Gedenktag U. L. F. von Lourdes, 11. Februar 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die Erde ist trocken. Hart. Doch das Mädchen lässt nicht ab. Sie gehorcht. Sie gräbt mit bloßen Händen (gibt es wirklich Leute, die sich um gepflegte Nägel sorgen?). Sie schwitzt, ächzt, gräbt immer weiter. Und da, endlich!, Wasser. Erst dreckig, schlammig, braun. Dann klares Wasser. Der Boden ist hart, und die Grotte ist aus Stein. Stein bleibt verschlossen, wenn ihn nicht einer bricht. Erde bleibt unfruchtbar, wenn nicht einer sie aufreißt. In Lourdes fließt bei hartem Stein das Wasser, das Wunder wirkt. Lourdes, wie wir es uns vorstellen: Lichter in der Nacht, Lieder, die selbst Männer zum Weinen bringen. Ein junges Mädchen. Wir sind sicher, dass sie sanft war und Maria eine stille vornehme Dame. „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.“ Worte, die niemandem gefährlich werden können, oder? Wir sehen in Lourdes Gläubige. Hoffende, Gott ergebene Kranke. Barmherzig helfende Ordensritter. Gute Priester. So hat Lourdes nicht begonnen. Am 11. Februar 1858 ist Bernadette Soubrious 14 Jahre alt. Zwischen Mädchen und Frau. Ohne jede Bildung. Von Kindheit an krank. Die Familie im Armenasyl gelandet. Arbeit als Schweinehirtin und Bedienung. In dieser Welt war Bernadette das Schlusslicht, überfordert, verdächtigt ihr Leben lang, von den Priestern, von den Gelehrten, von den Nonnen. Ein von der Welt verlassenes Mädchen. „Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, sondern in der anderen“, hatte ihr die Erscheinung gesagt. Mehr verspricht Gott keinem von uns. Im Kloster fragt eine der Schwestern Bernadette: „Was macht man mit einem Besen? – „Man kehrt.“ – „Und wenn man gekehrt hat?“, fragt die Schwester. Und gibt gleich selbst die Antwort: „Dann stellt man den Besen in die Ecke.“ – „Eben“, erwidert Bernadette. „Maria hat mich benutzt und nun in die Ecke gestellt. Das ist mein Platz.“ So, wie wir geworden sind, dürfen wir nicht bleiben. Denn wer von uns wird immer offener mit der Zeit? Das Leben – das ohne Gott – schließt. Der Körper weigert sich. Mit jeder Entscheidung, die wir treffen, wird der Weg schmaler. Verwundungen werden harte Narben. Jede Antwort schließt das Fragen. Die Gnade öffnet. Wir feiern diese Messe für das Seelenheil eines jüngst verstorbenen Ordensmitglieds: Seine Exzellenz, Erzbischof Dr. Georg Zur, ehemals Apostolischer Nuntius in Österreich, Konventualkaplan des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens, Großkreuz ad honorem. – Wissen Sie, wie die Nuntien enden? Diese Männer, die einmal Boten des Papstes waren, vor allen anderen Botschaftern in den Festsaal traten, Macht hatten, sie enden als alte, kranke, einsame, vergessene Priester, denen man höflich zuhört, wenn sie die immer gleichen Geschichten erzählen. Gottes Hand reißt das Erdreich auf. Die Gnade wird uns nicht lassen, wie wir sind. Bernadette wird bearbeitet, ein Nuntius, wir hier. Das ist die Kirche: Seelen, die von Gott bearbeitet werden. Dass der Papst Gesandte hat, dass es ein Recht gibt und Politik, Theologie und Finanzen, ist recht. Denn das Wort ist Fleisch geworden in dieser Welt. Am wahrsten aber ist die Kirche in den Armen und den Kranken, im Glauben, im Beten und Leiden, in denen, die man weggeworfen hat, gleich ob Bernadette oder der alte Nuntius. Ins Eck gestellte Besen. So scheint es. So scheint es, weil wir Gottes Glanz nicht sehen und seine Taten auch nicht. Weil wir vergessen, dass die Weggestellten Kirche sind. Jeder Priester, der die Messe zelebriert, hat für Georg Zur gebetet: „für die Gemeinschaft der Bischöfe.“ Und Bernadette wurde in ihrem Eck „Gabe, die Gott wohlgefällt“. In der Lesung ist die Rede vom „Reichtum der Völker“. Der Glaube erkennt: Das sind die Kranken. Die, die sich elend fühlen an Leib und Seele. – Da ist die Rede vom „frischen Gras“. Frisches, grünes Gras kommt aus der dunklen Erde. Aus dem Dreck des Lebens. Die Gnade öffnet. – Da ist die Rede von den „Kindern“, die man „auf den Armen tragen“ wird. Diese Kinder Gottes, das sind die Kranken, die die Ordensritter auf ihren Armen tragen hin zur Quelle. Gott bearbeitet uns alle. Die einen durch Krankheiten. Die anderen durch Wunder. Es gibt nicht viele Wunder in Lourdes. Aber unzählig viele Wunder in der Kirche. In jeder Messe geschieht ein Wunder. Brot und Wein werden verwandelt. Um uns zu verwandeln. Gott lässt uns nicht, wie wir sind. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.