Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest des hl. Wendelin, 20. Oktober 2014. Predigt in der Malteserkirche, Wien

03/11/2014 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Alles beginnt mit einer Gipsfigur. Der Stammplatz meiner Eltern in der Kirche, das war in einer der hintersten Bänke (Leute, die ganz vorne saßen, galten als Frömmler). Da saß ich nun. Weit vorne schimpfte der Pfarrer, und über mir schimmerte der hl. Wendelin. Ein sehr zarter junger Mann in Weiß und Gold. Mit Schäfchen. Gipsern sah er aus. Meine Mutter mochte Gipsfiguren nicht, und „Wendelin“ wollte keiner heißen. Aber es war ein Heiliger, deswegen wurde nicht gelacht. Ein fader Heiliger mit faden Tieren, alles aus Gips. Da war die hl. Margarete mit dem Drachen ein anderes Kaliber. Zwischen dem hl. Wendelin und mir konnte es nicht funken. Als ich sah, dass der Kalender für heute sein Fest verzeichnet, war es klar, dass ich es überblättern würde. Es ist ja kein gebotener Gedenktag.

Aber es ist gut, den ersten Regungen zu widerstehen. Das, was man nicht mag, das Fremde oder das Fade, genau das hat etwas zu bieten. Und so wird der hl. Wendelin doch gefeiert. Dazu muss man ihn aber kennen lernen. Und siehe da: Keine Spur von einer lebenden Gipsfigur.

Der Mann war Ire. Geboren Mitte des 6. Jahrhunderts. Sohn eines der Clan-Führer oder Gau-Könige. Hoch gewachsen war er. Irland, das war damals die Insel der Seligen. Verschont geblieben von den Krisen des Kontinents, war Irland das Bildungszentrum Europas. An die 3000 Klöster. Kloster, das bedeutete Bildung. In irischen Klöstern wurde Wissen gehütet und weitergeben; altes keltisches Wissen und das, was das Christentum von den Juden und Griechen mitgebracht hatte. Wendelin sei allen anderen an Gelehrsamkeit überlegen gewesen, heißt es. Die Klöster waren, sagt Kardinal Newman, „Speicher der Vergangenheit und Geburtsstätten der Zukunft“. Eine schöne Devise für jede Gemeinschaft der Kirche.

Bildung war damals nicht zu trennen von Gottsuche. Ganze Scharen von Gottesmännern zogen los von den irischen Klöstern, um den Papst in Rom zu sehen und dann irgendwo als Einsiedler zu leben. Allein mit Gott. Wendelin verschlägt es in die Gegend von Trier. Es wird erzählt, der Pilger habe bei einem reichen Gutsbesitzer um Brot gebettelt. Der aber sagt ihm: „Ein junger und kräftiger Bursche soll sich sein Brot nicht erbetteln, sondern arbeiten“, und schickt Wendelin zum Schweinehüten. Freundlich und ohne Widerwort nahm der große kluge Königssohn die Arbeit an. Er trifft hier auf eine Kultur, die kein Verständnis für sein Leben hat. Anders als in seiner frommen Heimat waren Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme nicht wichtig. Der Zusammenbruch des römischen Reiches und die Wirren der Völkerwanderung hatten eine Atmosphäre der Rücksichtslosigkeit geschaffen. Es ging nur noch um Macht und Reichtum. Hier wird das Leben des hl. Wendelin mit einem Mal sehr modern: der Christ in der Gesellschaft, die ihn nicht versteht.

Wendelin kennt den Psalm, in dem es heißt: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen.“ Er vertraut Gott. Mehr braucht es nicht. Er will Gott finden, das zählt. Die Einzelheiten, Pläne und Vorlieben, die Heimat und die Herkunft, alles wird zweitrangig. Der Mann wird immer freier. Jene „Freiheit des Geistes“, von der das Tagesgebet seiner Messe spricht.

Wendelin wird Hirte. Er tut seine Arbeit so gut, so freundlich, so buchstäblich wunderbar, dass es gewaltigen Eindruck auf den Gutsherrn macht. Nicht Wendelin verändert sich, – der Gutbesitzer, der so boshaft, raffgierig, misstrauisch war, er wird ganz verwandelt. Er bittet Wendelin um Verzeihung und schenkt ihm ein Stück Land für eine Einsiedelei. Der Kreis schließt sich. Wendelin bekommt genau die Lebensform, die er einmal gewollt hat. Er kommt an, weil er nicht geklammert hat an seiner Idee. Wer hergibt, was ihm teuer ist – Lehre des Evangeliums – „wird dafür das Hundertfache erhalten. Und das ewige Leben gewinnen.“ Die Lehre von der Großzügigkeit. Die Großzügigkeit Gottes kann Großzügigkeit im Menschen wecken.

Zu Wendelin dem Einsiedler strömt bald das ganze Volk der Gegend. Er weiß so viel über das Vieh, über die Heilpflanzen und über den Menschen!

Bescheidenes, demütiges, freundliches Auftreten, tiefes Wissen, wacher Glaube: Wendelin formt eine ganze Zivilisation um. Alles, was er in seinem Leben getan und gelassen hat, – er war Königssohn, Hirt, Einsiedler, Abt – alles fügt sich zu einem Ganzen, Richtigen. Das geht nicht ohne das Vertrauen, dass Gott führt. Auch wenn es manchmal gar nicht so aussieht. Nicht auf den Moment starren, sondern auf das Ganze blicken! Was ist schon ein scheinbar nicht erhörtes Gebet? „Gefallen hat der Herr an denen, die ihn fürchten und ehren, die voll Vertrauen warten auf seine Huld“ (Ps 147).

Und die frommen Künstler, die aus Heiligen fade Gipsfiguren machen, die soll man mit den Ohren an die Kirchenwand nageln. Und die Pfarrer, die sie ihnen abkaufen gleich dazu.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

Johannesgasse 2 - 1010 Wien - Österreich | T: +43 1 512 72 44 | E: smom@malteser.at

X