Fest des hl. Dominikus, 8. August 2016
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Franziskus“ – weil alle Franzikus lieben. Franziskus zieht sich aus, auf dem Marktplatz von Assisi, wirft seinem Vater die reichen Kleider hin, geht nackend weg und wird ein Heiliger. Das haut rein, das vergisst keiner, das gefällt allen. Bis heute.
Dominikus hingegen – verschwindet. Der Zeitgenosse des hl. Franz macht sich vergessen. Immer mehr Licht, immer weniger Kontur. Viele brauchen ein Gesicht, Stimmen, Hände, Namen, um zu Gott zu finden. Sie brauchen Bilder. Sie brauchen Franz von Assisi oder den Papst Franziskus – und laufen Gefahr, an ihnen hängen zu bleiben. Dominikus verwischt die Spuren; er macht sich durchlässig – und im letzten Sinn unnötig.
Der Adelige aus der kargen Hochebene Kastiliens bleibt sich immer gleich, ob sich viele um ihn sammeln oder keiner kommt, um seine Predigt zu hören. Er bleibt sich treu und entwickelt sich doch; er tritt zurück aus der Mitte, er lässt anderen Platz; er zieht weiter. Das ist seine Art, Raum für Gott zu schaffen. Darum geht es ja immer, bei allen Heiligen, so verschieden sie sind: Raum für Gott schaffen.
Die ersten Quellen zum Leben des hl. Dominikus legen nicht viele Farben auf, um sein Bild zu zeichnen. Ein paar Linien genügen. Da sind: die Armut des hl. Dominikus, seine Liebenswürdigkeit, das Hören und das Predigen, das Begründen und eben jene für mich so anziehende Diskretion. Alles zusammen ist neu. Dominikus zeigte seiner Zeit ein ganz neues Bild der Kirche (und die Kirche war ja damals schon uralt).
Da ist eine neue Art der Armut. Seine Armut soll reden; sie soll das erste Wort jeder Predigt sein, das erste Argument. Damit die Menschen zuhören und vertrauen. Authentische Armut, ohne jeden Trick. Die österreichischen Stifte – schauen Sie hinauf auf die Höhen Melks – sind Tricks. Natürlich leben dort Ordensleute, die keinen persönlichen Besitz haben. Sie haben das Gelübde der Armut ablegt. Aber wer will ernstlich behaupten, Melk oder Klosterneuburg seien Armenhäuser? Wirklich arm sind nicht die, die sagen können: „Das gehört mir ja nicht.“ Nicht die, die wendige Argumente vortragen. Wirklich arm sind die, die verachtet sind (jeder weiß, auf wen das heute zutrifft). So wollte Dominikus seine Brüder: unter den verachteten Armen. Und das ist schon heikel genug; denn was nutzt der zerrissene Habit und die Hütte als Kloster, wenn die Haltung, wenn jede Geste Manieren und Kultur offenbaren? Die freiwillig gewählte Armut ist immer etwas anderes als die von der Gesellschaft aufgenötigte Armut. Dennoch funktionierte, was Dominikus lebte: Dank seiner echten Armut konnten die geborenen Armen wenigstens daran denken, die Predigt der Dominikaner ernst zu nehmen. Das war revolutionär. Die alten Klöster sind mit dem Verwalten des Bestehenden beschäftigt. Sie erhalten eine große Kultur; Dank sei Ihnen! Aber ein Aufbruch geht von ihnen nicht aus.
Gerühmt wird die Liebenswürdigkeit des Dominikus. Bei diesem Mann gab es keine Wut, keine Bitterkeit, nie Kälte. Es gab viel Schmerz, viele Tränen in der Nacht, wenn er betete und am Tag ein herzliches Lächeln. Es gab heitere Demut. Das erst machte die Predigt des Intellektuellen überzeugend. Das kalt glänzende Argument allein, ohne Liebenswürdigkeit, leuchtet vielleicht dem Verstand ein, aber niemals dem Herzen.
„Contemplari et contemplata aliis tradere.“ So wird das Programm des hl. Dominikus zusammengefasst. „Betrachten und das Betrachtete den anderen weitergeben.“ Da geht es nicht um Neugier, nicht um Wissen als Besitz oder Waffe, nicht um Geist, der sich abheben will. Es geht um Weisheit. Sich der Wahrheit aussetzen, hinschauen, warten, schweigen, schauend durchdringen – und dann erst reden. Wer so vorgeht, verkündet immer weniger sich selbst, immer mehr das Geschaute: Gott.
Das tat Dominikus auf den Wegen und in den Städten. Er suchte nicht wilde Täler wie die Mönche vor ihm, nicht stolze Höhen oder trauliche Dörfer. Er suchte die Städte: wo die Wilden sind, die Jungen. Wo das Neue erdacht und erlebt wird, wo man streitet, um zu überleben. Dorthin trug Dominikus seine Armut, seine Liebenswürdigkeit und das, was er geschaut hatte.
Von der „Verteidigung des Glaubens“ ist in dieser Kirche der Malteserritter oft die Rede. Ja, der Glaube muss verteidigt werden; ja, es gibt eine richtige Art zu glauben und eine falsche. Die richtige Art zu glauben ist die des hl. Dominikus. Die der Attentäter kann es nicht sein. Die richtige Art zu glauben hat keine Messer, keine Bomben und auch keine Vergeltung. Sie hat nur diese drei: das Argument, das Leben, die Frucht. Den Verstand, das gute Beispiel und das Gute, das sie bewirkt. Jedem hier zugänglich.
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