Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Montag der 1. Woche im Jahreskreis, 11. Jänner 2021 – Die Zeit

11/01/2021 


Die Predigt zum Anhören

Montag der 1. Woche im Jahreskreis, 11. Jänner 2021 – Die Zeit

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Die fette, schwere, schmutzige Gestalt, die sich dir auf die Brust hockt, dass du kaum noch atmen kannst: Das ist die Zeit. Ein Gebirge von Erinnerungen, Tausende Gesichter, zehntausend Momente, alle da, alle gleichzeitig. So ist Zeit.

Oder die Zeit flüstert ihre Drohung, unablässig: Der Sommer ist zu Ende, vielleicht wirst du keinen anderen mehr erleben. Der Christbaum wird heute abgeräumt. Bist du sicher, dass du auch den nächsten noch schmücken wirst?

Und jetzt, seit beinahe einem Jahr nun, ist die Zeit auch ein enges Kammerl ohne Ausgang. Wann werden wir wieder ins Freie können? Keiner weiß es.

So versucht die Zeit, uns zu beherrschen. Aber ist diese Zeit die einzige? Müssen wir das sein: Gefangene der Zeit und ihrer Regeln, ihrer Sorgen? Gefangene der Ängste?

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“ Das erste Wort Jesu. Dieses Wort aus dem Evangelium, diese zentrale Botschaft Jesu ist zur Floskel geworden. 2000 Jahre Christentum haben ihr das Mark aus den Knochen gesogen. Die Kirche wurde zu einer Einrichtung. „Die Zeit ist erfüllt“, das Reich Gottes ist nahe: Das Wort bedeutet nichts mehr für uns. Es ist nur noch Gerede oder Rätsel oder diffuse Ahnung, Stimmung. Hoffnung kann das keiner mehr nennen.

Es ist an der Zeit, das Wort neu mit Sinn zu erfüllen. Und mit Durchschlagskraft: Die Mauern dieser Zeit jetzt sind zu eng. Sie müssen weg. Wir müssen realisieren: Nicht die Zeit überhaupt ist zu Ende, aber sehr wohl diese Zeit hier. Das, was wir jetzt erleben, ist nicht das Einzige, was es gibt.

 

Am Anfang haben die Christen nicht einfach die Zeit übernommen, die ihnen die Welt vorgab. Sie fingen an, die Zeit auf Christus auszurichten. Ihr Gebet setzte jede Tagzeit, den Morgen, den Mittag, den Abend, die Nacht in Beziehung zu Christus. Die Zeit sollte heilig werden. Ein Terminkalender vermag das nicht.

Der Sabbat wurde zum Sonntag, zum Tag des auferstandenen Herrn. – Unser Wochenende mag der Freitag sein oder der Samstag. Der Sonntag aber ist für uns Christen der erste Tag der neuen Woche. Weil er an die Auferstehung erinnert, an die neue Zeit.

Wer mit der Heiligen Schrift und der Liturgie vertraut ist, weiß, dass der Tag, besonders der Festtag, mit dem Vorabend beginnt. Der Christtag beginnt mit dem Heiligen Abend. Der Tag beginnt mit der Nacht. Und lässt sie hinter sich. Das bedeutet doch: Die Erfahrung des Sonnenuntergangs, die Ahnung der Vergänglichkeit ist der Hintergrund für den Jubel des Aufgangs. Die Zeit des Dunkels, der Ängste und Zweifel, der Kälte und des Sterbens geht voraus. Aber aus dem Dunkel wird das Licht geboren. Im Horizont Jesu wird jeder neue Tag zu einem Bild der neuen Schöpfung. Des Ostermorgens.

Gott hat die Zeit in seiner Hand. Auf das scheinbar endlose Dunkel (und jetzt weiß jeder, wie das ist) folgt ganz bestimmt der helle Tag. – Deswegen sind die Altäre unserer Kirchen nach Osten ausgerichtet: Sie blicken unentwegt auf das kommende Licht. Auf Christus.

Jesus selbst hat das Wachen zum Bild der christlichen Existenz überhaupt gemacht. Christen sind die, die wachen. Wachen aber bedeutet Warten. Wer wartet und glaubt, der fängt vom Ende her an. Der hebt den Blick.

Wir beten: „Dein Reich komme“ und wir hören: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Wir beten die Gegenwart des Herrn in der Eucharistie an und wir rufen: „Bis du kommst in Herrlichkeit!“ Immer wieder entkommen wir dem Gefängnis der Jetzt-Zeit. Weil sie nicht alles ist. Die Zeit ist jetzt, aber die Zeit ist auch offen. Offen auf den Herrn hin. Der Lauf und der Sinn der Welt stehen fest. Das Hin und Her unseres Alltags mag uns beschäftigen, manchmal sogar sehr, aber das wirklich Entscheidende ist geschehen: Jesus Christus. Wenn uns bedrängt, was hier geschieht, wissen wir: Nichts kann mir und meiner Ewigkeit noch etwas anhaben. Denn Gott handelt. Lange bevor wir planen und entscheiden, ist ein Plan in Gott. Wir leben in dieser Welt, wir nehmen teil, wir setzen uns ein, aber wir wissen, dass diese Welt ein für alle Mal gewendet ist: hin zu Gott. Durch Christus. Das macht uns frei. Was uns auch zustoßen mag: Die Zeit wird nie das letzte Wort haben.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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