Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest des hl. Andreas Kim Taegôn und des hl. Paul Chông Hasang, 20. September 2021

20/09/2021 


Die Predigt zum Anhören

Fest des hl. Andreas Kim Taegôn und des hl. Paul Chông Hasang, 20. September 2021

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was brauchen Sie mehr? Ich frage nicht: Was ist Ihnen lieber? Was braucht Ihre Seele mehr: Bewegung oder Festigkeit? Sehnen Sie sich nach mehr Geschlossenheit oder mehr Offenheit?

Im September 1846 wurde Andreas Kim erst gefoltert, dann enthauptet. Er war 25 Jahre alt. Der erste katholische Priester Koreas.

Korea… 1846… Seien Sie ehrlich: Das ist sehr weit weg für Sie. Sie leben heute. In Europa. Im schönen Österreich. Bewegte Zeiten. Gesellschaft, Staat, Familie… alles im Umbruch. Das Christentum wird nicht immer konzentrierter, immer klarer, nein, es explodiert in alle Richtungen. Überall Gruppen und Kreise, individuelle Frömmigkeiten, Movimenti, Prediger, Heiler, Bruder- und Schwesternschaften (seien sie nun am lateinischen Ritus oder an der Priesterweihe von Frauen interessiert), Naturfrömmigkeiten, neue Gesundheitsreligionen, esoterisches Heilswissen, wiederbelebte gnostische Mythen… Und mitten in diesen ganzen Wirbel: der abgeschlagene Kopf eines jungen Priesters. Da wird es still.

Pardon für das Bild.

Die Märtyrer machen fest, was in Bewegung war; sie machen völlig klar, was eben noch diskutiert wurde. Gegen das Blut verliert jede Debatte.

Andreas Kim Taegôn war einer von mehreren Tausend Christen, die damals in Korea umgebracht wurden. 1984 sprach ihn Johannes Paul II. heilig, zusammen mit 102 weiteren koreanischen Märtyrern. Wenn Sie eine Ahnung haben wollen von dem, was da geschah, lesen Sie sich selbst die Liste der Namen vor, laut, Namen um Namen, 102 Frauen und Männer, alle Märtyrer.

Der hl. Andreas war mit 15 Jahren von einem Priester der Missions étrangères getauft worden. Pater Pierre Maubant hatte ihn dann zum Studium ans Seminar von Macao geschickt. (Der Pater selbst wurde 1839 in Korea enthauptet. Morgen ist sein Festtag.) Während Andreas im Ausland studierte, erlitt sein Vater zu Hause das Martyrium. 1845 wurde Andreas zum Priester geweiht und kehrte heimlich nach Korea zurück mit dem Auftrag, den Christen beizustehen. Schon im nächsten Jahr wurde er verhaftet. Den Rest kennen Sie bereits.

Die Märtyrer sind still. Mitten im Geschrei unserer Welt sprechen sie nur ein einziges Wort. Credo! Ich glaube. Hier haben Sie die Festigkeit, die Ihre Seele braucht. Das Blut ist nicht mehr abzuwaschen (jede Tät*in weiß das). Der Tod ist fest, in dieser Welt das Verlässlichste überhaupt. Man erzählt uns von „bunter Vielfalt“ und gründet noch einen Arbeitskreis, damit das ratternde Kinderkarussell nicht anhält. Bunte Vielfalt der Nationen… Meinen Sie, ein koreanischer Mann stirbt anders als ein Franzose? (Ich sage Franzose, denn Frankreich ist nun einmal reicher an Märtyrern als das milde Österreich.) Es ist immer der gleiche Tod.

Die Festigkeit, die ich brauche, finde ich bei den Männern und Frauen, die im entscheidenden Augenblick genau wussten, was zu tun war. Der Moment, in dem Andreas sich entschied, in seine Heimat zurückzugehen, genau dorthin zu gehen, wo Menschen wie er mit dem Tod bedroht wurden, das war solch ein Moment der Geschlossenheit. Die Festigkeit des schlichten Ja.

*

Ich wage zu behaupten: Wenn Sie an die Märtyrer denken, denken Sie wie alle Leute denken: „Was die ausgehalten haben!“ – „Das könnte ich nicht!“ Sie verstehen das Martyrium als Leistung. Wie Sie die Religion überhaupt als Leistung verstehen, mit den Kategorien von Einsatz, Preis und Gewinn. In diesem Moment sind Sie schon, Pardon, Häretiker. Pelagianer, Leugner der Gnade, Materialisten. Denn was lehrt die Kirche über das Martyrium? Sie finden die Lehre in der Präfation von den Märtyrern. Dort heißt es: „Im Martyrium des heiligen“ – und hier setzen Sie irgendeinen der zahllosen Namen ein – „offenbarst du das Wunder deiner Gnade.“ Das passt haargenau zu dem Wort aus der Lesung: „Gott ist es, der gerecht macht.“ Eines der am häufigsten geleugneten Dogmen. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, worauf wir uns vor Gott berufen könnten. Alles ist Gnade. Alles ist Glaube, nicht Werk. Das aber ist kaum zu ertragen. „Ich habe doch so viel gebetet!“ Übersetzt: „Jetzt habe ich doch wohl ein Recht darauf, erhört zu werden!“ Meine Herkunft, Bildung, Leistungen, guten Werke, festen Glaubensgrundsätze, das alles soll vor Gott nichts sein? Richtig. Wenn es als Verdienst vorgebracht wird. „Denn in der menschlichen Schwachheit bringst du deine göttliche Kraft zu Vollendung.“ Nur so geht es.

Der Märtyrer begegnet also seiner Schwäche, nicht seiner Stärke. Und der Gnade. Und alles wird wieder flüssig. Alles, was wir leisten, sogar das Martyrium ist zweifelhaft, verdächtig, gemischt. Denn man kann den Tod auch suchen. Weil es reicht. Um heroisch zu sein. Um es den anderen zu zeigen. Weil man zynisch ist oder abgestumpft. Wir meinen, das Ertragen der Folter sei eine unbezweifelbare Leistung. Nur für den Zuschauer. Das Herz, aus dem es kommt, ist nicht unbezweifelbar. Das Herz ist ein Abgrund. Der nach dem anderen Abgrund ruft, der Gott heißt. „Abyssus abyssum invocat.“ Steht im 42. Psalm. Und bei Angelus Silesius steht dieser Satz: „Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier: Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.“

Der Märtyrer trifft auf die Unfassbarkeit Gottes. Der Märtyrer behauptet. Nicht sich, sondern Gott. Hier haben Sie die Bewegung, die Ihre Seele braucht. Die Rettung der Kirche lag immer schon in den Einbrüchen des Fremden, in den Angstreflexen, in den Auflösungserscheinungen dessen, was gilt. In den Wunden der Märtyrer.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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