Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Montag der 23. Woche im Jahreskreises, 9. September 2019

09/09/2019 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Es könnte schlimmer sein. Andere haben es viel schwerer.“ Solche Sachen sagt man, wenn klar ist: Jetzt ist es da. Jetzt ist nicht mehr nur ein Verdacht, nicht mehr nur eine Möglichkeit: Jetzt ist das Leiden da. Das echte Leiden, das keiner mehr bestreiten will. Beim toten Kätzchen sagen die Erwachsenen ja bald: „Aber es war doch nur ein Tier!“ Sie nehmen dir das Leiden weg, sagen: „Das zählt doch nicht.“ Und das Kind schämt sich. Was ist das erste Leid, an das Sie sich erinnern? Der allererste große Schmerz? Es war in ihrer Kindheit, oder? Alle Leiden. Irgendwo wird immer gelitten. Das Leben beginnt mit einem Schrei und endet mit einem Seufzen.

Man leidet, aber traut sich nicht, sein Leiden zu behaupten. Das tut man nicht. Man ruft nicht: „Ich leide!“ Es muss also verglichen werden. Klein gemacht werden. Zahnweh ist klein, Rückenweh ist groß. Krebs ist noch größer. Vielleicht schweigt man irgendwann ganz. Weil die anderen es nicht mehr hören wollen oder weil man selber keine Worte mehr hat. Nicht die richtigen.

Das Leiden ist nichts Träges; es ist nicht faul. Das Leiden ist eine ganz neue Aktivität. Es treibt uns hinaus und wieder hinein. An die Enden. „Warum ich?“, fragt man dann. Die Leute stellen sich nie hin vor die Welt und fragen sie: „warum ich?“ Das fragen sie immer nur Gott. Sogar die, die nicht an Gott glauben. „Warum ich?“ Eine Antwort kommt nie, scheint es. Aber es kommen Gedanken, die vorher nie waren. Leiden kann öffnen. Es verändert alles. Meine Beziehungen, meinen Körper, meine Seele, meine Werte, mein Betragen. Es führt mich weit, in Welten, die ich nie kennen wollte. Aber über das Ziel sagt es nichts. Das Leiden schweigt (– und ich rede hier über das Leiden und darf das vielleicht gar nicht, weil ich keine Ahnung habe).

Der Gläubige schämt sich, wenn er leidet. Weil er jetzt das Vorurteil der Ungläubigen bestätigt. „Ihr mit euren Kreuzen und Märtyrern!“ Und dann sind die Märtyrer plötzlich wieder da, wo man doch geglaubt hatte, sie seien nur in alten Bildern, mit ihren verdrehten Augen und weißen Leibern.

Nicht hinsehen. Übermalen. Wegtönen. Aber das Leiden bricht wie Schimmel durch die weiße Wand. Es dringt ans Ohr wie der Wecker in der Nachbarwohnung, den keiner abstellt. Da ist es doch besser, gleich ein Kreuz aufzuhängen und von Jesus zu erzählen.

„Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage.“ Paulus. Vielleicht hat er auch keine Ahnung. Vielleicht redet er sich’s nur schön wie es alle tun, die an irgendetwas glauben, irgendwas mit Himmel. Vielleicht sind das alles Feiglinge. Vielleicht aber auch nicht. Paulus zeigt einen – nein, keinen Ausweg –, einen Weg durch das Leiden. Damit man nicht einfach nur steckenbleibt im Leidensdreck.

In der Kirche wird das Leiden nicht weggekitscht. Das Evangelium ist keine süße Pille. Hier träumt man sich nicht fort. In der Kirche wird das Leiden eine Aufgabe. Die Kirche ist ja „die Gemeinschaft der Heiligen“. Die darin sind, haben eine Aufgabe. „Für den Leib Christi, die Kirche ergänze ich, was an den Leiden Christi noch fehlt.“

Normalerweise ist Leiden sinnlos. Es schneidet nur ab, es verbindet nichts. Normalerweise macht das Leiden einsam. Wer könnte dich schon verstehen? Nicht einmal der, der selbst gerade leidet, zur selben Zeit. Keiner versteht. Das ist das Normale; das ist die Welt. Die Kirche ist anders. „Christus ist unter euch. Er ist die Hoffnung auf Herrlichkeit.“ Das ist die Kirche. In der Kirche bewirkt das Leiden Gemeinschaft. Es führt zusammen. Denn wer leidet, leidet zusammen mit Ihm. Er leidet mit Christus. „Um die Gemeinschaft mit Christus vollkommen zu machen“, darum geht es in der Kirche. Das Leiden wird zur Aufgabe. Es wird priesterlich. Ein Dienst, der erlöst. Warum? Weil das Leiden Jesu nicht steril ist. Es erlöst die Welt. Das Kreuz ist die große heilige Messe.

„Für den Leib Christi, die Kirche ergänze ich, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ Christus hat das Leiden erhoben auf den Berg der Erlösung. Er hat das Leiden dienstbar gemacht, nützlich, beinahe schön: alles, was es in der Welt nicht ist. Darum kann jeder, der leidet teilhaben am erlösenden Leiden Christi. Er muss nur sagen, vielleicht mit letzter Kraft: „Mit dir zusammen! Für den. Und für die. Für sie alle!“

Das Leiden Christi hat die Welt erlöst; es fehlt nichts. Aber sein Leiden ist nicht abgeschlossen. Denn das Herz des Erlösers tut sich auf, unablässig, bis zum Jüngsten Tag. Es öffnet sich für das Leiden der Menschen. Christus nimmt Ihr Leiden auf. Ihres, in sein Herz! Er leidet Ihr Leiden. In diesem Sinn „ergänzt“ der Mensch, der mit Christus zusammen leidet die Erlösung.

So ist der, der leidet, schwach und stark zugleich. Wer nicht allein leidet, wer nicht einfach nur leidet, sinnlos, steril, sondern zusammen mit Christus, der schöpft Kraft aus Christus. Sein Leiden wird schöpferisch. Mit dir! Für sie! Das ist der Weg.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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