32. Sonntag des Jahreskreises (C), 10. November 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Es war etwa 200 Jahre vor Christus, da wurden Menschen verfolgt dafür, dass sie ihrem Glauben treu bleiben wollten. Die jüdischen Gesetze wurde verboten, der Tempel in Jerusalem wurde einem griechischen Gott geweiht, und wer sich weigerte, das Opferfleisch zu essen, wurde hingerichtet. Die Lesung aus dem Alten Testament schildert die grausame Hinrichtung einer ganzen jüdischen Familie. – Muss das im Sonntagsgottesdienst sein? Vor Kindern vielleicht? Ich bin auch nicht sicher, was richtig ist. Ich sehe aber, dass seit Jahren die Kinder im Kindergarten, in der Schule, in der Kirche vor grausamen Bildern beschützt werden, vor Strenge, vor Drohungen, vor Angst, vor allem Negativen. Aber was schauen sich dieselben Kinder im Internet an? Ich kenne Mütter, die empört sind, wenn am Kreuz der Gekreuzigte zu sehen ist und nicht ein Regenbogen, die aber mit den Achseln zucken, wenn 11-Jährige sich Pornos anschauen. Ich sehe, dass die Kinder, die so behütet werden, sich gegenseitig in Internet fertig machen. Kinder posten und teilen Filme von Kindesmissbrauch! Vielleicht sollten wir Katholiken unsere Kinder nicht vor allem beschützen, sondern ihnen beistehen, wenn sie die Welt kennenlernen, wie sie ist. So wie die Lesung ist die Welt. Was da erzählt wird, passiert nach wie vor. Grausamkeit, Staatsgewalt, Fanatismus: ganz von heute. Auf den zweiten Blick – und das ist der entscheidende – geht es in der Lesung aber gar nicht um Grausamkeit, sondern um die Auferstehung. Deswegen wird sie vorgetragen. Sie gehört zu den frühesten Zeugnissen der Bibel dafür, dass Menschen anfangen, an die Auferstehung zu glauben. 200 Jahre erfüllt sich der Glaube: Ostern. Das wir hier feiern, jeden Sonntag. Die Hoffnung auf die Auferstehung ließ diese jungen Männer durchhalten. So wurden sie zu Glaubenszeugen – und zu Freiheitszeugen! Grausamkeit, Fundamentalismus, Unterdrückung – Treue, Mut, Freiheit – Gewalt, Schmerzen, Tod: Das alles ist unsere Welt. Das ist die Erfahrung. Alle Menschen erleben das, im Kleinen oder im Großen, früher oder später. Das sind alle Zeiten. Das ist die Mehrheit. Und gegen alles das, gegen die Mehrheit dieser Welt steht nur ein einziges Wort: Auferstehung. Der entscheidende Punkt in der Geschichte der sieben Brüder ist nicht, dass sie verfolgt werden, nicht dass sie gefoltert werden und sterben. Das ist banal. Entscheidend ist: Sie glauben an die Auferstehung. Die Auferstehung verbindet die Lesung und das heutige Evangelium. Auf den ersten Blick ist da vom Heiraten die Rede. Es heißt: „Nur in dieser Welt heiraten die Männer und die Frauen.“ Im Himmel gibt es keine Ehe mehr, sagt Jesus. Da regen sich wieder alle auf: Das Christentum verachtet die Ehe! Den Körper! Falsch. Es ist einfach so: In der Welt, zu der Jesus da spricht, gibt es die Ehe vor allem, damit die Familie erhalten bleibt. Allein, ohne Familie konnte keiner überleben. Eltern brauchten Nachkommen, die sich eines Tages um sie kümmern würden. Nachkommen sind aber im Himmel nicht wichtig. Vorsorge ist Quatsch im Himmel. Im Himmel braucht es keine Sorge um die Zukunft. Es ist alles da. Jetzt. Was hier gilt, gilt im Himmel nicht. Sehr einfach. Befreiend einfach. Es geht also nicht um das Heiraten, sondern um die Auferstehung. Am Ende des Evangeliums heißt es: „Für ihn sind alle lebend.“ Das ist das Schlüsselwort. Für Gott sind alle lebend. Für die meisten sind alle tot. Schon tot oder bald tot. So sehen wir den Menschen. Wien, Stadt riesiger Friedhöfe. Unter der Stadt Grüfte voller Knochen, Gebeine, Schädel. Wien: mehr Tote als Lebende. Wien, Stadt der Bibliotheken voller Namen. Namen von Toten. Internet: Bilder, die von gestern sind, also tot. Der Tod ist für uns die Realität. Für Gott ist er nichts. „Für ihn sind alle lebend.“ Kann es sein, dass Gott mehr sieht als wir? Könnten wir nicht anfangen, die Welt mit den Augen Gottes zu sehen? Mehr Leben zu sehen als Tod? Mehr Achtung vor dem Leben zu haben als Angst vor dem Tod? Mehr Achtung zu haben vor der lebendigen Schöpfung? Ein wenig wissen wir doch davon, wie Gott sieht. Durch Jesus. Er sieht den Tod ganz anders als die Leute. Wer an die Auferstehung glaubt, trennt sich von den Ansichten der meisten anderen Menschen. Er trennt sich auch von seinen eigenen Erfahrungen. Es ist immer, immer! nur eine Minderheit, die an die Auferstehung glaubt. Ich will zu dieser Minderheit gehören und ich will, dass auch Sie zu der Minderheit der Guten, der Treuen, der Gläubigen gehören! Dass wir zusammen überlegen: Wie geht das, in dieser Welt den Glauben leben? Denn ich bin sicher: Nur der ernst genommene Glaube hilft, mit dieser Welt zurechtzukommen. Für uns ändert der Tod alles. Unsere Beziehungen enden, so sehen wir das. Aber erinnern Sie sich, was Jesus sagt, als er am Bett des Mädchens steht, das alle beweinen: „Sie ist nicht tot, sie schläft nur.“ Wo wir für tot erklären, verwandelt Jesus. Wir meinen, der Tod habe das letzte Wort. Aber das stimmt ja gar nicht. „Für ihn sind alle lebend.“ Wort Gottes, nicht des Todes. Welche Macht in diesem Wort! Wegen dieses Wortes bedeutet Auferstehung leben, konkret: Das Leben behaupten. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.