Fest der hl. Lioba, 28. September 2020
Fest der hl. Lioba, 28. September 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Wissen Sie, warum ich die Kirche liebe? Weil sie immer noch größer ist als ich dachte. Wie Gott, der immer noch mehr ist, noch einmal ganz anders als wir glauben. Wer meint, Gott zu kennen, hat ihn verloren. Wissen Sie, welche Art von Frau ich nicht leiden kann? Die auf die Frage „Wo gehen wir heute hin?“, antwortet: „Ach, sag du!“ und dann drei Stunden vor einem Glas Apfelsaft gespritzt hockt. Noch eine Art Frau finde ich mühsam: die, die jeden Priester frostig behandelt, einfach weil er ein Priester ist und ein Mann. Das sind die Frauen, die sich zutrauen, die Hl. Messe zu feiern und eine Pfarrei zu leiten (oder eine ganze Diözese), aber nicht, ein waghalsiges Parfum aufzulegen. Damit sind wir bei der heiligen Lioba. Frauen wie sie machen mich fassungslos vor Bewunderung. Und da geht es auch um das, was eine Frau sich traut. Zu einem Gebetstreffen nach London zu fliegen, scheint nicht allzu schwierig zu sein. Aber an der Küste von Dorset in ein wackliges Boot zu steigen, über den Kanal zu segeln, drüben an Land zu gehen, so etwa im Jahr 735, dann loszuziehen, zu Fuß!, als Frau, bis in die Gegend von Mainz, Fulda und Würzburg: Das ist ein anderes Kaliber. Für alles, was im 8. Jahrhundert nach Christus geschah, gibt es naturgemäß nicht viele Quellen. Aber das Leben der heiligen Lioba ist belegt. Sie war Engländerin, geboren um 710 als einziges, lang ersehntes Kind ihrer Eltern. Aus angelsächsischem Adel, verwandt und befreundet mit dem hl. Bonifatius. Aus dieser Herkunft wird ein Leben, in dem es um Klöster geht und um Mission, in dem Karl der Große vorkommt, England und das Reich der Franken, Erzbischöfe und Äbte und Äbtissinnen. Ein Leben in der Familie der Benediktiner, jenes Ordens, der in Italien entstanden war, von dort loszog bis hinauf zu den britischen Inseln und von da ins Herz des Kontinents, nach Österreich und Deutschland, Länder, an die noch kein Mensch dachte, als die Kirche schon achthundert Jahre alt war. Es geht um eine Welt, in der Männer und Frauen zusammenarbeiten im Aufbau, in der Verwaltung, Vermehrung, Sammlung der Kirche. Also auch in der europäischen Politik. Eine große Nummer also. – Liobas Mutter hatte in der Schwangerschaft geträumt, sie trüge eine Kirchenglocke im Leib. Das Bild passt! Und so wird die hl. Lioba mit einer Glocke dargestellt. Mit sieben Jahren kam das Mädchen zur Ausbildung in eine Benediktinerinnen-Abtei. – Im 19. Jahrhundert, nach Neuzeit, Reformation und Revolution, in Naturwissenschaft und Bourgeoisie war man überzeugt, für Mädchen genüge es, Kochen zu lernen und Nähen oder Französisch und Klavierspiel. Lioba lernte bei den Benediktinerinnen Grammatik, Rhetorik, Logik, Mathematik, Musik, Astronomie, Literatur, Recht und Theologie. Toll, oder? Sie wurde Nonne und blieb im Kloster. Dann warb Bonifatius sie an. Sie sollte mitmachen bei der Missionierung des Fränkischen Reiches. Die also offenkundig nicht nur Männersache war (jedenfalls für die Engländer und Franken. Die Römer dachten etwas anders). Lioba wurde Äbtissin des neugegründeten Klosters in Tauberbischofsheim. Sie machte ihre Abtei zu einem kulturellen Zentrum des unteren Maintals und wurde zur Beraterin der Großen ihrer Zeit. Am 28. September 782 ist sie gestorben. Bestattet ist sie in Fulda, in der Nähe des hl. Bonifatius. Schon im 9. Jahrhundert wurde sie als Heilige verehrt. Ich wage mich vor und behaupte: So sind die Frauen unserer Kirche. Im Römischen Reich Perpetua und Felicitas, Agatha, Cäcilia, Monika. In England Walburga, Edith, Lioba. Dann Hildegard von Bingen, Birgitta von Schweden, die hl. Elisabeth und Katharina von Siena. Dann Teresa von Jesus in Spanien, Johanna-Franziska von Chantal, Marguerite-Marie Alacoque, Thérèse im Karmel von Lisieux, Elisabeth de la Trinité in Dijon und Edith Stein im KZ. Und das sind nur die Frauen unserer Kirche, die mir im Flug einfallen… Geschichte, das klingt für die meisten nach Ereignissen und Daten, nach Dokumenten und alten Gebäuden. Wozu aber sollte uns das interessieren? Wir sind doch keine Kulturbeauftragten! Manche interessieren sich für die Geschichte, weil sie in ihr ihre Belege finden wie Spielsachen in einer alten Kiste. Die eine Bande findet darin die Inquisition, die andere die Heiligen, dann bewerfen sie sich mit Argumenten. Aufrechnen ist immer vulgär. Für mich ist die Geschichte nicht zuerst ein Argument, sondern ein Reichtum. Leben, volles Leben. Was sie außerdem noch ist, sagt die Präfation der Heiligenfeste: „Durch das Zeugnis ihres Glaubens verleihst du uns immer neu die Kraft, nach der Fülle des Heiles zu streben.“ Um das Zeugnis geht es, um Kraft und Fülle und um Gott. Denn das ist uns doch hoffentlich klar: Ein Leben wie das der hl. Lioba ist doch nicht erklärt allein mit Psychologie und Soziologie. Es ist ein Leben aus Gott. In der Lesung heißt es: „Ich betete, und es wurde mir Klugheit gegeben.“ Es ist das Gebet, das zur Klugheit führt, also zu der Fähigkeit, das Erkannte im täglichen Leben richtig anzuwenden. „Ich flehte, und der Geist der Weisheit kam zu mir. Ich zog sie Zeptern und Kronen vor.“ Die Weisheit kommt von Gott und schenkt dem Mann oder der Frau Freimut und Freiheit. „Alles Gold erscheint neben ihr“ – der Weisheit – „wie ein wenig Sand.“ Wer glaubt, der sieht in der Armut nicht ein Verhängnis, sondern eine Option aus innerer Freiheit. „Uneigennützig lernte ich, und neidlos gebe ich weiter.“ Das ist die Beschreibung dessen, was echtes Lehren ist, gleich, ob es eine Frau tut oder ein Mann. Neidlos ist der Mensch, der liebt. Das aber lernt man bei Gott. Wer solche Erfahrungen zulässt, „erlangt die Freundschaft Gottes“. Die ist nicht den Männern vorbehalten. Und schon gar nicht den Priestern. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören