Montag der 33. Woche im Jahreskreis, 18. November 2019 – Bedrängnis
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes So schnell geht das. „Er trat im Jahr 137… die Regierung an“, und es geht los: „Alle sollen zu einem einzigen Volk werden und jeder soll seine Eigenart aufgeben.“ Das ist der moderne Einheitsstaat. Gleichschaltung statt Vielfalt, Zentrum statt Regionen, Zwang, Zerstörung, Verhaftungen, Todesurteile. Das ganze Repertoire der Diktatur, der alten wie der neuen. Und es ist wie immer: Die meisten sind dafür, wenige dagegen. Die Befürworter haben die Vernunft auf ihrer Seite. Die Vernunft – vor allem die ökonomische – ist für Öffnung. „Denn seit wir uns von ihnen abgesondert haben, geht es uns schlecht.“ Aber ich frage diese Vernunft: Wen hast du auf deiner Seite? Die Mode? Den Zeitgeist? Oder die Wahrheit? Die Errichtung einer Diktatur erfordert eine Menge Vernunft. Aber eine pervertierte Vernunft. Es gibt aber noch etwas über der Vernunft. „Dennoch blieben viele aus Israel fest und stark.“ Die Frommen. Die Treuen. Die, die Recht haben. Die, die es nicht stört – im Gegenteil –, in der Völkerwelt isoliert zu sein; die lieber im Ghetto leben wollen als zu den anderen zu gehören. „So starben sie.“ Märtyrer. Oder bloß Fanatiker? Ich seufze, wenn ich sehe, dass das Kirchenjahr uns die langen Lesungen aus dem Makkabäer-Buch vorgibt. Wer will das hören? Und dann, wenn ich mich hineingezwungen habe, sehe ich: Das sind wir. Das ist unsere Zeit. Weltoffenheit oder Treue? Moderne oder Tradition? Es geht um die Macht des Staates und um Freiheit, um Mitläufer und Überläufer und Widerständler. Das Makkabäer-Buch gibt die Widerständler für die Treuen aus. Aber jeder weiß, dass ihre Religion ebenso gewalttätig ist wie der Staat. Dass die Frommen Freiheit und Vielfalt für sich fordern, aber nicht für alle. Man müsste so viel wissen, so viel gelesen haben, so viel diskutiert haben, um auch nur halbwegs den Weg heraus zu finden. Wir sind aber alle keine Spezialisten für Politik, Philosophie, Recht und alles Nötige andere. Wir sind nur Christen – und Bürger. Und merken bei der Lektüre des Makkabäer-Buches und beim Blick auf unsere eigene Zeit: Es ist unmöglich, ein System zu finden, das für alle gleichzeitig gut funktioniert. Mein Misstrauen gegen geschlossene Systeme wächst und wächst. Die Lesung bietet kein Modell, nach dem eine Gesellschaft leben kann. Wir erlangen hier also keine Gewissheit. Wir sind nicht in Sicherheit. Was also sollen wir tun? Es gibt mehrere Lösungen. Augen zu. Wegschauen, weghören, privat werden. Das Biedermeier. Oder: mitmachen. Die Kriegsgewinnler. Oder: verweigern. Was also tun in unserer Zeit? Meine Lösung lautet so: Verzicht und Nachfolge. Mit Verzicht meine ich: Bewusst darauf verzichten, Gewissheit zu haben. Sagen: Ich weiß es nicht. Bewusst darauf verzichten, alle Rechte durchzusetzen. Für mich ist die katholische Kirche die einzig wahre. Oder, etwas vorsichtiger gesagt: die, die der Wahrheit Gottes am nächsten kommt. Das heißt aber nicht, dass die katholische Kirche die Weltherrschaft haben soll. Sie mögen diesen Gedanken absurd finden, aber ich erinnere Sie daran, dass die Kirche das bis vor gut 50 Jahre wollte, dass dies ihr Ideal war: jedes Land katholisch, mit katholischen Gesetzen und katholischen Politikern und katholischen Familien. Man kann das gut finden, – aber man muss nicht alles, was man gut findet, nicht alles, was rechtens und richtig ist auch durchsetzen. Man kann: verzichten. Resignation – und Nachfolge. Damit kommen wir zum Evangelium. Jesus sagt dem Blinden: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Das ist die Lösung der frommen Leute: Der Glaube macht alles gut, alles möglich, sagen sie. Und setzen früher oder später hinzu: Der richtige Glaube. Das stimmt, objektiv, funktioniert aber nicht. Der Glaube, so, wie er von den frommen Leuten gelebt wird, hält dem Leben meistens nicht stand. Entweder er zerfällt beim ersten Problem, oder er muss zementiert werden. Vom Menschen. Ein Glaube, den wir selbst fest machen und nicht der Heilige Geist, pervertiert. Er wird Menschenwerk. Es gibt ein anderes Wort im Evangelium: „Da pries er Gott und folgte Jesus.“ Hören Sie genau hin. Sehen Sie genau hin. Wie geht das, jemandem folgen? Kann man jemanden aus der Ferne folgen? Schwerlich. Kann man einem manchmal folgen, einmal im Jahr? Ist das Nachfolge? Nein. Nachfolge bedeutet: in der Nähe bleiben. Auf Sichtweite und Hörweite. Nachfolge bedeutet: die Nähe suchen. Und dann: Schritt für Schritt. Wer nachfolgt, sieht nicht weit voraus. Er sieht nur ihn. Den Herrn. Die Nachfolge verhindert nicht die Komplexität der Situation. Es bleibt schwierig, unübersichtlich. Das ist auszuhalten. Aber die Nachfolge hält uns beweglich und demütig. Wir hängen von einem anderen ab. Der uns Fragen stellt, immer wieder; uns Wege führt, die wir nicht kennen. Wir werden durch wildes Land gehen, durch Dunkel, aber Er ist dabei. Das genügt. – „Da pries er Gott und folgte Jesus.“ Schritt für Schritt, Moment für Moment, Alltag für Alltag. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.