Fest des seligen Gerhard Mecatti von Villamagna, 18. Mai 2020
Predigt zum Fest des seligen Gerhard Mecatti von Villamagna, 18. Mai 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Wir brachen von Troas auf…“ – Wege. Ankommen. Fortgehen. Menschen stehen sehen, Menschen kennenlernen, sie wieder verlassen. Blicke, Worte, Begegnungen. Etwas davon bleibt, anderes vergeht. Das ist die Apostelgeschichte. Eine Kirche ohne Plan. Immer weiter. Jene Kirche hat nur zwei Worte: „Geht!“ und „Verkündet!“ Was sie zu sagen hat, ist ganz wenig und übergroß: Jesus aus Nazareth ist der Christus. Er war tot und er lebt. In der Literatur gibt es ein eigenes Genre: den Ritter-Roman. Er erzählt vom jungen Mann, der seine Heimat verlässt. Hinaus in die weite Welt! Und wozu? Um Ruhm und Ehre zu erlangen, sagt der junge Mann und meint, Ruhm, das sei, in der ersten Schlägerei Sieger zu werden und das hübscheste Mädchen abzuschleppen. Er merkt bald, dass das nicht stimmt. So zieht er weiter, er lernt, er kämpft, er bewährt sich. Und bricht wieder auf. Was er kennt, reicht ihm nicht, was er sucht, weiß er nicht genau. Der Ritter hat ebenso wenig einen Plan wie der Apostel. Strukturen interessieren beide nicht. Dem Apostel wie dem Ritter reicht der Auftrag. Geh! Verkünde! Kämpfe! Kämpfe für das Gute, verkünde die Wahrheit. Das Leben des Heiligen, den der Souveräne Malteser-Ritter-Orden heute feiert, ist wie ein Roman. Gut so! Denn die Romane, die Poesie, die Lieder sind es, die uns bewegen, nicht Hygiene-Vorschriften. – Was war die große Erzählung der Kirche in den letzten sieben Wochen? Was ist heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts das große Lied des Malteser-Ordens? Gibt es in der Kirche und im Orden jenen magischen Moment, in dem es still wird und die Menschen sich langsam, einer nach dem anderen, niedersetzen und nur noch eines wollen: zuhören? Gerhard Mecatti wurde um 1174 bei Florenz geboren. Er wurde ein Knappe und folgte seinem Ritter nach Palästina, um eines Tages selbst ein großer Ritter zu sein. Das war sein Plan. In den Kämpfen wurde er von den Sarazenen gefangen genommen. Nach seiner Freilassung pilgerte er nach Jerusalem und schloss sich dort dem Orden des heiligen Johannes an als „dienender Bruder“. Irgendwann kehrte er in seine Heimat zurück. Es wird erzählt, er habe den hl. Franz von Assisi getroffen. Eine Begegnung, die seinem Leben die endgültige Richtung gibt: Er wird Einsiedler. Seine Lebensaufgabe: Gebet und Buße. Gerhard Mecatti starb im Mai des Jahres 1245. – Er wurde also nicht zum Ritter geschlagen. Der Plan erfüllte sich nicht. So wie Franziskus kein reicher Geschäftsmann wurde, wie es sein Vater für ihn geplant hatte. Es gibt Leben, die nicht nach Plan gehen. Jedenfalls nicht nach den Plänen der anderen oder unseren eigenen Plänen. – Gerhard bleibt im Ritter-Orden, aber „Karriere“ macht er dort nicht. Er lebt die Ideale der Franziskaner, aber in die Klostergemeinschaft tritt er nicht ein. Er tut etwas ganz Eigenes. Seine Berufung. Vielleicht gibt es gar keinen Plan, den wir kennen und erfüllen könnten. Ich bin sicher: Jeder große Plan scheitert, jede schlaue Intrige, jede Verschwörung. Das Leben ist nicht glatt genug, als dass solche Unternehmen wirklich gelingen könnten. Wenn es die Kirche noch immer gibt, lebendig, heilig, dann nicht, weil irgendwelche finsteren Mächte den Schwindel der Auferstehung geplant hätten oder die Bibel manipuliert hätten oder den Plan verfolgt hätten, die Frauen für immer auszuschalten. Die heilige Kirche hat keinen Plan. Es gibt nur die Realität, die Geschichte und den Auftrag. Mehr haben wir nicht. Den Plan Gottes kennen wir nicht. Wer hier weiß, was Gott heute noch mit ihm vorhat? Wem er begegnen wird, was er sehen wird, welche Worte ihm aus der Seele kommen wird? Wir wissen nichts davon. Deswegen beten wir ja: „Dein Wille geschehe – wie im Himmel, so auch auf Erden. Gerhard muss nur eine Aufgabe tun: seine, nicht alle. Er muss das Richtige tun; nicht das, was andere erwarten. Und wie weiß man, was das Richtige ist? Jesus verspricht den Geist der Wahrheit. Wo nur kann dieser Geist sein? In Ihnen. In mir. Innen. Der Geist legt Zeugnis ab für Christus, in uns. Wir legen Zeugnis ab für Christus. So sind wir sind Teil einer großen Geschichte, – deren nächste Seite noch nicht umgeblättert ist. „Aus einem Leben voller Tätigkeit“ geht Gerhard in die Einsamkeit. Lärm, Bewegung, Reisen, Termine, Events und dann, mit einem Mal: Stille, Einsamkeit. Sie kennen das jetzt, nicht wahr? Einsamkeit. Um zu beten und um Buße zu tun. Was hat dieser Soldat gesehen und getan? „Ein Leben in Buße und Gebet“, ist das ist das übliche Gerede der Heiligen-Viten? Wer auch nur einen Augenblick hinschaut auf solches Leben, der versteht: Da geht es um Tapferkeit. Gerhard ist ein Einsiedler-Ritter, der gegen den schlimmsten Feind kämpft: das Ego. Wer in die Einsamkeit geht, wird die Angst zu spüren bekommen. Vielleicht wissen Sie auch das jetzt selbst, nach den letzten Wochen. Bei Bernanos steht der beunruhigende Satz: „Die unaufhörliche Furcht vor der Angst, die Angst vor der Angst, formt das Gesicht des Tapferen.“ Und am Ende? Der Sieg über die Welt und sich selbst macht nicht hart und nicht stolz. Eines Tages wird alles leicht. Als Gerhard schon alt und krank war, schickte man Ordensschwestern, die ihn pflegen sollten. Eines Tages fragte ihn eine der frommen Frauen, ob er einen Wunsch habe. „Ja, Kirschen!“ Es war ein Tag im Januar. Natürlich denkt die Schwester, der alte Einsiedler deliriere. Aber immerhin geht sie vors Haus – und findet den Kirschbaum, der dort draußen steht, voll roter, süßer Früchte! Wer Gott gefunden hat, braucht nur noch Kirschen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.Die Predigt zum Anhören