Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest des hl. Franz von Assisi, 4. Oktober 2021

04/10/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Danach kam ich in eine Stadt, die Perugia genannt wird, wo ich den toten, aber noch nicht begrabenen Papst Innozenz fand. Ihn hatten nachts Leute seiner kostbaren Gewänder beraubt, mit denen er begraben werden sollte. Seinen Leichnam aber hatten sie fast nackt und schon nach Verwesung riechend in der Kirche zurückgelassen.“ So endet der wohl größte Papst des Mittelalters.

Ein paar Jahre zuvor hatte er auf seinem Thron gesessen, auf dem Stuhl Petri und vor ihm waren ein paar zerlumpte junge Männer gestanden, schüchtern und fröhlich und sicher zugleich. Ihr Anführer war ein gewisser Francesco. Dieser stammte aus Assisi, einer Stadt im schönsten, heitersten Italien. Er war einmal der hübsche, verwöhnte Sohn reicher Eltern gewesen. Dann hatte er sich für Christus begeistert, für die Buße und die Armut, andere hatten sich ihm angeschlossen und nun standen sie zu zwölft vor dem Papst und baten ihn, ihr Leben gutzuheißen. Sie baten um den Segen der Kirche. Der Nachfolger des Apostels, der selbst damals Jesus nachgefolgt war, sollte nun vor aller Welt sagen: Was ihr tut, – gemeinsam leben, arm, die Menschen ermahnen, Gott zu lieben, Christus zu folgen und Buße zu tun –, das ist es, was die Kirche braucht.

Im Jahr 1209 baten längst nicht mehr alle um den Segen der Kirche. Es gab viele Bewegungen, die sich auf das Evangelium beriefen, aber gegen die Kirche antraten. Männer und Frauen, die nur ihrer eigenen Logik vertrauten. Und darüber schließlich in Lieblosigkeit endeten. Es war damals keineswegs sicher, dass der Papst diese neue, erstaunliche, auch umstrittene Gruppe segnen würde.

Innozenz III. war noch vom heiligen Papst Gregor VII. zum Subdiakon geweiht worden. Das war jener Nachfolger Petri, der den Kaiser vor der Burg in Canossa im Schnee stehen und warten ließ. Der junge Lotario di Segni war einer der besten Juristen seiner Zeit. Mit 37 wurde er zum Papst gewählt und gab sich den Namen Innozenz. Er vermehrte den Kirchenstaat, also den Reichtum und weltlichen Besitz der Kirche. Er war es, der den Königen von Aragon, von Portugal, von Sizilien, von Bulgarien und sogar von England ihre Kronen gab; der König in Deutschland konnte nicht Kaiser werden ohne oder gegen diesen Papst. Innozenz III. förderte die Kreuzzüge und verfolgte die Häretiker, deren es damals viele gab, an allen Enden Europas. Das erste Kriegsmittel, das er gegen sie einsetzte war das gute Beispiel und die Predigt. Seine Waffen waren der hl. Franz und der hl. Dominikus.

Der mächtigste Papst der Kirchengeschichte gibt den radikal armen Brüdern seinen Segen und erlaubt ihnen, Nachfolge und Buße zu predigen. Dieser Papst ermuntert Werke, die gar nichts anderes sein konnten als eine Kritik an der bestehenden Kirche. Der Papst segnet den Gehorsam und die Revolution.

Dem heiligen Franz fliegen die Herzen zu, heute wie damals. Eine der populärsten, beliebtesten Gestalten der Weltgeschichte. Auch Menschen, die keine Christen sind, achten ihn hoch, diesen seltsamen, erstaunlichen armen Mann, der die Schöpfung liebt, den Fischen und den Vögeln predigt und dem einfachen Volk; der kein Theologe war und kein Priester. Um so besser! Heute drängt alles dahin, ihn von der verhassten katholischen Kirche möglichst zu lösen. – Ist halt nicht so einfach. Denn natürlich war er Christ und Katholik (was damals schon nicht mehr dasselbe war). Er war Büßer. Er war Mönch, nicht im klassischen Sinn, aber eben doch einer, der nicht in den braven Bürgerhäusern lebt. Und er war einer der am Kreuz hing und schließlich selbst die Wundmale Jesu trug. Er war so viel, was heute gar nicht geht.

Heute kann die Begegnung von Innozenz III. und Franz nur irritieren. Warum geht der Heilige Rom? Genierte Ratlosigkeit. Warum bestätigt ihn der Papst? Das ist schon einfacher: Kalkül. Politik. Ein geschickter Schachzug des Machtapparates: die Kritik integrieren, von ihrer Energie profitieren und sie gleichzeitig neutralisieren.

Sie können ähnliche Gedankengänge in jeder TV-Geschichtssendung finden. Die mittelalterlichen Kathedralen? Wurden gebaut, weil ein Bischof den anderen übertrumpfen wollte. Ritterorden? Gab es, um den Nachwuchs zu versorgen. Waren Wirtschaftsunternehmen. Frauenklöster: Orte der Frauenemanzipation. Alles hat nur einen Grund. Monokausalität. Die Redakteur*innen und ihr gläubiges Publikum sind Menschen, die sich einfach nicht vorstellen können – sie haben zu wenig Fantasie, zu wenig Geist, zu wenig Respekt –, dass es ein Motiv wie den Glauben auch geben könnte. Man kann die mittelalterliche Kathedrale natürlich wirtschaftlich betrachten, soziologisch, kunstgeschichtlich…, aber man sollte es doch wenigstens für möglich halten, dass beide, der Papst und der Heilige, gläubige Menschen waren und dass dieser Glaube ihre Entscheidungen bestimmte. Franz ging nach Rom, weil er an Christus und seine Kirche glaubte, und Innozenz segnete die zwölf jungen Männer aus genau dem gleichen Grund: weil auch er an Christus und seine Kirche glaubte. Damals trafen sich um den Stuhl Petri die herrscherliche Kirche und die büßende, gekreuzigte Kirche und beide erkennen sich als Schwestern.

Das Ganze wird zusammengehalten durch den Glauben an den einen Jesus Christus, – der aber eben viele ist: das Kind, der Handwerker, der Prediger, der Wundertäter, der Gekreuzigte, der ins Grab gelegte, der Auferstandene, der Richter, der kommen wird, der Herrscher des Alls. Und da die Kirche die Kirche eben dieses Christus ist, scheint in ihr alles von Christus auf: die Armut und das Herrschen, das Kreuz und der Triumph. Franz von Assisi und der nackte, verlassene Papst: beide sind die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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