Vézelay III – oder eine Reise mit „family and friends“ ins romanische Burgund
Eine alte Kulturlandschaft, viele Kirchen, französische Küche, traumhaftes Wetter und das heiß ersehnte Dessert – auch die nunmehr dritte Reise nach Vézelay war eine ganz besondere. Nach wiederholten Anfragen gab es im Juli 2018 die dritte Auflage der beliebten Vézelay-Reise. Insgesamt waren wir 35 Teilnehmer im Alter zwischen zwei und 85 Jahren – Malteser, Betreute in Rollstühlen und Pilger, davon sieben Kinder und Jugendliche – dementsprechend eine Reise auch unter dem Motto „family and friends“. Wie immer haben uns die Schwestern der Fraternités Monastiques de Jérusalem mit offenen Armen empfangen. Daß wir deren Gästehaus mehr oder weniger übernehmen und komplett nach unseren Vorstellungen umgestalten, wissen und akzeptieren sie bereits.   Die Gegend ist seit Urzeiten besiedelt. Unweit von Vézelay wurden in einer Tropfsteinhöhle prähistorische Malereien gefunden. Vézelay selbst, auch „colline éternelle“, ewiger Hügel, genannt, war schon zur Römerzeit besiedelt und liegt sehr malerisch über Feldern und Weinbergen. Die Basilika ist der Ãœberrest einer der ältesten Benediktinerabteien Frankreichs, die im 9. Jahrhundert gegründet wurde. Was also macht die Faszination von Vézelay aus, einem zwar sehr malerischen, aber doch mitten in der französischen Provinz gelegenen Ort mit nur 433 Einwohnern? Einem Ort, der tagsüber manchmal von Touristen überschwemmt wird und an dem sich abends Fuchs und Hase gute Nacht sagen? Die Reliquien der hl. Maria Magdalena, die hier verehrt werden? Die wunderschönen mehrstimmig gesungenen Liturgien der Fraternités? Die faszinierende Basilika aus dem frühen 12. Jahrhundert? Den einen Grund gibt es nicht. Es ist das Gesamtpaket einer unglaublich schönen Woche, die wir nun zum Teil schon zum wiederholten Mal gemeinsam, zum Teil in neuer Besetzung, in einer alten Kulturlandschaft mit einigen der schönsten Kirchen Frankreichs verbringen konnten und bei der sich nicht nur die „alten Hasen“ wie bei Freunden fühlen konnten. Das Programm war diesmal teilnehmerbedingt etwas familienfreundlicher gehalten, nichtsdestotrotz kam die Spiritualität auch in dieser Woche nicht zu kurz. In der Basilika haben wir in den mehr als 100 verschiedenen Kapitellen und dem romanischen Tympanon im Narthex wie in einer „Bibel aus Stein“ gelesen und die darin „verbaute“ Symbolik und Architektur des Lichts bewundert. Ein weiterer fixer Programmpunkt war wie in den Vorjahren der Ausflug nach Fontenay, zu einer von Bernhard von Clairvaux gegründeten ehemaligen Abtei mit der ältesten erhaltenen Zisterzienserkirche – und ebenso ein Sehnsuchtsort. Auch kleinere Kirchen kamen nicht zu kurz: die romanische  Franziskanerkapelle „Sainte Croix“ oder „La Cordelle“ am Fuße des Hügels von Vézelay, in der wir Vesper gefeiert haben, St. Lazare in Avallon, die letzte im romanischen Stil erbaute Kirche im Burgund, oder die Basilika Notre-Dame in Beaune mit wunderbaren mittelalterlichen Wandteppichen. Das spirituelle Motto dieser Reise war dem Psalm 150 entnommen: „Alles, was atmet, lobe den Herrn!“ In diesem Sinne feierten wir die hl. Messen an ganz verschiedenen Orten: u.a. in der Basilika von Vézelay, im Garten unserer Unterkunft, in der romanischen Kirche von Pontaubert. Auch die Laudes und die Vesper waren Fixpunkte ebenso wie die nächtliche Anbetung im ehemaligen Kapitelsaal von Vézelay. Natürlich durfte auch ein Besuch im wohl berühmtesten ehemaligen Krankenhaus Frankreichs, dem  Hôtel-Dieu in Beaune, nicht fehlen. Die gotische Architektur und die buntglasierten Dachziegel des Innenhofs machen aus dem Hôtel-Dieu ein Wahrzeichen Burgunds. Die Stadt selbst „atmet“ Wein, gefühlt werden in jedem zweiten Geschäft die regionalen Spezialitäten Wein und Senf verkauft. Und auch das Hôtel-Dieu selbst verfügt über ca. 60 ha Rebflächen. Der Wein wird seit Jahrhunderten jedes Jahr versteigert; die Erlöse dienen dem Erhalt der historischen Gebäude und der Ausstattung eines modernen Krankenhauses. Zwei Nachmittage und Abende durften wir bei unseren Malteserfreunden und Ordensmitgliedern Etienne und Marie-France de Certaines im Château de Villemolin verbringen, das seit 500 Jahren in deren Familienbesitz ist. Und wie immer standen uns – zur großen Freude insbesondere der jüngeren Teilnehmer und der Betreuten – der  Pool zur Erfrischung und der Garten zur Entspannung offen. Zu den Abendessen wurden wir wie immer fürstlich bewirtet. Der wunderbare Abend im Schloßhof wird uns allen lange in Erinnerung bleiben. Und zur großen Freude der maltesischen „Wiederholungstäter“ gab es zum Dessert wieder die von der Gastgeberin selbst gemachte legendäre Eistorte! Apropos Kulinarik: Bei dieser an Höhepunkten ohnehin reichen Reise durfte natürlich auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen: boeuf bourguignon, oeufs en meurette, jambon persillé, viel Käse, Clafoutis … – wir haben uns durch die burgundische Küche und die französische Patisserie probiert. Und gute Tropfen in verschiedenen Formen haben auch nicht gefehlt. Zwei weitere Höhepunkte sind es wert, besonders erwähnt zu werden. Erstmals konnten wir eine offizielle Ordensmesse gemeinsam mit unseren französischen Ordensfreunden feiern, wofür die nur wenige Kilometer von Vézelay entfernte romanische Kirche von Pontaubert geradezu prädestiniert ist: Sie gehörte einst zu einer Malteserkommende! Knapp 20 Ritter und Damen zogen am französischen Nationalfeiertag in Kukulle und Cape unter lautem Glockengeläut in die mit Malteserfahnen reich geschmückte Kirche ein. Im Anschluß an die Messe begrüßte uns die Bürgermeisterin und lud uns auf einen Aperitif ein, bevor wir zum „kleinen Landhaus“ eines weiteren Malteserfreundes weiterzogen – es stellte sich schließlich als das Château d’Orbigny heraus, in dessen Park wir ein Picknick genossen und einen erholsamen Nachmittagsspaziergang machten. Spiritueller Höhepunkt war für die meisten Teilnehmer ein abendlicher Besuch in der Basilika von Vézelay. Der dortige Prior vertraute uns den großen Kirchenschlüssel an, so daß wir ganz allein in der Abenddämmerung und bei immer schwächer werdendem Licht mit Kerzen in der Hand vom Narthex durch die ganze Basilika wanderten. Und nur für uns sorgte Gunhard mit seinem Saxophon für eine so berührende Atmosphäre, daß manchen von uns die Tränen in die Augen stiegen – und spätestens als wir in dem dann schon ganz dunklen Kirchenraum im Kerzenschein die „katholische Nationalhymne“, das „Großer Gott, wir loben Dich“, anstimmten. Ein Gefühl großer Freude und Dankbarkeit begleitete uns während dieser außergewöhnlichen Woche.