Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Gründonnerstag 2020, 9. April 2020

09/04/2020 


Einsamkeit

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Natürlich können Sie die Messe anschauen, die im Internet übertragen wird. Das kann Sie zum Nachdenken anregen, kann Sie rühren; Sie werden vielleicht etwas wie Gemeinschaft empfinden. Etwas wie… aber keine echte Gemeinschaft. Keine echte Kommunion.

Gedanken, Gefühle, Bilder sind immer nur Ersatz für die wirkliche Gegenwart. Die Gegenwart, die man berühren kann. Jede Minute vor der Hostie auf dem Altar ist echter als alle Fernsehmessen zusammen. Aber wer weiß das noch? Wir haben uns längst verloren im Halben und Künstlichen. Wie einsam sind wir wirklich, auch ohne diese Krise?

Die Eucharistie – denn sie feiern wir heute Abend – sei das Sakrament der Gemeinschaft, heißt es. Natürlich ist das wahr. Christus hat an dem Abend, als er zum letzten Mal zusammen war mit seinen Jüngern, die Eucharistie eingesetzt; sie gestiftet, um alle Menschen mit ihm und untereinander zu verbinden. Und das tut die Eucharistie. Wir hier sind verbunden auf verschiedene Weise, aber am tiefsten (und deshalb auch am undurchschaubarsten) durch die Kommunion, die wir gemeinsam empfangen. Wir empfangen – jeder für sich, alle zusammen – den Leib des Herrn. Geist gebunden an Brot.

Die Eucharistie ist das Sakrament der Gemeinschaft. Zuerst die Gemeinschaft zwischen Jesus und dem Vater im Himmel. Dann die Gemeinschaft des Herrn mit den zwölf Aposteln, sogar mit Judas. Dann die Gemeinschaft der ersten Christen, dann die Gemeinschaft aller Jahrhunderte, aller Orte, aller Zeiten; die Gemeinschaft der Kapellen und Kathedralen und Keller, heiliger und unheiliger Priester, Gemeinschaft von Menschen mit schwachem Glauben und solchen mit starkem Glauben. Die Gemeinschaft der Heiligen.

Und doch… Der Weg zu dieser Gemeinschaft geht durch die Einsamkeit.
Mit jeder Minute wird Jesus jetzt einsamer.
Es steht vor ihm: Der Verrat… – Die Verleugnung… – Das Schlafen der Jünger und ihre Flucht… – Der Abschied von der Mutter… – Der Abschied vom Freund…

Aber in Wahrheit beginnt die Einsamkeit Jesu schon jetzt, bei diesem letzten Mahl: Das Unverständnis der Apostel (das bleibt bis heute)… – Die Geste selbst. Sie bedeutet: Jesu geht weg von sich selbst. Er gibt seinen Leib weg und sein Blut weg. Was bleibt da noch? In den kommenden Stunden wird er weggeben seine Menschenrechte, sein Ansehen, seine Kleider, alle Nähe: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Was bleibt da noch?

Diese Einsamkeit, die noch weit tiefer ist als die derer, die in diesen Tagen einsam sind, diese Einsamkeit bleibt gegenwärtig in der Eucharistie. In der Hostie ist Jesus da, aber nicht mehr greifbar, nicht mehr sprechbar, nicht mehr sichtbar.

Er ist da: Es gibt keine weitere Botschaft.
Warum tut Jesus das? Vielleicht weil das Leben so ist.
In diesen Tagen ist jeder allein. Alleingelassen mit den allen Unsicherheiten (…). Alle Ereignisse, alle Entscheidungen wichtig und zugleich vergänglich, ambivalent.
Wir können das aushalten. Wir brauchen keine schnellen Lösungen und keinen leichten Trost.
Wir können uns einlassen auf den Christus des Gründonnerstags. Ihm folgen in die Einsamkeit. Hin zum dunklen Punkt. Dorthin, wo es unlösbar wird.
Von dort aus kann man nur noch springen.

Was ich meine, ist nicht ein rührendes Er-auch – „Jesus war auch einsam“ –, so sehr das helfen kann. Was ich meine, verstehe Sie in der Anbetung der Eucharistie. Da ist kein leichter, allzeit funktionierender Zugriff.

Ich meine den Sprung in etwas Neues hinein. Die Gemeinschaft mit Christus im Himmel ist anders als die Gemeinschaft, die wir hier erleben.

Und wie fügt sich alles zusammen, die Gemeinschaft und die Einsamkeit, das ganz Dunkle und die neue Helle? Sie fügen sich zu einem, weil der Weg Jesu in die Einsamkeit nicht in die Lieblosigkeit führt. Liebe ist nicht einsam. Auch wenn ihr alles genommen ist, ist die Liebe. Sie ist einfach da. Sie muss nicht funktionieren und nicht verstanden werden. Und schon gar nicht erklärt.

Die Liebe hat Macht. Jesus sagt: „Ich habe Macht (!), mein Leben hinzugeben und ich habe Macht, es wieder zu nehmen.“ Die Einsamkeit ist nicht lieblos und sie ist nicht machtlos. Aus ihr heraus wird Ostern aufsteigen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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