14. Sonntag im Jahreskreis, 7. Juli 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Ohne Jerusalem kein Mailberg. Ohne Jerusalem keine Malteserkirche. Jerusalem ist eine Stadt im Orient. Sie ist sehr alt. Um Jerusalem streiten sich zwei Nationen, drei Religionen und viele Konfessionen. Die Bibel spricht oft von dieser Stadt. Und weil es die Bibel tut, tut es die Kirche auch, in ihren Gottesdiensten. Jerusalem! Muss uns das interessieren? Nein. Alte Städte sind genauso wurst wie neue. Wir sind weder Kunsthistoriker noch Politiker noch Tourismusmanager; wir können die Hl. Messe auch in einem Keller feiern. Also Jerusalem streichen? Das Wort der Lesung – „in Jerusalem werdet ihr getröstet“ – bedeutet also nichts? Bedeutet das meiste, was in der Kirche geredet wird, nichts? Alte fromme Worte, unwichtig – so werden sie von vielen behandelt. Lesungen, Lieder, Gebete: Die meisten Katholiken nehmen die Worte nicht ernst. Kann man sie also streichen? So einfach ist das nicht. Warum nicht? Weil die Kirche verstanden hat, d. h. alle, die die Bibel gelesen und gehört haben, immer wieder, alle, die das Wort Gottes verstehen wollten und sich leiten ließen von den Heiligen und Lehrern: Sie alle haben verstanden, dass die Bibel nicht nur wörtlich zu nehmen ist, sondern auch symbolisch. Konkret: Jerusalem ist eine Stadt im Orient; Jerusalem ist aber auch ein Symbol. Jerusalem symbolisiert das Volk Gottes. Also die Kirche. Also die Seele. Wann immer Sie hören „Jerusalem“, in den Psalmen z. B., können Sie denken: Es geht um meine Kirche, um meine Seele. Das neue Volk Gottes ist die Kirche, und die Kirche ist zuerst nicht in Rom, sondern in der Seele: da, wo ein Mensch glaubt und liebt. Wo Menschen an Christus glauben und Gott und den Nächsten lieben, da ist die Kirche, das himmlische Jerusalem. In Ihnen. In Ihrer Seele. Wenn da nun in der Lesung steht: „Freut euch mit Jerusalem und jubelt alle, die ihr unsere Stadt liebhabt!“, dann heißt das übersetzt: „Freut euch mit der Kirche und jubelt alle, die ihr die Kirche liebhabt.“ Über die Kirche jubeln? Die Kirche liebhaben? Heute? Mit einem umstrittenen Papst, mit dem Verschwinden der vertrauten Volkskirche, mit dem Aussterben der Priester, Skandalen ohne Ende? Wie sollen wir über die Kirche jubeln? Sollen wir uns über die Kirche freuen, weil es den Papst Franziskus gibt? Oder weil sich endlich die Frauen in der Kirche auflehnen? Oder wegen den vielen jungen Christen in Afrika und Asien? Oder weil Heiligenkreuz blüht und gedeiht? Oder weil die alten Klöster geschlossen werden? Sie merken: Auf dieser Ebene funktioniert das nicht. Das führt bestenfalls zu einem Aufeinandertreffen von Leuten, die sich freuen und solchen, die sich ärgern. Was die einen freut an der Kirche, ärgert die anderen, und dabei bleibt es dann. „Freut euch mit Jerusalem, freut euch mit der Kirche!“ Es hilft auch nicht zu sagen: Das sind doch nur Prophezeiungen, das kommt in der Zukunft, wenn alles gut wird. Leute, die auf die Zukunft vertrösten, sind meistens solche, die in der Gegenwart tun wollen, was ihnen gefällt. Jesus sagt: „Heilt die Kranken, die dort sind und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.“ Sie haben es gehört. Also jetzt, hier, nicht irgendwann einmal. Jetzt und hier müssen über die Kirche jubeln. – Entweder die Hl. Schrift ist nur leeres Geplapper oder sie hilft uns, einen ganz neuen Blick auf die Kirche zu gewinnen. Wo also ist der Friede, der „wie ein Strom“ zur Kirche geleitet wird? Wo der „Reichtum der Völker“, der in die Kirche fließt? „In Jerusalem werdet ihr getröstet.“ – Wo ist der Trost in der Kirche? Wo ist die Kirche? Die katholische, d. h. die universale Kirche nimmt alles auf, alle Kulturen, alle Sprachen, alle Zeiten, alle Länder, jeden Menschen: den „Reichtum der Völker“ (Petersplatz). Die Kirche ist von ihrer Natur her weit, anders als die Nation und der Staat. „Freut euch mit Jerusalem!“ Was kann uns an der Kirche freuen? Ihre berühmten Persönlichkeiten? Ihre Kultur? Wissen, Schätze, Weisheit? Freuen uns die guten Werke der Kirche (von denen es viel mehr gibt als schlechte)? Es sind ganz andere Dinge, die die Freude der Kirche sind. Ein Kind, das innig betet; eine Mutter, die zurücktritt um ihrer Kinder willen; ein Vater, der Verantwortung übernimmt; ein Priester, der sich selbst vergisst; ein Lied, das zum Gebet wird; die Stille, die nicht leer bleibt; ein Wort des Herrn aus dem Evangelium; eine gewonnene Schlacht, gewonnen gegen die Versuchungen. Die Gegenwart, die über die Leere siegt. Menschen, die glauben und Gott, der da ist. Das ist die wahre Kirche. Das ist die Freude. Wo also ist der Friede, der „wie ein Strom“ zur Kirche geleitet wird? Im Herzen. Sie haben die Kirche in Ihrer Seele. Aber Sie meinen, die Kirche könne man nicht lieben. Sie verzweifeln an der Kirche. Sie haben nicht mehr viel, das Ihnen Hoffnung macht. – Die Kirche, die wir sehen, ist gespalten und entmutigt. Aber was ist mit der Kirche, die wir glauben? Wir schauen nicht tief genug. Nicht in die Herzen. Dort gründet Gott die Kirche. Die Reinheit des Glaubens ist zuerst im Herzen. Die Hoffnung auch. Die Sakramente (…) wirken zuerst im Herzen. Ein Gebet wird echt erst dann, wenn es aus tiefer Seele kommt. Die Erneuerung beginnt an dem Punkt, den wir am eifersüchtigsten hüten oder erst gar nicht anschauen: im Herzen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.