Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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33. Sonntag des Jahreskreises (C), 17. November 2019

17/11/2019 


Alles wird niedergerissen

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Als einige darüber sprachen, dass der Stephansdom mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: ‚Von allem, was ihr da seht, wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Alles wird niedergerissen.‘“

Der Stephansdom: niedergerissen. Schönbrunn: verbrannt. Christiane Hörbiger: tot. Das Oktoberfest fällt aus, der FC-Bayern steigt ab: österreichische und bayerische Katastrophen. Alle dagewesen, alle möglich, – aber man darf es nicht sagen. Solche Dinge zu sagen, gilt als geschmacklos. Solches zu denken, rührt an die Ängste. Kein Mensch will es hören.

Jesus schert sich nicht um guten Geschmack oder Ängste. Ihn interessiert das Leben. Weil er das Leben liebt (es kommt ja von ihm), sieht er die Welt, wie sie ist. Und bleibt ihr trotzdem nahe. Wer wirklich liebt, muss sich nichts schönreden, den Partner nicht, sein Kind nicht, die Welt nicht. Liebe und Wahrhaftigkeit küssen sich.

Unter allen Weltreligionen gibt es nur zwei, die keine Angst haben vor bedingungsloser Wahrhaftigkeit. Nur zwei, die sich nicht wegträumen oder um jeden Preis an alten Ideen festhalten. Nur zwei, die das Leben sehen, wie es ist, schön und schreckerregend zugleich: das Judentum und das Christentum (s. Psalmen). Am Ende des Kirchenjahres, also heute und an den kommenden Sonntagen, liefert uns die Bibel Bilder, die uns erschrecken: Feuer, Blut, Monster, Qualen, Strafen, Katastrophen. – Warum soll in der Kirche nicht gehen, was im Kino geht oder zuhause, mit Chips, auf der Couch, wenn Sie Krimis schauen oder Horrorfilme? Die großen Regisseure, die Autoren, die Maler, sogar die Musiker tun nichts anderes. Fast jede Oper ist voller Schrecken, ein Streichquartett von Beethoven ist kaum auszuhalten; eine Kirche ist kein Wohnzimmerlein; Kultur ist mehr als Wohlklang und Behagen; Geschichte erst recht, auch die Geschichte Mailbergs. Wir schauen uns das an – und spüren die Angst in unserer Seele. Und noch etwas tut sich in uns: Wir leiden mit. Wir leiden mit den geplagten Menschen. Menschen sind geplagt. Das ist der Anfang aller Religion, aller Hoffnung.

Die Bilder der Bibel richten sich nicht an den Verstand. Sie passen nicht zusammen. Sie sind nicht logisch. Es geht um Emotionen. Die drohenden Bilder halten den Schrecken wach. Und die Sehnsucht nach Erlösung.

Was geschieht, wenn man diese Bilder wegnimmt? Wenn man vom Evangelium nur noch vorliest, was allen taugt? Nur noch „Jesus liebt dich“? Dann sind wir und unsere Kinder nicht gewappnet, wenn der Horror des Lebens kommt: eine Kündigung, eine Trennung, eine Diagnose, ein Unfall, ein Krieg. Dann sind wir nicht gewappnet, weil wir uns geweigert haben, die Welt zu sehen, wie sie ist. Dann wird sich der Verdacht erheben, die Religion sei ein einziger Betrug. – Ich brauche keine Schönwetter-Religion. Ich brauche keine Kindermessen-Religion. Ich brauche einen Glauben, der mich auch im Horror des AKH nicht im Stich lässt.

Was sollen wir tun? Zur Kenntnis nehmen, so nüchtern wie möglich, wie diese Welt ist. Und alles, alles!, das Gute wie das Furchtbare im Licht des Glaubens sehen. Auch die Nachtseite hat mit Gott zu tun. Alles hat mit Gott zu tun, und das Schreckliche wird genannt, um überwunden zu werden.

Gott wird es sein, der in allen Schrecken und vermeintlichen Untergängen kommt. Je mehr Erfahrung, je mehr Weisheit wir haben, desto klarer wird uns: Schrecken und Untergänge sind vergänglich. Das Bestehende vergeht. Und das Unvergängliche tritt hervor.

Wir stecken mitten in der Geschichte und die Geschichte ist immer wieder schrecklich, Ihre private wie die große öffentliche. Aber die Geschichte hat ein Gegenüber: den kommenden Gott.

Die Leute fragen, nervöser, ängstlicher denn je: „Was wird die Zukunft bringen?“ Die Zukunft ist einer der großen Götzen dieser Welt. Nicht für die Christen. Christen glauben: Gott ist der Herr. Dann ist Gott aber auch der Herr der Zukunft. Es gibt nur einen Gott, und kein Schicksal und keine Zukunft kann mit ihm konkurrieren. Wenn Gott wirklich der Herr ist, jetzt und über die Zukunft, dann müssen wir nur eines: Gott gefallen. So haben wir alles für unsere Zukunft getan.

Gott gefallen, wie? Die Wand aus Horror wird durchbrochen durch Staunen und Liebe. Liebe ist das, was Sie immer können. Sogar wenn einer erst sieben Jahre alt ist, kann er lieben. „Ich liebe dich, Papi.“ Und, warum nicht?, „Ich liebe dich, Jesus!“ Nicht lieben wollen, bedeutet, mehr und mehr selbst zum Teil des Horrors werden. Oder meinen Sie, der Schrecken beginne erst, wenn Feuer vom Himmel fällt? Der Schrecken dieser Welt beginnt in der lieblosen Seele.

Die Wand aus Horror wird durchbrochen durch Staunen und Liebe, von unserer Seite aus. Von der anderen Seite aus: durch Gott.

Gott nimmt uns Menschen und die Wirklichkeit ernst. Sei sie noch so schwierig. Er beschönigt nichts, klammert nichts aus. Gott wird zur rechten Zeit das Rechte geben: das richtige Wort, die gute Unterstützung, Klarheit, die trägt.

Es lohnt sich, in allem an Gott und am Leben festzuhalten. Es lohnt sich, treu zu sein. Jede Angst vergeht.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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