Dienstag der 33. Woche im Jahreskreis, 21. November 2017
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes 160 vor Christus – 2017 nach Christus… und nicht einmal die Protagonisten haben sich geändert. Alles gleich. In den Erklärungen zu den Texten der heutigen Messe heißt es: „Mit aller Gewalt wollten die syrischen Herrscher ihre Staatsreligion auch den Juden aufzwingen.“ Syrer und Juden: modern, oder? Eine Religion unterdrückt eine andere: auch bekannt. Der Tempel in Jerusalem wird entweiht und nach dem griechischen Gott Zeus benannt. Wenn Sie nicht gleich ermessen, was das bedeutet, malen Sie sich aus: Der Stephansdom wird eine Moschee, die Bilder darin werden abgehängt; das Maria-Pötsch-Bild wird versteigert. Oder denken Sie: Die Lutheraner werden Eigentümer des Petersdomes. Man kann natürlich – intellektuell-liberal – sagen: Hauptsache, irgendeine höhere Macht. Hauptsache, es gibt Transzendenz-Räume; Namen und Konfessionen sind zweitrangig, überholt. Zu der Zeit, in der das Buch der Makkabäer spielt, will der Staat erzwingen, dass die jüdischen Bräuche verschwinden. Für solches braucht es heute keinen Staat, das besorgt die Gesellschaft selber. Die, die beklagen, dass die christliche Kultur in Österreich verloren geht, sind die ersten, die nicht mehr in die Messe gehen und zum dritten Mal geschieden und wieder verheiratet sind, für die Advent nur noch bedeutet: Glühwein. Es gab damals die Liberalen und die Gesetzestreuen. Liberale kommen überall durch, Gesetzestreue manövrieren sich in alle Sackgassen. Die gesetzestreuen Juden hatten die Option des Martyriums. Auch eine Sackgasse. Etwas für Fanatiker, oder? Das ist doch der allgemeine Konsens. Wir haben diese Option nicht. Weil wir ja keine Fanatiker sind. Nebenfrage: Für was würden Sie Ihr Leben geben? Oder einfacher: Für was würden Sie auf die Straße gehen? Ich frage mich immer wieder: Würde ich demonstrieren, wenn man die lästigen Bettler einfach alle internierte? Würden Sie demonstrieren, wenn man heute z. B. alle Homosexuellen in ein Lager stecken würde? Wie viel Spielraum geben Sie sich? Und wie viel Spielraum haben wir tatsächlich? Darum geht es in der Lesung. Wir sind festgefahren, sehen keinen Ausweg. – Ich jedenfalls, denn ich will mir die Dinge nicht einfacher machen als sie sind. Was also tun? Die Heilige Schrift genauer ansehen. Ernst sein, hinschauen, denken… Wer freilich die Lösung immer schon kennt, braucht das alles nicht. Wer genauer hinsieht, wird entdecken, dass es in der Lesung auch noch um andere Themen geht: das Verhältnis zwischen den Generationen, zwischen Alten und Jungen. Die Tugend. Die Bedeutung des Beispiels. Eleasar sagt zwei Sätze, die wir uns merken sollten: „Wer so alt ist wie ich, soll sich nicht verstellen.“ Und: „Der Jugend aber hinterlasse ich ein Beispiel…“ Der fromme Mann argumentiert erstaunlicherweise nicht mit Gott, sondern mit der Wirkung auf andere. M. a. W. er nimmt sich ernst – und die anderen auch. Er hat einen Sinn für die Gemeinschaft der Menschen unter einander. Und einen Sinn dafür, wann es ernst wird. Erwachsene, das sind Menschen, die nicht spielen. Alte, das sind Menschen, die ein Beispiel geben. Die also wirken. Eleasar könnte feinsinnige Unterscheidungen treffen. Wie diese: Das Gebot, kein Schweinefleisch zu essen, steht nun wirklich nicht im Zentrum des Glaubens. Hauptsache, das Zentrum, Gott, bleibt unangetastet, – die Peripherie, Riten und dergleichen, kann man opfern. So subtil ist er aber nicht. Eleasar könnte sich mit einem Trick retten. Man bietet es ihm ja an. Aber dieser alte Mann glaubt: Das Zeichen, das ich anderen gebe, das zählt. Nicht das Rechthaben, nicht das Stärker-sein als andere, sondern Verantwortung vor anderen, vor der Zeit: Das ist der Weg. Was eine Idee des Alters: Alter als Zeit der Verantwortung für andere, für die Gesellschaft! Verantwortung in der Zeit, – die sich von außerhalb ergibt. Denn, Sehen Sie, für diesen Mann geht es nicht um die Treue zu den Regeln, sondern darum, dass die Regeln von Gott her kommen, d. h. von woanders her. Eleasar denkt nicht an sich, sondern an die anderen. D. h. er macht sich auf und denkt von woanders her. Schließlich ist dieser Mann tapfer. Tapferkeit, Stärke aber, das ist eine Gabe. Gegeben vom Heiligen Geist. Von außen, von woanders her. Mit all dem wird der Gedankenkreis geöffnet. Das ist die Chance. Das ist es, was die aktuelle Diskussion, auch unter Katholiken, versäumt. Sie bleibt völlig immanent, im System. Woher soll da die Bewegung kommen? Die Lösung? Die Menschen, die wir in den Lesungen treffen, rechnen mit der Ewigkeit. Wir nicht. Dabei würde doch die Idee der Ewigkeit, die Existenz einer anderen Realität den Umgang mit der Realität hier verändern. Wenn ich an die Ewigkeit glaube, handle ich hier anders. Für die treuen Juden und für die frühen Christen ist die Zeit, – die Zeit, in der sie leben – etwas, das unter der Macht der Ewigkeit steht. Die Ewigkeit drängt in die Zeit und hinterfragt sie. Das stille Warten des Glaubens erschüttert die Zeit und die Welt. Die Christen glaubten (glauben!): ER wird wiederkommen in Herrlichkeit. Das nimmt den Dingen ihre lastende Dichte, den Ordnungen ihre Sicherheit, den Planungen ihre Zuverlässigkeit. Eleasar ist nicht starr, sondern beweglich. Bewegt vom Heiligen Geist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.