Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest Darstellung des Herrn, 2. Februar 2020

02/02/2020 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Aus einem jungen Mann wird eines Tages: ein Mann. Vielleicht ist das, sobald er Kinder hat. Aus dem Mann wird dann ein älterer Mann. Und dann kommt der Moment, in dem der Mann alt wird. Wann ist man alt? Wenn einen die anderen alt finden? Das sollte man überlegen. Könnte sein, dass die anderen Recht haben. Oder du bist alt, wenn sie noch gerne mit dir reden, aber dich auf der Straße keiner mehr ansieht. Keine Ahnung. Alt ist man jedenfalls länger.

Und dann, ganz plötzlich, wird der alte Mann ein Greis. Das ist noch einmal etwas anderes. Fast etwas Neues, denn in dem Greis ist der Mann von einst nicht mehr zu erkennen. Der Greis ist fremd. Vielleicht haben die Leute deshalb diesen ganz eigenen Ton, wenn sie mit einem Greis oder einer Greisin reden. Wie in einer ungeübten Fremdsprache. Die anderen fangen heimlich an zu denken: Jetzt ist es Zeit. Weil sie das Bild ihrer eigenen Vergänglichkeit los sein wollen. Weil sie nicht mehr wissen, wozu genau er noch da ist. Und er selber weiß es auch nicht mehr. Wozu bin ich noch da? Um zu warten? Ist das Warten eine Beschäftigung? Warten auf was?

So geht das Leben: Lernen, Aufbauen, Schaffen und Genießen, Aufhören. Warten. Warten bedeutet für die meisten: nichts. Das Alter ein Schatten. In den hinein die Pflegerin mit einer verfluchten Freundlichkeit ruft: „Na, wie geht’s uns denn heute?“

Warten, ist das ein Lebensinhalt? Zählt das? Früher ja. Früher fand niemand etwas dabei, wenn ein 65-Jähriger keinen Marathon mehr laufen mochte. Wenn ein alter Mann auf der Bank vor dem Haus saß und auf sein Leben schaute. Sich erinnerte. Das hatte Würde. Sich erinnern heißt ja nichts anderes als: sein Leben formen. Früher konnten sich die Alten trauen, unspektakulär zu leben. Ruhe und Langsamkeit waren nicht peinlich, sondern einfach normal. Heute möchte jeder bis zum Schluss sagen: Ich leiste etwas! Ich habe ein Unternehmen gegründet, ich habe ein Vermögen gesammelt, ich habe viel gestiftet, jetzt treibe ich viel Sport und engagiere mich und mache eine Weltreise. „Ich habe eine junge Freundin“, sagt der alte Mann. Doch die jungen Leute, die an ihm vorbeigehen, drehen sich kurz um und rufen: „Ja, und? Wen interessiert‘s?“ Für das Jungbleiben gibt es kein Denkmal, und wer jung ist, braucht keines. Er geht tanzen.

Du wirst vergessen. Spätestens, wenn du ein Greis bist.

Der Mann im Tempel aber, der wird nie mehr vergessen werden. Bis ans Ende der Welt wird man sich erinnern an einen zahnlosen Greis, der kaum noch gehen kann, dasitzt und vor sich schaut: Simeon, der Greis, der ein Baby in den Armen hält. Was hat dieser Typ geleistet? Er hat gewartet.

Das Alter kann sein: Abschied. Trauer. Bitterkeit. Resignation. Angst. Üble Laune. Dumpfes Dämmern. Noch ein Achterl, aber kein glückliches. Oder das Alter ist Sehnsucht. Simeon ist Sehnsucht. Simeon ist der Beweis dafür, dass man die Sehnsucht seines Lebens durchhalten kann.

In der Jugend fromm zu sein, begeistert, gläubig, streng, opferbereit, ist kein Kunststück. Deswegen geht man jung ins Kloster und jung in den Krieg. Aber dabeizubleiben beim Glauben, beim Beten, beim Warten – denn Glauben ist Warten –, dabeizubleiben, das ist schwierig. Zu warten, auch wenn sich scheinbar nichts tut, wenn Jahrzehnte anscheinend fruchtlos verstreichen; wenn Du täglich schlafen gehst mit dem Verdacht, du habest dein Leben vertan und dich festklammern musst an Erfolgen, um den Verdacht auszuhalten.

Als junger Mann hatte Simeon die Verheißungen Gottes gehört und ihm geglaubt. Er hörte nie auf, sich zu sehnen und zu warten. Wie geht das? Sich sehnen und warten, das bedeutet doch: offen zu sein in der Seele. Normalerweise werden Menschen im Alter nicht offener. Sie verschließen sich immer mehr. Sie wissen ja längst alles. Deswegen reden die Alten nur noch von sich. Fragen stellen sie nur noch aus Höflichkeit.

Das Evangelium gibt uns einen Fingerzeig, weshalb es bei Simeon anders war. Weshalb er ein Kind überhaupt wahrnehmen konnte. „Der Heilige Geist ruhte auf ihm.“ Weil er sich vom Heiligen Geist führen ließ, konnte er sich sehnen, noch als Greis. Und verstehen.

Die meisten denken: Ich komme doch allein zurecht. Oder: Heiliger Geist, ja okay, aber eigentlich ist das nur frommes Gerede. Simeon, der Gläubige, hat sein Leben auf den Heiligen Geist gebaut. Auf etwas Unsichtbares; etwas, das er keinem anderem vorweisen oder erklären kann. Der Geist hält ihn offen. Im sehnsüchtigen Warten.

Was da jetzt im Tempel geschieht, fällt nicht plötzlich vom Himmel. Es ist die Frucht eines langen Lebens. Glauben, Sehnsucht, Warten: Das muss man einüben. Ich bezweifle sehr, dass einer, der sein Leben lang jeden Gedanken an Gott abgelehnt hat, diesen Gedanken im Alter noch findet. Man stirbt, wie man gelebt hat: gläubig – oder eben ungläubig.

Es war kein Zufall, dass Simeon genau im richtigen Augenblick im Tempel war. Es war einfach Gehorsam. Der Greis gehorchte seinem Gewissen, der Stimme Gottes in seiner Seele. Und jetzt ist nichts zu sehen: ein Baby auf dem Arm seiner Mutter. Alltäglich. Aber Simeon erkennt – denn der Glauben macht klarsichtig, und das Alter gibt Weisheit –, er erkennt, dass er dem Erlöser begegnet. Nun darf er das Kind halten. Und versteht etwas. Er versteht, dass in Wahrheit das Kind ihn hält, ihn, ihn, den alten Mann, der nun in Frieden scheiden darf. Das ist der Sinn des Glaubens: Der Mensch hält Gott und Gott hält den Menschen. Geborgenheit.

Dort im Tempel wird Gott von seinem Volk empfangen. Auch wenn das in dem Moment nur drei, vier Menschen sind. Und der alte Mann wird vom Jesuskind in das Reich aufgenommen, das nur für die bereit steht, die Gott aufrichtig suchen.

Zum Schluss singt Simeon ein Lied: „Nun lässt du, Herr…“ Es ist ein Reiselied.

FÜRBITTEN

Wir beten zu Jesus Christus, der auf den Armen seiner Mutter in den Tempel kommt:

Mache die Kirche – die Pfarre – den Orden zu einem hellen Licht, das den Menschen den guten Weg weist.

Schütze und führe unsere Vorfahren im Glauben, die Juden.

Josef und Maria erfüllen die Gesetze ihrer Religion.

Gib den Katholiken Liebe zu den Gesetzen der Kirche.

Zeige uns, was die wahre Sehnsucht unseres Lebens ist. Wenn sie in die Irre geht, bekehre uns.

Lass uns den entscheidenden Moment erkennen.

Schenke uns Geduld und Beharrlichkeit. Und eines Tages helle Freude.

Die Kirche ringt um die Einheit der Christen, um das Priestertum, um die Rechte der Frau, um Erneuerung.

Zeige den Katholiken, dass vor Dir nicht das Nehmen das Erste ist, sondern das Empfangen. Denn Du hast das Heil bereitet, vor allen Völkern. Du bist der, der handelt. Wir sind die, die empfangen.

Lass die alten Menschen deine Nähe spüren.

Lass die Sterbenden versöhnt aus dieser Welt scheiden.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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