24. Sonntag des Jahreskreises (C), 15. September 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Einer steigt vom Berg, einer geht in die Steppe. Einer sucht, einer findet. Wegziehen, zurückkommen. Nachbarinnen treffen sich, Leute kommen vom Weg ab. Einer denkt um, ein anderer hält durch: eine Menge Bewegung in den drei Lesungen. Eine Menge Leben. Bewegung, aber keine Hektik. Die Geschichte läuft, aber es ist Zeit. Es ist, wie wenn da einer wäre, der warten kann. Viele Details, aber trotzdem ein Ganzes. Das Ganze zerfällt nicht. Es ist wie in der Malerei: Was wie ein Gekritzel aussieht, ist in Wahrheit eine einzige Linie. Gewaltig viele Noten, aber eine Symphonie. Du schmeckst zehn verschiedene Aromen, aber es ist ein Wein. 500 Menschen, aber ein Dorf; neun Millionen Einwohner, aber eine Nation. Wenn das hält, wenn es einig ist, wenn es weitergeht, nach vorne, dann ist es gelungen. Aber was ist es, das alles hält? Was hält ein Lied oder ein Land zusammen? Und was hält die Kirche zusammen? Etwas verändert sich in der Welt, jeder spürt das. Die Gesellschaft ist am Auseinanderbrechen. Manche wünschen sich das, anderen macht es Angst. Wir hier, wir Christen wissen, dass sich Dinge entwickeln und verändern. Das schreckt uns nicht. Aber wir wollen nicht, dass alles zerfällt. Deswegen die Frage: Was ist in den ganzen Bewegungen der Punkt, der alles zusammenhält? Wo ist das Schwergewicht? Und wann zerfällt etwas? Wann zerfällt eine Familie, eine Pfarre, ein Kloster oder ein Land? Eine Antwort findet sich in den Texten dieses Sonntags. Es gibt Dinge, die alles zusammenhalten und Dinge, die zerschlagen. Faulheit, Irrtum, Bosheit: Mehr braucht es nicht, damit etwas zerfällt. Etwas zerfällt, wenn sich die Leute nichts mehr wünschen; wenn sie denken: Wir sind eh toll. Die Besten. Selbstzufriedenheit, Eitelkeit, Überheblichkeit: Da beginnt es zu faulen. Wenn nichts mehr verloren gehen kann und nichts mehr vermisst wird. Wenn das verlorene Schaf egal ist und das verlorene Geld keine Rolle spielt; wenn alle nur noch gähnen. Etwas zerfällt, wenn alle nur noch in Konkurrenz zu einander stehen. Wenn mein Mann, mein Nachbar, wenn Gott nur noch der Konkurrent ist. Dann beginnt man, sich Goldene Kälber zu basteln. Die tun nichts. Etwas zerfällt, wenn es kein Gespräch mehr gibt. In allen drei Lesungen sprechen Partner mit einander. In der Kirche wird heute viel geredet, endlos. Aber die Leute sprechen nicht miteinander. Es hört keiner (Visitationen). Etwas zerfällt, wenn das Gefühl für die Zeit verloren geht. Wenn alle die Zeit, in der sie leben, nur noch furchtbar finden; wenn keiner mehr weiß, dass Dinge und Menschen Zeit brauchen. Paulus hat davon gelebt, dass Gott ihm Zeit gelassen hat! Ehen, Dörfer, Pfarren, Länder zerfallen, wenn nichts mehr weh tun darf. Wenn Unterhaltung das Höchste ist. – Viele sind der Meinung, die Kirche müsse sich ändern. Okay. Aber ich nehme die nur ernst, wenn sie bereit sind, auch selbst den Schmerz der Veränderung zu tragen. Es können sich nicht immer nur die anderen verändern! Viele suchen Halt und Trost. Ich nehme die nur ernst, wenn sie den Frieden mit Gott suchen und nicht nur ihr dumpfes Sofa. Heute ist das Fest Kreuzerhöhung, morgen das Fest Mariä Schmerz. Maria hat Frieden im Herzen, weil sie wirklich glaubt. Aber sie sitzt nicht im Gemütlichen, sie steht beim Kreuz. Der Glaube und der Schmerz halten uns zusammen. In den Lesungen haben wir mit Menschen zu tun, die Entscheidungen treffen, sich irren, sich korrigieren, die etwas einsetzen. Aber da ist kein Blödsinn. Es geht bei diesen Menschen um die Fragen: Wer bin ich? Was ist das Ziel? Was ist wichtig? Es geht um Verlust, um Suchen, um Wiederfinden; um Treue und Bruch der Treue und neues Verstehen. Um eine Wachheit, die mehr sehen lässt als nur den Augenblick. In den Texten dieses Sonntags geht es um das, was alles zusammenhält. Es ist nicht einfach so da; es kann verloren gehen; es muss erarbeitet werden. Wenn der Zusammenhalt verloren ging, muss er neu gesucht werden. Das, was alles zusammenhält, ist nicht zu benennen. Es gibt keinen Punkt, auf den man zeigen kann und rufen: Da ist es. Und dennoch spüren alle, wenn es fort ist. Die drei Lesungen zeigen uns: Um zusammenzuhalten, müssen wir nicht alle gleich sein, auch nicht am gleichen Ort. Die Lesungen spielen an ganz unterschiedlichen Plätzen, in verschiedenen Zeiten. Austausch muss sein; das ist sicher. Irgendeine Art von Zuneigung. Zeit. Erinnerungen. Freiheit. Lebendigkeit. Und Geborgenheit. Damit sind wir bei Gott. Ich zaubere ihn nicht als Notlösung aus dem Hut. Ich glaube an Ihn! Er ist da in allen drei Texten, in allen Zeiten, bei all den verschiedenen Menschen. Gott ist es, der zusammenhält. Und er ist mehr als der geheimnisvolle Lenker oder geduldige Beobachter. Paulus schreibt: „Er hat mich für treu gehalten.“ Das ist der Punkt. Gott sieht, was ich selbst noch nicht sehen kann. Gott gibt mir Zeit. Gott gibt uns einen Auftrag. Gott lässt uns frei und hält uns doch. Was gibt das eine Ruhe, sagen zu dürfen: Gott hält mein Leben in seiner Hand! Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.