Fest des hl. Lukas, 18. Oktober 2021
Fest des hl. Lukas, 18. Oktober 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Was will der, der predigt? Eindruck schinden? Anderer Leute Leben aufmischen? Geht es in der Predigt um versteckte Machtausübung und Eitelkeit? Was will der, der ein Evangelium aufschreibt? Streitfragen behandeln? Eine bestimmte Partei durchsetzen? Einfach erzählen? Es kann so schön sein, wenn einer gut erzählt! Oder will er Zeugnis geben? Was will der Evangelist? Soll er durch seine Erzählung viele Menschen zu einer Gemeinschaft verbinden? Das tut das Evangelium ja. Jeder hört es auf verschiedene Weise, und es gibt Moden auch im Hören. Der Jesus, der den Menschen von heute begegnet, ist ein anderer als der, der unseren Großeltern vor Augen stand. Trotz alledem hält das Evangelium des heiligen Lukas eine große Gemeinschaft zusammen. In dieser Gemeinschaft kann diskutiert werden darüber, wie dieses und jenes wohl zu verstehen sei, aber die Gemeinschaft wird nie zu dem Punkt kommen, wo sie öffentlich, hartnäckig und einmütig sagt: Dieses Evangelium interessiert uns nicht, weg damit. Das Evangelium macht die Kirche. Wissen das alle? Schätzen das alle? Neulich, auf einem Treffen des neuen Pfarrverbandes, zu dem auch die Ordenspfarre Mailberg gehören wird, ging es um die Kirche und um das, was sie den Leuten geben soll. Eindeutige Antwort der ca. 30 Frauen und Männer aus den Pfarrgemeinderäten: Geborgenheit. Sie verbanden Kirche vor allem mit Geborgenheit. – Was, wenn man diese Katholik*innen vor die Wahl stellen würde: Evangelium oder Geborgenheit? Was würden sie eher opfern? Und Sie, was ist Ihnen wichtiger? Geborgenheit oder Evangelium? Ich verstehe sehr gut, dass die Menschen heute Geborgenheit suchen. Die Schubert-Messe gibt Geborgenheit, ein freundlicher Pfarrer, eine Gemeinde, in der man sich kennt, oder eine verlässliche Lehre und Disziplin. Ich verstehe es, aber ich misstraue der Sehnsucht nach Geborgenheit. Denn Geborgenheit kann auch bedeuten: Geschlossenheit, Stallgeruch, Uniformität, Enge. Soll die Kirche so sein? Ich würde ja gerne sagen, dass auch die Heiligen uns Geborgenheit schenken, aber, beim besten Willen, das funktioniert heute nicht. Wir feiern den Evangelisten Lukas. Seine Gestalt ist kaum zu fassen. War der Lukas, von dem die Lesung spricht, derselbe Lukas, der das Evangelium aufschrieb? War der, der das Evangelium aufschrieb, wirklich ein Lukas oder ein anderer? Was lief ab zwischen den ersten Christen, diesen Aposteln, Evangelisten usw.? Was hatte der Verfasser des Evangeliums über Jesus gehört? Von wem? Wie wählt er aus, was er aufschreibt? Aber das alles ist letztlich nur interessant für Bibel-Studien. Heute zählt: Es ist Lukas, der von Jesus Kunde bringt. Ohne Lukas wäre die Botschaft irgendwo versickert. Wir feiern also den heiligen Lukas. Wenn wir aber ihn feiern, feiern wir das Evangelium. Das zuerst. Und geraten ins Stolpern. „Die Ernte ist groß…“ – Warum müssen wir um Arbeiter für die Ernte bitten? Hat der Herr der Ernte nicht sowieso ein Interesse am schnellen Einbringen der ganzen Ernte? Kennt er sich nicht aus? Ist er nicht informiert? „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ Ein seltsamer Auftrag. Was bezweckt Jesus damit? „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ – Sie wissen doch, was das bedeutet? Wenn nicht, fragen Sie einen Jäger, der sich mit Wölfen auskennt. Warum um alles in der Welt sollten wir so gehen, freiwillig? Warum sollen wir einen Auftrag annehmen, den wir nur mit sehr viel Glück überleben werden? „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche…“ und alle die anderen Vorschriften. Sie alle bedeuten: Ihr habt nur den Augenblick, keine Sesshaftigkeit, keine Heimat, keine Absicherung. Geht Ihnen auf, welche Art von Menschen da gesucht werden? Eben nicht solche, die vor allem Geborgenheit brauchen, sondern Menschen, die bitten können. Die Bitte selbst ist das Wesentliche, nicht der Inhalt der Bitte. Es werden Menschen gesucht, die Unsicherheit aushalten. Die von einem Augenblick zum nächsten gehen können, ohne immer eine Kontinuität herstellen zu müssen. Menschen, die alle gemeinsam einen Herrn haben. Der aber ist nicht immer bei ihnen. „Und er sandte sie zu zweit voraus…“ Jesus geht nicht mit. Schon im Evangelium erscheint jene Einsamkeit, die in der Lesung vollends deutlich wird: „Nur Lukas ist noch bei mir.“ – „Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen.“ Da ist nicht viel Geborgenheit, oder? „Aber der Herr stand mir zur Seite.“ Geborgenheit beim unsichtbaren Herrn; das muss genügen. Sie haben die Idee, der Glaube, das sei irgendwie ein sanfter Übergang, eine ruhige Entscheidung. Sie meinen, der Glaube füge sich gut in diese Welt. Aber am Fest des hl. Lukas keimt die Idee: Das Evangelium ist eher etwas, das ins Leben einbricht. Ins geschlossene Leben, das schon kurz vor dem Ersticken ist. Sie verstehen, was ich meine, wenn Sie an jenen Moment denken, wo Sie, jenseits von Erziehung und Tradition gemerkt haben: Es stimmt! Es ist wahr! Es ist meines. Mein Leben und mein Evangelium. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören