30. Sonntag i. J., 25. Oktober 2020
30. Sonntag i. J., 25. Oktober 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Fragen, antworten, diskutieren. Kopf abschneiden. Für was sind Sie? – Regen Sie sich nicht gleich auf. Erschrecken Sie lieber. Oder denken Sie: doch nicht heute, nicht bei uns? In Deutschland gibt es Typen, die brüllen: Hängt Merkel auf! In Frankreich Frauen, die schreien: Macron aufs Schafott! In Frankreich wird es bis heute gefeiert, dass sie damals ihrem König den Kopf abschlugen. Neun Monate später der Königin. Feiern die auch, dass sie deren kleinen Sohn – einen zehnjährigen Buben – verrotten ließen, in Isolationshaft? Die das verantworteten, waren allesamt Männer. Sehr intelligente Männer, die im Parlament großen Reden hielten, – während der kleine Junge in einem dunklen, eiskalten Kerker lag. Monatelang sprach kein Mensch mit dem Kind. Man schob ihm das Essen bei der Tür durch, das war alles. Die Barbarei ist überall. Auch dort, wo man Mozart hört. In Libyen schneiden sie jungen Christen die Köpfe ab. Und jetzt einem Lehrer, mitten auf der Straße, in einer Kleinstadt bei Paris. Ein 18-jähriger Tschetschene hat das getan. Es gibt Völker, wo Männer vor allem zwei Dinge brauchen: ein fettes Auto und solche Muckis. Frauen sind nicht so wichtig. Fragen, Zuhören, wieder fragen, mit einander reden: Das ist dort etwas für Opfer, nicht für echte Männer. Gewalt löst jedes Problem. Und die Frauen machen mit: Mütter erziehen Söhne, Mädchen gehen mit Typen aus. Tschetschenen leben auch in Wien. Und mitten in dem ganzen Mist stehen zwei Männer beisammen und fragen, überlegen, antworten. Sie reden mit einander. Worum geht es? Um die Frage: Was ist das Wichtigste im Leben? Und: Wie ist die Hl. Schrift zu verstehen? – „Er fragte ihn: ‘Meister, welches Gebot im Gesetz ist das Wichtigste?‘“ Es gibt mehrere heilige Schriften, beinahe so viele, wie es Religionen gibt. Worte, die von Gott kommen. Es gibt den Koran und die Bibel. Beides dicke Bücher, viele Sätze, sehr viele Wörter. Sind alle gleich wichtig? Kann sie jeder verstehen oder nur die Spezialisten? Ist alles wortwörtlich zu verstehen oder gibt es auch einen übertragenen Sinn? Gilt alles für alle Zeiten oder gibt es auch Zeitbedingtes, das damals galt und heute nicht mehr? Wenn alles in der Bibel wortwörtlich gilt und für immer, dann müssen wir jeden, der am Sonntag arbeitet, töten. Buch Exodus, Kapitel 35, Vers 2: „Der siebte Tag ist heilig… Jeder, der an ihm arbeitet, soll mit dem Tod bestraft werden.“ Die Islamisten denken genau so: alles wörtlich, alles für immer. Man kann das Problem natürlich lösen, indem man sagt: Gott gibt es nicht; also spricht Gott auch nicht; also kann ihn auch keiner hören; also sind die Bibel und der Koran nur Bücher. Papier. Damit ist das Problem mit denen, die an heilige Schriften glauben, aber nicht gelöst. Was soll man mit denen tun? Sie umerziehen in einem Lager? Sie wissen schon, dass China heute genau das tut? Das moderne, freiheitliche Frankreich meinte: Wenn so ein junger Islamist bei uns wohnt, in unserem offenen, modernen, kultivierten Land, dann wird er ganz von selbst offen, modern und liberal werden. Die tschetschenisch-islamistische Macho-Welt war diesmal stärker. „Auf diesen beiden Geboten beruhen das ganze Gesetz und die Propheten“, sagt Jesus dem anderen. Das heißt: Es gibt eine Zusammenfassung; eine Rangordnung der Wahrheiten. Es gibt in der Bibel Wichtiges und weniger Wichtiges. Es gibt einen Geist hinter den Buchstaben. – Die Katholische Kirche lehrt (II. Vatikanisches Konzil, „Dogmatische Konstitution über die Göttliche Offenbarung“): Die Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes haben „Gott zum Urheber“ und sind „als solche der Kirche übergeben“. – Sie lehren „ohne Irrtum die Wahrheit“. Welche Wahrheit? Die der Naturwissenschaft? Die der Politik? Nein. Die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte. In dem, was das Heil des Menschen betrifft, kann die Bibel nicht irren. In allem anderen schon. Die Kirche lehrt auch: In der Bibel spricht Gott „nach Menschenart“. Die Wahrheit wird in der Bibel unterschiedlich ausgedrückt: geschichtlich, prophetisch, dichterisch, je nach den Bedingungen der jeweiligen Zeit und Kultur. Und die Kirche lehrt: Alle Katholiken sollen die Bibel beständig lesen und studieren. Die einfache Frau und der Theologe lesen also gemeinsam die Hl. Schrift. Sie lesen sie mit den Gläubigen vor ihnen, mit der ganzen Glaubensgeschichte, mit allen Zeiten und Kulturen. Und wo geschieht das? Hier. Am Sonntag. Wir studieren zusammen die Hl. Schrift. Dazu gibt es die drei Lesungen. Und wissen Sie, dass unsere katholische Liturgie beinahe ganz aus Bibel-Worten gemacht ist? Wir lernen von Jesus, wie die Bibel zu verstehen ist; siehe das heutige Evangelium. Wenn der Prediger gut studiert hat, treffen sich hier das Wissen und die Erfahrung der Kirche und Ihr Wissen und Ihre Erfahrung. Das Ganze versteht man nur zusammen, in vielen Schritten. – Eigentlich nichts Besonderes: Ihren Weingarten und Ihre Familie verstehen Sie auch nicht in einem Mal, sondern in vielen verschiedenen Momenten. Heute z. B. verstehen wir: Gott will nicht gefürchtet, sondern geliebt werden. Das bedeutet: Mit dem Herzen, der Seele und dem Verstand. Wer über die göttlichen Dinge nachdenkt, der liebt Gott mit seinem Verstand… Sie finden das abgehoben? Sie irren sich. Für jedes Dorf, für jede Familie, für die Feuerwehr, die Kameradschaft, die Musik ist diese Art zu denken und zu lieben entscheidend. Die Art, wie wir die Bibel lesen, wie wir mit einander sprechen, wie wir mit Andersdenkenden umgehen, die Art, wie wir Gott lieben, steht in direktem Zusammenhang mit dem, was in dieser Welt geschieht. Von hier aus können wir dem fremden jungen Mann sagen: Sei willkommen. Du gehörst jetzt zu uns. Aber sei ein Mann auf neue Weise. Sei einer, der fragt, der zuhört, der überlegt, zusammen mit uns. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören