Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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12. Sonntag im Jahreskreis (B), 19. Juni 2021, Vorabendmesse

19/06/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Fleisch! Als wir Schulbuben waren, war das eine Verheißung. Fleisch, das bedeutete Mädchen, Frauen. Wir waren schwitzige Großmäuler. Als wir das erste Mal auf echte, lebendige Frauen trafen, beim Tanzkurs, verging uns Hören und Sehen. Da waren die Mädchen die Piraten und wir die ängstlichen Lieferanten. – Fleisch. Das bedeutet Unbehagen. Heute sind ja alle guten Menschen Veganier. Fleisch, das ist Massentierhaltung, Antibiotika, zu viel billiges Zeug auf dem Grill.

„Wir kennen niemand mehr dem Fleisch nach“, schreibt Paulus. Wovon zur Hölle redet der Apostel da? Mit „Fleisch“ meint Paulus den Menschen so wie wir ihn vor uns haben. Und das ist das Problem. So wie wir den Menschen vor uns haben, ist er bloß der lästige Nachbar, die blöde Tussi, der Angeber-Türke, das nervige Kind, der beste Freund, die tolle Kollegin, was weiß ich.

Dass wir so nicht weiterkommen, liegt auf der Hand. Wenn wir im anderen nur das sehen, was wir vor Augen haben, wenn wir nur das „Fleisch“ sehen, werden wir ihm nicht gerecht. Wenn wir uns nicht Mühe geben, tiefer zu sehen, blicken wir über den wahren Menschen hinweg. Und erhalten eine ungerechte Welt. Weil der Mensch nämlich immer mehr ist als der Augenschein.

Deswegen gilt natürlich auch umgekehrt: Wenn die anderen in uns nur das sehen, was sie gerade in diesem Moment vor den Augen haben, nur was sie meinen, wissen, gehört haben, dann sehen sie uns nicht wirklich.

Eine Welt aber, in der alle verkannt werden, ist eine verkehrte Welt. – Es liegt ja auf der Hand, dass man den Menschen, den man nur „dem Fleische nach“ kennt, auch nur dem Fleische nach behandelt. Also oberflächlich, ungerecht.

„In guten und in schlechten Tagen“, diese berühmte Formel aus dem Ehe-Versprechen meint ja genau das: Ich will alles sehen – und dich dennoch lieben. Ich will Dich immer sehen, nicht nur jetzt gerade. Und dazu, um alles zu sehen, immer, dazu will ich bei Dir bleiben.

Nicht nur „dem Fleische nach“ zu sehen, das muss man lernen, üben. Wie die Jünger.

Das scheint mir die Zusammenfassung der Jünger-Schule zu sein: immer mehr den wirklichen Jesus entdecken. Bestimmt war vielen der Wundertäter genug. der Wasser in Wein verwandelt, die Menge ernährt, Kranke heilt. Aber Jesus ist mehr. Bestimmt wären viele zufrieden gewesen mit Jesus dem Revolutionär, der die Römer aus dem Land wirft und den Armen hilft. Aber Jesus ist mehr. Auch jetzt wird ’s wohl viele geben, denen es reichen würde zu sagen: Er liegt im Boot und pennt, während die Jünger fast vergehen vor Angst. Wie cool! Und dann rettet er sie doch! Also, Lektion des heutigen Evangeliums: ruhig bleiben wie Jesus. Vertrauen haben. – Reicht das?

„Da ergriff sie große Furcht, und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser?“ – In diesem Moment, mit dieser Frage endet das Kennen dem Fleische nach. Erst die Angst und dann das überwältigende Gefühl, gerettet zu sein, haben diesen Schritt vorbereitet. Jetzt schaffen diese Männer den Sprung vom Fleisch zum Geist. Sie sehen tiefer. Sie ahnen, wer Jesus ist.

Auf der menschlichen Ebene war Jesus ein Jude und ein begnadeter Weisheitslehrer. So hat ihn auch Paulus gesehen. Doch dann kommt der berühmte Moment, wo das Licht und die Stimme vom Himmel Paulus vom Pferd heben – und er versteht. Paulus erkennt mit einem Mal, dass Jesus für alle gestorben ist und wir ihn ihm leben und deswegen „neue Schöpfung“ sind.

Der Auftrag lautet also: sich selbst und die anderen dem Geiste nach kennen. Tiefer. Wahrer. Gerechter. Und noch mehr: Durch die Taufe sind wir hineingenommen in den Geist des Auferstandenen – und kennen ihn deshalb auch besser als nur „dem Fleische“ nach. In der Begegnung mit Jesus erfahren wir das neue Leben. Unsere alten Sichtweisen vergehen. So werden wir neue Schöpfung, je klarer wir hinsehen auf Christus.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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