5. Sonntag der Osterzeit (A), 10. Mai 2020
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Darf ich Ihnen einen Auftrag geben? Denken Sie an Ihren Vater, gleich jetzt. Ihr Vater lebt noch oder er ist schon lange tot. Sie haben ihn geliebt oder nicht geliebt. Vielleicht haben Sie ihn gar nicht gekannt. Er war stolz auf Sie oder er hat Sie verachtet. Sie haben ihn gepflegt oder Sie haben ihn gehasst oder beides. Sie haben Angst um ihn. Sie sind ihm dankbar. Sie verstehen ihn nicht, denn seine Welt ist nicht Ihre. So oder ähnlich. Und dann stellen Sie neben all Ihre Gedanken ein Wort Jesu: „Nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ Um zu verstehen, worauf Jesus hinauswill, brauchen Sie das Bild des Vaters, wie Sie ihn kennen. Sie müssen eine erste Vorstellung davon haben, was ein Vater ist. Sonst wüssten Sie gar nicht, von was Jesus spricht. Um aber zu leben, was Jesus will, müssen Sie Ihren Vater verlassen. Alle Väter dieser Welt verlassen. Sie müssen Ihren Vater vergessen und weitergehen. Wohin? „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Wohin sind Sie unterwegs? * Wenn man fragt: „Was macht einen Christen aus?“, antworten 98 von 100: Dass er ein guter Mensch ist. Oder: dass er an Gott glaubt. Die Leute sagen: Ich setze mich gerne in eine stille Kirche (aber nur, wenn keine Messe ist). Ich spende. Ich zünde Kerzen an. Ich gehe in die Christmette. Also bin ich Christ. Und der Vater? Jener Vater, an den Sie sich wenden, wenn Sie beten „Vater unser…“? Jener Vater, dem Jesus dankt, bevor er uns seinen Leib und sein Blut zur Nahrung gibt: „Er nahm das Brot… erhob die Augen zu dir, seinem Vater… sagte dir Lob und Dank, brach das Brot…“ Jener Vater, dessen Willen Jesus tun will? Was ist mit Ihnen und jenem Vater? Jesus behauptet: „Keiner kennt Gott. Nur ich. Keiner zeigt Gott. Nur ich. Keiner spricht wahr von Gott. Nur ich.“ Und so beschreibt Jesus seinen Weg: „Ich gehe zum Vater.“ Jesus und der Vater: Das heutige Evangelium spricht wieder davon. Nur die Christen, die sprechen fast nie davon. Etwas, was Jesus fundamental wichtig war, was ihn ausmacht, die Mitte seines Lebens war, das zählt für die Christen nicht viel. Wir sind unterwegs zum Vater: Das ist die Grund-Bewegung der Kirche. Heim. Heim zum Vater. * Noch einmal: Was ist Ihr Ziel? Das Christentum zeigt so ungeahnte, so neue, so große Ziele – wollen Sie sich wirklich damit begnügen, ein guter Mensch zu sein? „Human“? Ein achtbarer Bürger, eine brave Frau, ein guter Kerl? Ist Christus dafür in die Welt gekommen? Er, der seinen Auftrag so beschreibt: „Damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Wir sind unterwegs zum Vater. Heim. Diese bürgerliche Welt hier, Österreich, der Westen, der Osten: alles okay, notwendig, schicklich… Aber Heimat? Bietet diese Welt hier wirklich Heimat und Fülle? Hatten die, die auf den Friedhöfen liegen hier wirklich eine Heimat? Hatten sie die Fülle des Lebens? * Als ihn der Apostel nach dem Weg fragt, gibt Jesus die berühmte Antwort: „Ich. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Ein Weg, der nirgendwohin führt, ist absurd. Wenn Jesus von Weg spricht, nennt er also auch das Ziel: den Vater. Bei diesem Vater ist das, was jeder Mensch sich wünscht: Wahrheit und Leben. Beim Vater im Himmel ist das, was kein irdischer Vater bieten kann. Auch wenn ein Vater noch so gut ist oder eine Mutter oder ein Priester: Wahrheit und Leben können wir nur manchmal geben. Wir geben einander immer nur Stückchen. Niemals Fülle. Und noch eines: Es geht uns hier auf, dass Wahrheit und Leben nichts Abstraktes sind, sondern jemand, eine Person. Christus. Die Wahrheit, das ist einer, dem wir begegnen. Das Leben, das ist einer, den wir hören. Glaube ist also: Weite und Intimität. Ein ungeheurer Entwurf und eine menschliche Stimme. Und ein Abenteuer. (Oder nennen Sie es wie Sie wollen). Denn der Glaube geht ins Unbekannte. Wie das geht, ein anständiger Mensch, ein guter Bürger werden, das wissen wir, wer aber dieser Vater ist, das wissen wir nicht. Das weiß nur Jesus. Der uns den Vater zeigt, wann und wie Er will. Wir können nur warten, hören, hinsehen. * Erwachsen werden, das heißt in einem gewissen Sinn die Mutter, den Vater vergessen. Christ werden, das heißt: den Vater finden, Kind werden. Wir stehen also zwischen dem Fortgehen und dem Heimkommen. Wir werden verwandelt, immerfort. In der Messe gibt es den Moment, wo der Priester stellvertretend für alle folgende Worte spricht: „Sende deinen Geist auf diese Gaben herab, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“ Wir, Sie und ich bitten den Vater um Verwandlung. Was wird verwandelt? Brot und Wein? Nein: wir selbst. Das Brot und der Wein auf dem Altar repräsentieren die ganze Welt, unser Leben, uns selbst. Wir sollen verwandelt werden in Söhne und Töchter dieses Vaters. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.