23. Sonntag im Jahreskreis (A), 6. September 2020
23. Sonntag im Jahreskreis (A), 6. September 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Vorsitzender“, „Pfarrmoderator“, „Kirchenrektor.“ Hören Sie das? Hören Sie das gerne, mit Genuss? Fangen Sie da an zu träumen? Und nun hören Sie dies: „Mutter“, „Vater“, „Ritter.“ Und auch: „der Wächter.“ Spüren Sie den Unterschied? Ich bin sicher, Sie merken ihn. Die einen, das sind Titel, Funktionen, Formulare. Die anderen sind Lieder. Das Wort „Mutter“ ist ein Lied. In der Welt der Bilder und Lieder: Dort ist die Kirche. Wer hört „Mann und Frau“, „das Kind“, „der Wald“, „der Mond“, „der Fluss“, „der Abend und der Morgen“, wer alle diese Lieder hört, der wird die Welt, in der es „Vorsitzende“ gibt, nicht zu ernst nehmen. Die Kirche kommt nicht aus der Welt der Pachtverträge und Protokolle; die Kirche, das ist die Welt der Jungfrauen und Bekenner, der Engel und der Wunder, der Propheten, der Ritter und der Wächter. Das ist die Welt, von der ich den Kindern erzählen will. Damit sie sich an die Melodien erinnern, wenn sie längst keine Kinder mehr sind, sondern sehr alt. Was bin ich für Sie? Ihr Pfarrer? Rektor? Konventualkaplan? Ich bin Ihr Wächter. Protest? Unbehagen? Ja, sind wir denn Gefangene, die bewacht werden? Oder Vieh auf der Weide? Alte Löwen im Käfig? Nein, Sie sind der kostbare Schatz. Der Wächter bewacht das Kostbare. Behüten soll ich Sie. Der Priester ist auch der, der behütet. Er hütet das Heilige. „Ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben.“ Das ist dem Propheten Ezechiel gesagt. Da wir aber in unserer Taufe alle zu Propheten gesalbt wurden, gilt es jedem Vater, der Mutter, dem Priester und dem Ritter. Die Getauften sind die Wächter der Menschen. Sie alle hier, gleich, ob sie Eltern, Nachbarn oder Freunde sind, Sie sind dazu da, die anderen zu behüten. – Wenn die Alten in Mailberg uns behüten würden mit ihrem Beten, das wäre etwas! Verantwortung: Darum geht es in der Lesung und im Evangelium. Viele verstehen das gar nicht mehr. Man hat heute Verantwortung für die Schöpfung, aber nicht mehr für seinen Mann. Wir sind doch mündig! Jeder soll ja leben, wie er denkt. Nicht einmischen, nichts vorschreiben. Also ist man lieber still. Und raunzt im Internet und tratscht am Eck. Aber der Wächter trägt doch Verantwortung, oder? Denn er hütet das Kostbare. Was nichts wert ist, braucht keinen Wächter. Sind die Menschen denn nichts wert? Zuerst ist der Wächter der, der schaut. Auf den Horizont, über die Wellen, an den Waldrand drüben. Er sieht genau hin, unablässig, ruhig. Er weiß, wie eine Kuh aussieht und wie ein Hirsch: Idioten taugen nicht zur Wache. Der Wächter weiß die Geräusche zu deuten. Er wartet und wacht. Er spricht nicht; er ruft nur, wenn es soweit ist. Ezechiel ist ein Wächter, der nicht spricht, ohne zuvor gehört zu haben. Erst, wenn er den Auftrag hat. Er spricht nichts Eigenes, nur das Aufgetragene. Wir sprechen immer nur Eigenes, weil wir nicht hören. So also sollten wir sein: Menschen, die genau hinsehen; die sich auskennen; die warten können und handeln können. Die den richtigen Moment erkennen. „Wenn dein Bruder gesündigt hat, dann geh…“ Sonst aber bleib. Der Wächter ist keiner, der sich bloß einmischt, kein Querulant, kein Schreier, keiner, der das Rechthaben für sich zusammenrafft. Er ist ernst. Die Wächter wissen: Es geht um das Kostbare. Um wichtige Dinge. – Die Sünde ist etwas Wichtiges, im schlechten Sinn, denn sie zerstört die Gemeinschaft und die Seele, die kostbarsten Dinge dieser Welt. Es geht um das Denken und um die Tat; es geht um das Wohl aller zusammen. Und um die Ewigkeit. Ein guter Wächter muss sehr weit sehen. Wir stehen alle in Konflikten, wenn nicht heute, dann morgen. Das Evangelium zeigt den Weg zur Lösung. Denn es wacht über uns. Zuerst: Es muss um etwas Wichtiges gehen. Man streitet nicht um Blödsinn. Bei Blödsinn gilt: Klappe halten, weggehen. – Zweitens: Miteinander reden. Die allermeisten reden nur über einander. Oder schweigen, weil sie beleidigt sind. – Drittens: unter vier Augen reden. Warum? Um den anderen nicht bloßzustellen, ganz einfach. Erst wenn das nicht hilft, im größeren Kreis. Vielleicht sehen mehrere Leute mehrere Seiten der Sache. – Viertens: Es kann vorkommen, dass alles nicht hilft. Dann trennt man sich. Keine Streite führen, die nichts bringen, keine, die mit Sicherheit nicht gut ausgehen. Nicht alles ist zu lösen. Manchmal liegt ein ganz eigener Segen über dem Ausweglosen, über der Verzweiflung. Oder glauben Sie, der allgegenwärtige Gott könne nicht auch in den Sackgassen sein? Es geht um das rechte Verhältnis zwischen Freiheit, Mündigkeit und Verantwortung, zwischen Schweigen und Reden, zwischen den anderen und mir. Und nicht nur. Bei Ezechiel geht es um Schuld, um die Warnung, um den Tod und die Rechenschaft. Hier muss der Wächter nicht nur hüten, er muss auch retten. Was er tut, reicht in die Ewigkeit. Im Evangelium ist die Rede von der Binde- und Lösegewalt der Kirche, die bis in den Himmel reicht. Da wird es wirklich ernst. Beim Propheten steht dieses feierliche Wort: „Jerusalem, ich habe dir Wächter gegeben. Den Namen Gottes sollen sie verkünden. Sie dürfen nicht schweigen bei Tag und bei Nacht“ (s. Is 62). FÜRBITTEN Christus, Herr der Kirche, Wenn wir auf einem schlechten Weg sind, schick‘ uns Menschen, die uns davon abbringen. Du wirst Rechenschaft von uns fordern. Gib, dass wir bestehen. Wir wollen unsere Pflicht tun und den anderen lieben. Gib uns mehr Kraft. Du bist mitten unter uns. Mach dich bemerkbar. In so vielen Staaten leben die Bürger im Krieg mit einander. Verwunde die Herzen, dass sie sich bekehren. Sende Friedenstifter. Führe unsere Heimat durch die Krisen dieser Zeit. Sende Deinen Geist. Stehe den Kranken bei. Sende ihnen Helfer und Freunde. Segne die Kinder unserer Gemeinde. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören