Fest des hl. Carl Borromäus, 4. November 2019
Dienen Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes So ziemlich alles an dem Heiligen, den wir jetzt feiern, ist in der Kirche von heute undenkbar. Situationen wie seine, Menschen wie ihn gibt es in dieser Kirche gar nicht mehr. Die Zeiten ändern sich, das muss nichts Schlimmes sein. Was aber schwer erträglich ist: Wenn die Gegenwart mit törichter Verachtung auf die Vergangenheit blickt. „Wir sind neu, wir sind von heute, wir sind besser!“ Wie schlicht müssen Gemüter sein, die sich ihr Leben so zurechtdenken? Ich halte dagegen: Ihr mögt von heute sein, ihr müsst sogar von heute sein, denn das ist der Auftrag, – aber besser seid ihr deswegen nicht. Ich will erst sehen, was ihr bewirkt; die Früchte will ich sehen, – dann bin ich bereit, den Baum zu loben. Bloß weil ein Bischof „auf die Menschen zugeht“, „die Sprache der Leute spricht“, sie duzt und sich duzen lässt und immer lächelt, ist er noch lange kein guter Bischof. Vielleicht ein beliebter, aber nicht unbedingt ein guter. Genauso wenig ist einer ein guter Kardinal, nur weil er um sich herum die Kirche des 19. Jahrhunderts restauriert mit Spitzen und Schleppen. Was ist ein guter Bischof? Der heilige Karl Borromäus! Warum? Weil er heilig war und seine Diözese in die Zukunft geführt hat. Man kann eine Diözese in die Vergangenheit führen; man kann sie einfach nur verwalten, – und ein Bischof kann zusammen mit seiner Diözese (denn sie gehören zusammen, sind „ein Leib“), kann zusammen mit ihr herausfinden, was das ist, das Christentum der Zukunft. Sehen, was man aufgeben kann, was man erwecken muss, wie man die Tradition lebendig macht. Statt sie nur abzustauben oder neu anzumalen. Oder zu zerschlagen. Carlo Borromeo wurde am Lago Maggiore geboren, 1538, in einer der schönsten Gegenden der Welt, in eine der vornehmsten Familien Italiens. Mit zwölf (!) Jahren wurde er Kommendatarabt eines Benediktinerklosters, d. h. er bekam die reichen Einkünfte, ohne Verantwortung zu tragen. Mit 16 beginnt er das Studium, mit 21 ist er Doktor beider Rechte, Verwalter der Familiengüter und „Abt“ von zwei weiteren Klöstern. Sein Onkel Medici wird Papst, Pius IV., und Carl Borromäus wird Kardinal. Mit 22. – Da stehen sämtliche Vorurteile über die Kirche der Renaissance-Zeit stramm, nicht wahr? Das Problem an den Vorurteilen über die Kirche ist nicht, dass sie Falsches behaupten, sondern dass sie so erbärmlich von Gott und von den Menschen denken. Glauben Sie wirklich, Gott ließe sich aufhalten durch Landschaften und Schlösser und Titel und Verbindungen und Geld, – wenn er eine Seele erwählt hat? Der Tod seines Bruders Federigo erschüttert Carl in der Tiefe. Die Trauer lähmt ihn aber nicht. Der Schmerz wird zum Antrieb für eine innere Wende hin zum noch Tieferen, Größeren. 1563 wird er geweiht. Mit 25 Jahren ist er Erzbischof von Mailand. Und Mailand wird die Muster-Diözese der Gegenreformation! – Noch ein verschriener Begriff. Aber was bedeutet Gegenreformation? Umsetzung der Reformen in Theologie, Verwaltung, Moral, Frömmigkeit, Kunst und besonders in der Bildung. Erneuerung. Es bedeutet unendliche Arbeitsfülle – Carl Borromäus besucht persönlich fast alle der 800 Pfarren seines Bistums! Es bedeutet große Widerstände, vor allem im Klerus. Das geht so weit, dass vier Ordensleute versuchen, den Bischof umzubringen. Als in Mailand die Pest ausbricht und die staatlichen Autoritäten fliehen, organisiert der heilige Kardinal persönlich die Hilfe für die Kranken. Am 3. November 1584 stirbt Carl Borromäus. Mit Mitte 40. Die Lesung des Festtages kommentiert dieses Leben – und weist uns einen Weg: „Lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn.“ Das beschreibt den heiligen Karl Borromäus und gilt gleichzeitig uns hier. Dieses Feuer in sich entzünden, das kann kein Mensch. Der erste Funke ist der Heilige Geist selbst. Wir können ihn brennen lassen (ja brennen!) oder ihn ersticken. Ist der Mensch nicht erstaunlich, dass er die Macht hat, Gott in sich zu ersticken? Trägheit, im Tun wie im Denken, Gier, Völlerei, Selbstverliebtheit, Neid, alles das macht die Seele so feucht, modrig, faulig, dass kein Feuer mehr zünden kann. Der hl. Karl hat durch die Art, wie er sein Leben führte, wie er betete, wie er seinen Tag gestaltete und anderen begegnete das dem Menschen Mögliche getan, damit der Heilige Geist ihn entflammen konnte. Und daraus entstand sein Dienst. „Lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn.“ Das ist ja der springende Punkt an diesem Wort: Die Verbindung von heiliger Flamme und Dienst. Dienen ist also nicht in der Mischung von Pflichtbewusstsein und Machthunger, wie sie jeden besseren Bahnhofsvorsteher antreibt; ist nicht die irgendwie abartige Lust am Dienen und sich Unterwerfen, erst recht nicht der grundbeleidigt-patzige „Service“, wie man ihn heute so oft erlebt. Der Dienst des Christen ist in jener Haltung, die im Hochgebet angesprochen wird: „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“ Feuer und Stolz sollen uns dienen lassen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.