5. Sonntag im Jahreskreis (C), 10. Februar 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes. In einem berühmten Buch steht Folgendes: „Jedes Leben besteht aus vielen Tagen, immer einer nach dem anderen. Wir schreiten durch uns selbst dahin, Räubern begegnend, Geistern, Riesen, alten Männern, jungen Männern, Weibern, Witwen, warmen Brüdern. Doch immer im Grunde uns selbst“ (Joyce, Ulysses). Das ist ein bisschen schräg, aber auch schön und richtig. In einem noch berühmteren Buch steht: „Sie“ – die Engel nämlich – „riefen einander zu und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr. Die Erde ist voll von seiner Herrlichkeit.“ Ein bisschen fromm für unsere Ohren, aber auch richtig. Was stimmt nun: Bloß Leben oder Herrlichkeit? Tag um Tag, Schritt für Schritt, viele Begegnungen, viel zu tun, alles ohne echten Sinn: Ist das das Leben? Oder ist da irgendwo Herrlichkeit? Anders gefragt: Menschenfeind oder Menschenfreund, was sind Sie? Achten Sie die Menschen gering – also nicht Ihre Lieben, aber den Menschen, die Menschheit? Oder bewundern Sie den Menschen? Die Engel, die von Gott aus sehen, bewundern den Menschen. „Die ganze Erde ist voll von der Herrlichkeit Gottes“, rufen sie einander zu. Damit ist nicht gemeint der Stephansdom, die H-Moll-Messe von Bach, der Niagarafall, ein exzellenter Wein oder ein Skispringen. Die Herrlichkeit dieser Erde ist der Mensch. Man glaubt es kaum angesichts dessen, was Menschen tun (…) und doch ist es wahr. Und es ist wichtig, das zu sehen und zu wissen. Herrlich sind nicht nur die Schönen, Jungen, Reichen, Berühmten. Sie hier sind herrlich. Sie sind herrlich, weil Sie sich nach Wahrheit sehnen. Jeder Mensch tut das, sogar dann, wenn er lügt. Wahrheit, das bedeutet: vernünftig sein, die Realität wahrnehmen. Das bedeutet Wissenschaften; Weisheit, in der Verstand und Erfahrung zusammenwirken; Klugheit, die sich vornimmt zu handeln und zwar so gut wie möglich. Weil der Mensch sich nach Wahrheit sehnt, hat er ein Recht auf Unterweisung und die Pflicht sich zu bilden. Sich bilden, das meint nicht: Bücher lesen, sondern ein Mensch werden. Der Mensch ist herrlich, weil er das Gute will. Sogar wenn das Gute ganz fern ist, im Irrtum, im Bösen oder im Leiden: Die Sehnsucht nach dem Guten wird nie still. Da geht es nicht um Pflicht, nicht mit Müssen und Sollen: Das Gute rührt und bewegt uns ganz von selbst. Weil das Gute auch das Liebenswerte ist und das Begehrenswerte. Was gut ist, macht glücklich. Der Mensch ist herrlich, weil er glücklich sein kann. Sie alle können das. Der Mensch ist herrlich, weil er sein will, leben will, bleiben will. Auch wenn das Leben manchmal zu schwer wird. Unser tiefer Wunsch zu sein äußert sich in der richtigen Selbstliebe, in der Achtung für die Gesundheit, im Sinn für die Realität, in der Freude am Nützlichen, in der Begeisterung für den Fortschritt. Wenn dazu noch Tapferkeit kommt und Hoffnung, sind wir bereit, uns dem Leben zu stellen. Gerne! Der Mensch ist herrlich, weil er nicht allein bleiben will. Der Mensch hat die natürliche Neigung, in Gemeinschaft zu leben. Er hat einen Sinn für den anderen, er will kommunizieren, verstehen und verstanden werden. Wer mit anderen leben will, liebt die Tugend der Gerechtigkeit, die will, dass jeder bekommt, was er braucht. Über der Gerechtigkeit noch die Freundschaft, in der zwei Menschen das Gute für einander wollen. Für uns Christen ist das Erste also nicht der Kampf aller gegen alle. Weil Menschen Sehnsucht nach Gemeinschaft haben, sind Familiengefühl, Freundschaft, Nationalgefühl, Solidarität lange vor dem Streit. Der Mensch ist herrlich, weil er sich fortpflanzen will. So hat Gott ihn gemacht. Die Freude am Sex ist nichts bloß Biologisches; sie betrifft die ganze Persönlichkeit, Gefühle, Erziehung, Liebe der Partner. Diese natürlichen Neigungen sind das Grundgesetz des Menschen. Es ist in uns, immer da, dem Herzen eingeschrieben von Gott, der den Menschen nach seinem Bild erschaffen hat. Dieses innere Gesetz bewirkt das Gute. Weil es ja von Gott kommt: Klarsicht statt Selbstverachtung. – Freude am Sein mehr als am Besitz oder an der Bewunderung. – Fähigkeit zur Freundschaft. Solidarität statt Zerfall. Respekt statt Verachtung. – Wachstum und Fortschritt und zwar im Guten (!). – Nicht Leistung und Verbissenheit, sondern Maß, Klugheit, Leichtigkeit, Freude sogar. Das alles muss man lernen. Am Anfang ist es mühsam, wie alles, was man lernen muss; aber dann wird das Gute leicht und schön. Gott macht das, die Gnade. Der Mensch wird aufrecht, ein Meister. Und so wird der Mensch herrlich. Eine Herrlichkeit zur Ehre Gottes. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.