Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August 2016 Schönheit und Fülle
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Wie ging es Ihnen, wenn Sie vor zehn Jahren in diese Kirche kamen, in die dunklen Farben, schmutzigen Wände, billigen Teppiche und frommen Werke aus der Massenproduktion? Fanden Sie das schön? Oder hässlich? Oder fiel es Ihnen gar nicht auf? Und wie geht es Ihnen jetzt hier? Wie ging es Ihrer Seele damals in der Kirche und wie geht es ihr heute, wo unsere Kirche renoviert ist und von vielen Händen aus der Pfarre wunderbar erhalten und gepflegt wird?
Noch ein Gedanke: Vor hundert Jahren konnte man noch Stunden lang über Land fahren und sah dabei nur schöne Gebäude. Die Häuser, Scheunen, Keller, Kirchen und Schlösser: Nicht alles war sauber oder reich oder bequem, aber alles war schön. Mit einem Sinn für das rechte Maß. Die schlichtesten Menschen hatten ihn. Jedes Fenster am richtigen Platz, in der richtigen Größe! Keinem fiele es heute ein, die Industriegebete um die Gemeinden oder die Neubau-Siedlungen schön zu nennen. Es gibt einzelne schöne Gebäude, aber insgesamt ist unser Land hässlich geworden.
Schönheit: So können wir das heutige Fest verstehen. Wir sehen zuerst unsere schöne Kirche, dann die Fülle der Blumen und Kräuter und schon geht der Blick zur Schönheit Mariens. Sie war vielleicht keine Illustriertenschönheit; wir wissen es nicht. Aber ganz gewiss war sie von innen heraus schön. Wie die Blumen war sie ganz einfach schön, ohne alle Zutat, ganz selbstverständlich. Weil ihre Seele schön war. Ganz rein, ganz hell. Weil bei dieser Frau alles im rechten Maß war. Der Schmerz neben der Freude, göttliche und menschliche Liebe, alles in ruhiger, starker Harmonie.
Wir feiern Marias Aufnahme in den Himmel und zwar mit Leib und Seele. Ein Leib, der in die Welt Gottes aufgenommen wird, wird verklärt. Unser Leib, so hübsch er sein mag, ist immer gebogen, verkrümmt, durchzogen von Schmerzen, jetzigen oder kommenden; unser Leib verändert sich und vergeht. Er wird verwesen. Der verklärte Leib ist für immer schön. Eine Schönheit, die von innen nach außen geht: Die Seele, die voll von Gott ist, die strahlt vor Gott, sie macht ihren Leib schön.
Das Hässlichste, was wir uns vorstellen können, ist der verwesende Körper eines Menschen. Dass Körper zerfallen, mag natürlich sein, die Idee, dass wir alle wieder zu fruchtbarer Erde werden, tröstlich, dennoch will an einen verwesenden Menschen niemand auch nur denken. Vielleicht ist es aber nützlich, dieses Bild gerade heute mit kurzem und ernstem Blick zu streifen. Damit uns aufgeht, was das bedeutet: „mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel“.
Es gehört zur Mitte des christlichen Glaubens, dass Jesus leiblich von den Toten auferstanden ist, und dass Maria mit Leib und Seele in das neue Leben bei Gott erhoben wurde.
Das macht uns die einzigartige Würde des Leibes klar. Wir haben nur diesen einen Leib. Der eine Leib und die eine Seele zusammen machen den Menschen aus, die Person. Jeder lebt nur einmal; mit dieser Seele und diesem Leib. Wir sind nicht eine Seele mit mehreren Leibern nach einander. Manche glauben an die „Wiedergeburt“. Das erste, was mich daran skeptisch macht: Alle, die davon sprechen, schon einmal gelebt zu haben, behaupten früher etwas Besonderes gewesen zu sein, – besonders in den Augen der Welt. Dass sie in den Augen Gottes besonders sind, einzigartig, reich ihnen nicht. So waren sie angeblich Ritter, Hexen, Verfolgte…. Noch nie habe ich gehört: In meinem früheren Leben war ich Angestellte bei der Sparkasse in Meidling.
Viel wichtiger: Wer die Wiedergeburt lehrt, der achtet den Leib gering. Er sagt ja: Der Leib ist austauschbar, es kommt nur auf die Seele an. Und genau deswegen kann er kein Christ sein. Für uns Christen hat der Leib die gleiche Bedeutung wie die Seele. Deswegen wird Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Ihr Privileg dabei, ihre besondere Ehre ist lediglich, dass das sofort geschieht und nicht erst nach Verwesung und Jüngstem Gericht.
Leib und Seele im Himmel: Was ist der Himmel? Fülle! Überfluss, Übermaß! Höchste Lust. Uns noch ganz beschränkten Wesen müsste das vorkommen wie eine ungeheure Verschwendung von Herrlichkeit. Neben der Schönheit ist die Fülle der zweite Zugang zum heutigen Fest. Schauen Sie auf Ihre Heimat; auf die Kräuter und Blumen, die heute hier mitfeiern: Inbegriffe der Schönheit, der Würze, der Heilung. Und der Fülle. Wie viele Blüten an einem einzigen Baum im Frühling – und längst nicht jede davon muss ein Apfel werden. Oder die Rosenbüsche: welche Pracht für so wenige Wochen! Göttliche Verschwendung. Damit wir lernen, großzügig zu sein. Schönheit und Fülle, das wäre auch ein Christenwerk in dieser Welt, die verschwenden kann nur auf Menschenart, töricht, blind, ungerecht.
Gottes Verschwendung, seine Fülle, seine Großzügigkeit besteht nicht darin, dass er fünf gerade sein lässt. Sie besteht darin, dass er vergibt und vergibt und wieder vergibt. Dass er sein Geschöpf ehrt und erhöht: Königin des Himmels! Dass er uns nicht nur zufrieden machen will, nicht nur glücklich, sondern herrlich. Verzückt. Selig mit Leib und Seele. Wie heute Maria.
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