26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 26. September 2021
26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 26. September 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Es gibt Klöster, die wirken wie Wohnheime für Junggesellen (ich kann nur von Männer-Klöstern sprechen. Vielleicht wirken manche Schwesternhäuser wie große, perfekte Organisationen.) Es gibt Dörfer, die sind sauber gefegt und sicher, und es gibt Dörfer, die zusammenhalten und in denen Aufbrüche geschehen. Es gibt Völker, die gar keine Völker mehr sind, sondern nur Menschenansammlungen, wo die vielen sich gegenüberstehen: gleichgültig oder aggressiv (Idar-Oberstein). Es gibt aber auch ein Volk, das eine Wüste durchqueren muss. Da legte Gott seinen Geist auf sie. Ich bin sicher, wenn Sie Junggesellen-Klöster, Organisationsnonnen, stumme Dörfer, kalte Familien finden, merken Sie, dass etwas nicht stimmt. Selbst wenn Sie Ihr Unbehagen nicht in Worte fassen können, ist es da. Sie merken, dass etwas Lebenswichtiges fehlt: der Geist. Der Geist ist nicht beliebt; er ist verdächtig. Obere lieben den Geist nicht, weil sie nicht wissen, wohin sie damit gelangen. Einfache Menschen lieben ihn nicht, weil sie meinen, Geist sei nur etwas für die Gescheiten, ein Trick der Schön-Redner. Aber wenn Sie diese Vorurteile hinter sich werfen und merken, dass der Geist fehlt in einem Dorf, in einer Pfarre, einem Hilfswerk, dann haben Sie eine Chance. Denn dann sind Sie bereit für den Geist. In den drei Lesungen dieses Sonntags treffen Sie auf die drinnen und die draußen; auf die Kleinen und auf die Reichen; auf die Propheten und das Volk; auf die Güter der Erde und den Geist des Himmels. Das ist viel und vielfältig. Das strebt in alle möglichen Richtungen. Das alles schiebt und zerrt und tritt auf der Stelle und verliert an Kraft. Der Geist ist das, was eine Familie, ein Dorf, ein Kloster zusammenhält. Zusammen – und gleichzeitig offen. Ohne den Geist sehen Sie nur eine verhagelte Ernte und schlechte Preise, mit dem Geist die ganze Schöpfung. Ohne den Geist sehen Sie nur eine Struktur-Reform und einen Pfarrverband. Ohne den Geist sehen Sie nur Politiker, aber kein Gemeinwesen. Was Sie da sehen, ist nicht falsch, aber es ist zu wenig. So kann man auf Dauer nicht leben. Ohne den Geist wohnen vier Leute in einem Haus, mit dem Geist ist es eine Familie. „Er“ – Gott – „nahm etwas von dem Geist, der auf Mose ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten“; da „redeten sie prophetisch“. Was heißt das? Nicht ob sie tanzen oder singen oder in fremden Sprachen reden, ist der Punkt, sondern dass sie von sich selbst weggetragen werden, ins Weite, hoch hinauf. Der Geist ist niemals schwer; er ist leicht. Der Geist ist ernst und froh zugleich. „Des Geistes klare Trunkenheit“, heißt es im Hymnus. Mose war überfordert mit der Aufgabe, ein ganzes Volk durch die Wüste zu führen, ein träges, unwilliges, ängstliches, gläubiges Volk. Ein überforderter Führer: Das darf es geben. Die Hilfe, die er braucht, das sind aber nicht ein paar geschickte Organisator*innen, sondern geistbegabte Menschen. Warum schickt uns die Erzdiözese immer wieder Organisatoren, aber keine Propheten? Gibt es keine? Die Vertreter*innen der „Jungen Kirche“ erzählen uns allen Ernstes von Wochenstunden. Aber wir wollen vom Glauben hören! Wir wollen Zeichen sehen. Die Reichen, von denen die zweite Lesung spricht, haben die Zeichen Christi nicht gesehen. Wer aufs Geld setzt, macht der Gemeinschaft mit Christus ein Ende. Hier wird klar: Erntedank ist auch ein Tag des Gerichts. „Sobald der Geist auf ihnen ruhte, redeten sie prophetisch. Danach aber nicht mehr.“ – Das ist es, was viele am Geist beunruhigt: Mal ist er da, mal ist er weg. Wird er wiederkommen? Dann, wenn wir ihn uns wünschen? Nichts ist weniger sicher. Ein Kind sagt etwas, und jeder im Raum weiß: Das kam jetzt nicht von diesem Kind allein. Das kam vom Heiligen Geist, aus dem Mund eines Kindes. Doch das war nur ein Moment. Es kann sein, dass dieser Mensch die nächsten 20 Jahre nur noch Schmarrn reden wird. Achten Sie die Momente! Hüten Sie sie! So wie es nicht 40 große Lieben in einem Leben gibt, so gibt es vielleicht auch nicht viele Momente des Heiligen Geistes. – Sie bekommen alle die Gnade, die Sie brauchen, um in den Himmel zu kommen. Jeder Mensch bekommt die. Aber Sie bekommen vielleicht nur einmal im Leben die Gnade, um der Kirche auf besondere Weise zu dienen. Einmal oder 30mal oder 100mal. „Zwei Männer aber waren im Lager geblieben… Auch über sie kam der Geist.“ Dort, wo es sich nicht schickt. Nicht im Offenbarungszelt. Das war der Ort, wo Mose die Gegenwart Gottes erlebte. Nun aber geschieht der Heilige Geist irgendwo im Lager. Josua ist empört darüber, Mose nicht. Er weiß: Der Geist kann an den unmöglichsten Orten sein. Vielleicht in der Eckkneipe, bei den Glücklosen, und nicht in der stillen Kapelle. Oder wollen Sie den Geist gefangen setzen? Soll der Heilige Geist beim Pfarrer bleiben, aber nicht zu Ihnen kommen? Haben Sie Angst? Der Geist kann auch bei Menschen sein, die anders fromm sind und anders gläubig sind als wir. „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde!“ Die ganze Pfarre, das ganze Kloster. Die Möglichkeit dazu ist längst geschaffen. Sie sind getauft, Sie sind gefirmt. Das ist die Möglichkeit des Geistes. Warum geschieht es dann nicht? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: weil Gott nicht will oder weil der Mensch nicht will. Über Gott weiß ich nichts. Was ich weiß: Menschen können verweigern. Es gibt hundert Strategien der Verweigerung. Abschieben: Geist ist nur für die Besonderen. Nur für die Amtsträger. – Ablenken. Lärm. Ständig Beschäftigung, ständig Leute, ständig Bildschirm. – Abschließen: Man kann das Herz verfetten, versteinern, verhärten, abdichten gegen den Heiligen Geist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
und Erntedank