Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest der hl. Angela Merici, 27. Jänner 2020

27/01/2020 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Wie in dieser Welt bestehen? – „Bestehen? Wozu? Einfach durchkommen, irgendwie.“ Das ist auch eine mögliche Antwort. Ich ziehe eine andere vor. Auf die Frage: Wie in dieser Welt bestehen? antworte ich: sie zur Kenntnis nehmen. Nicht nur das, was vor Augen ist; nicht nur das, was ich kenne, zu kennen meine. Auch das Andere. Auch das, was war. Und das, was sein soll.

Heute feiert die Malteserkirche das Fest der heiligen Angela Merici. Weil das Haus der Malteser-Ritter seit unvordenklichen Zeiten in der Johannesgasse steht, gleich hier ums Eck, und in dieser Gasse bis ins 20. Jahrhundert hinein auch das Kloster der Ursulinen war und ihre Schule. Die Ursulinen aber wurden von der hl. Angela gegründet. Sie haben also in einer Straße: Ritter und Ordensfrauen. Kampf für den Glauben, Sorge um die Armen, Bildung der Frauen. Und in alldem Heilige. Johannes den Täufer; die hl. Angela Merici, den hl. Clemens Maria Hofbauer, der Beichtvater der Ursulinen war. Das, die Geschichte und die Gnade, ist auch die Welt. Ganz gleich, ob wir sie sehen oder nicht: Sie ist da. Sie geschieht. Die Lkw-Fahrer, die in der Früh dort draußen vor der Kirche abladen, wissen auch nicht, dass genau in diesem Moment hier drinnen die Wandlung geschieht. Nicht nur die Wandlung von Brot und Wein: die Wandlung dieser Welt. Alles ist da. Das ist die Welt.

Ganz gleich, ob bewusst oder unbewusst, mit Erfolg oder erfolglos, bewundert oder unerkannt: Jeder positioniert sich in der Welt. Manche haben dabei Gott in den Blick, auf unterschiedlichste Weise: Die einen denken nur manchmal an ihn; andere versuchen, Gott ebenso wichtig zu nehmen wie die übrigen Dinge des Lebens (Kinder z. B.). Wieder andere machen Gott zur Mitte. Nur ganz wenigen geht auf, dass sie, wie es in der Lesung heißt, die Möglichkeit haben, „Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes“ zu sein.

„Verwalterin der vielfältigen Gnade“ – ob sich Angela Merici selbst so beschrieben hätte, ist ganz unwichtig. Wichtig ist, dass sie genau das war. Vielfältige Gnade. Sie wurde um 1470 am Gardasee geboren, in einer vornehmen, aber armen christlichen Familie. Das bedeutet: eine selbstverständliche Frömmigkeit. Das ist der Anfang. Es hat Zeit gebraucht, bis dieser gesunde, herkömmliche Glaube zusammenwuchs mit der ganz persönlichen Berufung. Zuerst musste die Frau entdecken, wer sie war, was sie konnte, wie die Welt war und wo ihr Platz darin. Manche überfällt die Berufung wie ein Schlag, andere wachsen hinein, Jahr und Jahr.

Angela nahm den Glauben ernst, ganz einfach, und wurde so von selbst zum Mittelpunkt einer Gruppe von Laien, Frauen und Männer, die ebenso leben wollten. Angela beriet die, die zu ihr kamen: eine Seelsorgerin also, „liebenswürdig und klug“ wie es heißt. Klug bedeutet: Sie wusste zu vermitteln zwischen den göttlichen Dingen und dem menschlichen Handeln. Sie war eine Frau, die überlegte; erkannte, was zu tun ist und dann den Entschluss durchstand im Handeln. Das ist Klugheit.

Eine Realistin, die die Welt sieht, wie sie ist; erkennt, was die Welt jetzt braucht – und was sie selbst kann: Dass sie einen guten Blick hat für die Kinder und die Fähigkeit, sie zu leiten. „In einer Zeit des Luxus und der sittlichen Verwahrlosung galt ihre Sorge vor allem den Mädchen aus den armen Volksschichten“ – Das braucht die Welt! Dabei kann Angela Merici mit anderen zusammenarbeiten. Wenn Sie mögen, nennen Sie das „teamfähig“.

Angela Merici ist also: Gläubige, Seelsorgerin, Erzieherin. Auch Bürgerin im klassischen Sinn der Teilhabe an den öffentlichen Dingen. Und dann erkennt sie noch die Berufung zum Ordensleben. Manche sagen: Das ist mein Platz im Leben. Der gehört mir. Schluss. Die hl. Angela ist eher eine, die sagt: Das ist auch mein Platz. Offenheit, – ohne unstet zu sein.

Unstet machen uns die Launen und die schwächliche Selbstliebe; der Heilige Geist macht beweglich.

In den letzten zehn Jahren ihres Lebens sammelt Angela junge Frauen um sich, die in der Welt ein christliches Leben führen wollen. Ohne Gelübde und Klausur, ohne Ordenstracht, in ihren Familien sollten diese Frauen nach den evangelischen Räten leben. So die Idee Angelas. Die Kirche hat es ihr so nicht erlaubt. Aber die Gemeinschaft der Ursulinen wurde gegründet, und die Kirche hat Angela heiliggesprochen. Viel später hat das II. Vatikanischen Konzil den Wert des geweihten Lebens in der Welt anerkannt. Ist die Kirche träge? Konservativ? Hinterher? Oder ist die Kirche klug? Und: Führt Christus die Kirche? – Die Ursulinen haben kleine Mädchen zu Frauen erzogen. Sie haben Frauen gebildet. Wer aber Menschen bildet, macht sie stark. Bildung für Frauen: Das ist auch die Kirche. Am Nachmittag des 27. Jänner 1540 starb die heilige Frau.

Und wir? Wir suchen unseren Platz in der Welt, alle. Für Christen bedeutet das: ihre Berufung immer klarer zu erkennen. Orte, Umstände, Anerkennung, Erfolg, viel Zeit, wenig Zeit: Alles zweitrangig. Ob Sie beten oder Bücher schreiben oder Freundschaften pflegen oder ihrem Partner beistehen oder Kinder erziehen oder Kirchen besorgen oder Prozesse führen: Bei allem können sie Verwalter der Gnade sein. – Sie wissen nicht recht, wie das gehen soll? Die Heilige sagt: „Handeln, wie der Geist es eingibt. Weitergeben, was Jesus lehrt. Auf bewährten Wegen Neues wagen.“ Und noch etwas sagt sie: „Gott hat einem jeden die Freiheit verliehen. Darum zwingt niemanden, sondern gebt nur Hinweise, ruft und ratet!“ Das sagt die, die sich den Erwartungen immer wieder entzieht. Die frei ist und andere freisetzt.

„Wer von ihnen der Größte sei…“ Das ist eine Frage, die sie nicht interessiert. Ein Kind kann nicht zwingen; auch „der Letzte und der Diener“ aller kann nicht zwingen. Das Kleine wird groß, das Große wird klein und wer ein Kind aufnimmt, nimmt Christus auf. Die Welt wird fließend. Daher die heilige Beweglichkeit dieser Frau. Die Gnade hat so viele Momente! Sie ist frei.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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