28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 10. Oktober 2021
28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 10. Oktober 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Er hat alle Gebote gehalten. Von Jugend auf. Und ein netter Kerl ist er auch noch. Was also ist das Problem?! Das Problem in der ganzen Geschichte ist ja wohl nicht der (junge) Mann, sondern Jesus. Jesus ist das Problem. Jeder, der damals dabei war, wird es so empfunden haben. Woher also nehmen Sie Ihren Gleichmut? Warum bringt Sie dieses Evangelium nicht aus der Fassung? Weil man nicht die Fassung verliert? Weil Sie Langweiler geworden sind? Kalt? Weil die Sünde Sie abgestumpft hat (denn das tut die Sünde)? Weil dieser Jesus Sie eigentlich, wenn Sie ehrlich sind, einen feuchten Kehricht interessiert? Wissen Sie, dass genau dieses Evangelium ganze Leben über den Haufen geworfen hat? „Was nennst du mich gut!?“ Erste Dusche. Der junge Mann hat doch nur gefragt! „Geh! Verkauf alles!“ Zweite kalte Dusche. Wie soll das gehen, alles verkaufen, woran man hängt? Alles, was einen an gute Zeiten erinnert, alles, was einem ein wenig Geborgenheit gibt? Was bliebe dem reichen Mann, wenn er alles weggäbe? Was bliebe ihm? Überlegen Sie selbst … Nur das Leben mit Jesus. Und den mehr oder minder schrecklichen Leuten, die mit Jesus herumziehen. Inzwischen sind auch die Jünger involviert. Sie können ja gar nicht überhören, was da geredet wird. – „Leichter geht ein Kamel durch Nadelöhr als ein Reicher ins Reich Gottes.“ M. a. W. gar nicht. Wer reich ist, kommt nicht in den Himmel. Und zu behaupten, nur Bill Gates sei reich und alle anderen nur so mittel, rettet es nicht. Verglichen mit einer Familie in einem schlechten Viertel von Kalkutta sind alle hier reich. Welchen Maßstab fürs Reichsein wird Gott anlegen, an jenem Tag? Können wir sicher sein, dass es hier nur um Geld und Grundstücke geht? Es gibt auch den Reichtum an Wissen, Kultur, Verbindungen… „Gib alles her, was du hast!“ Gibt es einen Markt für die einfachen, blöden, kleinen Vorlieben, an denen wir so sehr hängen? Am Ende des Tages ist der junge Mann „betrübt“. Und die Jünger (die Jesus doch längst kennen) „gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken“. Kennen Sie das auch? Ich kenne es wohl, dieses Entsetzen über die Worte Jesu. Das einen durchrüttelt und sich doch nicht falsch anfühlt. Wie abweisend Jesus ist, nicht wahr? Jesus ist da alles andere einladend. Der junge Mann muss ein paar Hindernisse überwinden, damit Jesus überhaupt mit ihm spricht. Und dann: „Da sah ihn Jesus an und umarmte ihn…“ Was ist jetzt los? Und dann die nächste kalte Dusche: „… umarmte ihn und sagte: Eines fehlt dir noch.“ Jesus gibt nicht nach. Eher lässt er den Mann, der ihm lieb geworden ist, wieder gehen. Das werden Sie bei Jesus finden: Abweisung und Liebe zugleich. „Wie schwer ist es…!“ In dem Gespräch zwischen dem jungen reichen Mann, Jesus und den Jüngern wird es immer enger. Daran ist Jesus schuld. Aber wird das Leben nicht überhaupt immer enger? Lässt uns Jesus hier nicht einfach das fühlen, was sowieso wahr ist? Mit dem Alter werden die Möglichkeiten immer weniger; das Zimmer wird immer kleiner. Wehe dem, der da keine weite Seele hat. Der Mann weiß jetzt, dass sein Weg enger und enger wird. Die eine Begegnung mit Jesus reicht. Der Mann geht traurig weg. Nicht Jesus hat ihn traurig gemacht, sein eigenes Leben macht ihn traurig. Jesus hat ihm nur gezeigt, was ist. Diese Trauer ist die Grundbefindlichkeit meines Christenlebens. Es ist die Trauer der verpassten Chancen, der verlorenen Lieben, der geplagten Welt, des bangen Wartens auf den Himmel. Es geht nicht zwischen Jesus und diesem ernsthaften jungen Menschen. Der ein ordentlicher Mann ist. Reicht das, ordentlich zu sein? Kann, wer ordentlich ist, der Arme verschränken und rufen: No a Vierterl? Oder sollte der, der ordentlich ist, nicht ab und an in Tränen ausbrechen, weil er so ein ordentlicher Idiot ist? Wir kommen hier an die Stelle, wo sich das Leben grundsätzlich entscheidet. Entweder man wird einer, der hofft, mit möglichst wenig durchzukommen. Oder einer, der merkt, was fehlt. Der spürt, dass das, was fehlt, genau das Entscheidende ist. Warum soll man sich das antun, diese Begegnung mit Christus, diese Fragen und Erkenntnisse? Was bekommt man dafür? – „Jeder, der Haus, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird das Hundertfache dafür empfangen.“ Bei der PGR-Klausur des Pfarrverbandes sollte jeder sagen, in welchen Momenten er stolz auf die Kirche war. Fast alle sprachen von der Geborgenheit, die sie in der Kirche finden. Mir hat das sehr zu denken gegeben. Finden wir bei diesem Jesus Geborgenheit? Oder doch eher in der KJ oder der KFB? Die erste Antwort ist sicher: Nein, bei diesem Jesus fühlt sich keiner geborgen. Aber dann überlege ich und erkenne: Doch, ich finde Geborgenheit bei ihm. Aber anders. Dieser Typ trickst nicht. Und, auch wichtig, dieser Typ schläfert dich nicht ein. Er tröstet dich, wenn es Zeit ist. Er jagt dich, wenn du satt bist. Er kennt dich. Ist das nicht toll, jemanden zu finden, der einen wirklich kennt? Er gibt dir die richtigen Maßstäbe. So erkenne ich den wahren Reichtum und den falschen Reichtum. Solange die meisten jungen Leute der Welt von Berühmtheit, einer guten Figur und einem großen Auto träumen (und eben nicht von der Rettung der Umwelt), ist das wohl nötig, die richtigen Maßstäbe. Und Jesus Christus lenkt mich immer wieder auf Gott hin. Gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass am Ende nur das bleiben wird: Gott. Für den alles möglich ist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. 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