wissen Sie das wirklich? Rechtzeitig? Macht wird missbraucht. Das war so bei den Juden und bei den Römern, beim Adel und das ist wieder so bei diesen jungen Politikern. Schon nach den beiden letzten großen Kriegen war klar: Alle Gruppen haben versagt. Militärs, Künstler, also Dirigenten, Maler, Schriftsteller, die Wissenschaftler, die Justiz, die Wirtschaft, die Kommunisten, Sozialisten, Konservativen, alle Gruppen. Keine kann sagen: Wir sind unschuldig. Und der Klerus? Was ist mit dem Klerus? Wenn es noch irgendeinen Zweifel gab, die letzten Jahre haben es klar gemacht: Der Klerus ist genauso übel. Ja, aber das einfache Volk! Hören Sie mir auf mit dem einfachen Volk. Es waren nicht „die Graferln“, wie Sie hier in Mailberg sagen, die auf die Idee kamen, die Juden das Trottoir mit dem Zahnbürstel putzen zu lassen. Das war das einfache Volk. Fazit: Misstrauen Sie allen Gruppen. Nutzen Sie sie, seien Sie freundlich und klug, aber mit Abstand. Misstrauen Sie allem, was Bestand hat und Bestand behalten will. Misstrauen Sie allem, was Macht hat und noch mehr denen, die unbedingt Macht bekommen wollen. Spätestens jetzt wissen wir: Sich als die die neue christlich-soziale Elite zu verkaufen, bedeutet gar nichts. Nichts als Marketing. Also lernen Sie, allein zu sein. Frei. Stolz. Verantwortlich. Kritisch. Und lehren Sie das Ihre Kinder. Die Lesung spricht heute vom „Gerechten“. Die Bibel tut das immer wieder. Der Gerechte ist in der Bibel ganz oft ein Einzelner. Einer allein für sich. Ein freier Mensch. Aber kein Egoist. Einfach einer, der sieht was abgeht und auf Gott schaut. Einer der weiß, wie die Menschen sind und wie das Leben geht und auf Gott blickt. Einer, der durchhält, auch wenn das Leben schwer wird. „Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis.“ Solche Menschen treffen Sie in der Bibel, nicht im Chat. Im Evangelium stehen sich zwei gegenüber: Der Weg Jesu und die Wünsche der Jünger. Die Jünger waren damals noch wie Kurz, Blümel und Schmid. Die Jünger wollten etwas werden. Aufsteigen. Jesus will diesen Männern zeigen, dass das Vertrauen auf Gott entscheidend ist. Und dass das Leiden einen Sinn hat. Aber er dringt nicht durch zu ihnen. Erst viel später werden sie kapieren, dass das Leiden rettet, dass ausgerechnet das Leiden Erlösung bewirkt, und dass es nicht um Prestige und Vorteile geht. Weder hier noch im Himmel. Und die Macht heute? Der Papst hat gerade die ganze Kirche jetzt auf einen „synodalen Weg“ geschickt. D. h. der Papst verlangt, dass sich alle respektvoll begegnen sollen; dass sie einander zuhören und miteinander reden sollen. Nicht im Chat, sondern aufrecht, Aug‘ in Aug. Er verlangt, dass die Katholik*innen auf Nöte reagieren und dabei das eigene Ego hintanstellen. Der Papst zeigt der Welt einen anderen Weg als die Männer in den blauen Anzügen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören