6. Tag der Weihnachtsoktav, 30. Dezember 2013
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Wir gehen hin auf den letzten Tag des Jahres 2013… Für Gott spielt das keine Rolle. Gott kennt keinen Kalender. „Himmel und Erde werden vergehen. Meine Worte werden nicht vergehen.“ Gott ist ewig: Er ist immer jetzt, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft.
Die Kirche gibt uns jetzt eine Geschichte zu bedenken, die wohl nicht zu unseren Erwartungen am Ende des alten Jahres passt. Wir erwarten doch eine Zusammenfassung oder eine Prognose, eine Devise oder eine Mahnung oder eine Verheißung. Und was bekommen wir? Eine Geschichte über das verborgene Leben.
Das verborgene Leben Jesu in Nazareth: „Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Nazareth zurück. Das Kind wuchs heran.“ Mehr nicht. Mehr wird uns über die Jahre bis zum öffentlichen Auftreten Jesu nicht gesagt. Die Verborgenheit des Herrn.
Und das verborgene Leben einer alten Frau: Hanna „hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.“ Mehr ist in ihrem Leben nicht. Früher, da war sie verheiratet, eine Ehefrau, mit Aufgaben und Freunden und Sorgen und Reden… Nun ist da nur noch das Gebet (nur noch?). Das ist der Weg der Reduktion. Der Weg immer größerer Einfachheit. Und Intensität. So kann die alte Frau das Entscheidende erkennen: den Erlöser. Der sich verborgen zeigt: als Kindlein. – Die Erlöser aus dieser Welt zeigen sich ganz anders… und werden auch anders begrüßt: von den Massen. Der Erlöser, um den es hier geht, wird nur von wenigen erkannt. Und die Mittel ihrer Erkenntnis sind anders als die, die uns vom Markt des Geistes und der Technik zur Verfügung gestellt werden.
Josef erkennt im Traum, was zu tun ist. Die Männer aus dem Morgenland folgen einem Stern. Maria erkennt im Gespräch mit dem Engel. Die Hirten werden überrascht von Boten aus der Höhe. Hanna und Simeon leben in der Stille. Und keiner von all diesen Frauen und Männern hat die Idee, es sei irgendetwas zu machen. Es gibt keine Strategien, keine Methoden. Diese Menschen sind einfach da. Sie halten die Stille aus. Hanna lebt im Tempel. Bei Gott also. Und für Gott, mit Leib und Seele. So wird sie eine geisterfüllte Frau, eine Prophetin. Weil sie im Tempel – in der Anbetung – lebt, ist sie zur Stelle, als Jesus erscheint. Anbetung ist nicht Flucht, sondern immer mehr geschärfte Aufmerksamkeit. Durchlässigkeit.
Wie oft schon hätten wir erkennen können, dass Er da ist? Wie viele verpassen wie viele Momente? Wir ahnen nicht, wer uns aufrichtig liebt; wir spüren nicht, wer uns braucht; wir wissen nicht, wie nahe das eine notwendige Wort ist… Das Erkennen des Erlösers – und jeder anderen Wahrheit – muss vorbereitet sein.
Wenn wir die heiligen Texte richtig deuten, dann braucht es Stille. Freiwillige Verborgenheit. Schlichtes Tun dessen, was ansteht. Maria bräuchte von der Geburt Jesu nicht gereinigt zu werden: Sie ist rein, und diese Geburt bringt die Reinigung der Welt. Aber Maria gehorcht dem jüdischen Gesetz und geht in den Tempel. Ganz einfach.
In den letzten Stunden des nun alten Jahres geht uns die Bedeutung der Verborgenheit auf. Verborgenheit ist mehr als das Fehlen von Aufsehen, Ansehen, greifbarer Wirksamkeit. Es ist eine Aufgabe im Verborgenen.
Es geht uns auch auf die Notwendigkeit der Vorbereitung. Nichts geht von selbst; nichts geschieht einfach so. Indem aber die Vorbereitung auf das Entscheidende im Verborgenen geschieht, wird sie schlicht, wie beiläufig; sie „bringt nichts“; sie steht nicht im eins zu eins, nicht in Kosten-Nutzen-Rechnungen.
Hanna „dient Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten“. Sie produziert nichts; sie ist einfach da. Jesus lernt in Nazareth sprechen, arbeiten, beten. Menschwerdung Gottes bedeutet auch: Gott lernt ein Mensch zu werden. Das geschieht einfach so. Nur wir staunen, dass Gott die Bildung seines Sohnes Menschen überlässt und die Erkenntnis seines Sohnes einer hinfälligen alten Frau.
Im entscheidenden Moment wird die alte Frau Verkünderin. „Sie sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.“ Und dann, als die Fülle der Zeit gekommen war, verlässt Jesus Nazareth und verkündet: „Das Reich Gottes ist euch ganz nahe.“
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