29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B)
29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) – (Kes 53,10-11) Predigt in Rettersheim am 19. Oktober 2024 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Der Pfarrer hat uns damals verprügelt“, sagt eine Frau. „Und Ihr Vater, hat der Sie damals nicht verprügelt?“, frage ich zurück. Trauriges Lächeln der Frau, 1:0 für mich. Ein Sieg auf Kosten der geprügelten Kinder. Zu denen ich auch gehöre. Damals haben nämlich alle geprügelt: Eltern, Lehrer und Pfarrer. Wie gehen wir mit der Schuld um? Ich kenne Leute, die sagen: Schuld gibt es gar nicht und andere, die aus ihrem schlechten Gewissen gar nicht herausfinden. Und die Kirche? Bis vor 150 Jahren ca. wussten nur die sog. „gebildeten Stände“ von der Schuld der Kirche, Lehrer, Apotheker, Anwälte. Dank der Medien wissen heute alle von der Schuld der Kirche. Ich beklage das nicht. Die Wahrheit kann mir wehtun, aber ich wünsche mir deswegen nicht, dass die Wahrheit nicht gesagt werden darf. „Man muss die Wahrheit sagen.“ Alle also klagen die Kirche an, genauer: den Klerus, und die Bischöfe haben endlich den Mut, Schuld zuzugeben. Das gefällt nicht allen Katholiken. Manche sagen: „Aber die Protestanten haben doch auch! Und Schwimmtrainer!“ Ganz krasse Katholiken sagen: „Alles nicht wahr, alles eine Verschwörung gegen die Kirche!“ Selbst gehört. Sie wissen, wer so argumentiert? Siebenjährige. Petzen. Ich finde: Man schachert nicht mit der Schuld. Schon gar nicht, wenn man selber schuldig ist. Und das sind die Priester. Warum ist es so schwer, Schuld zuzugeben? Von den Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg bis zum 243-Millionen-Andi, Herrn „Doktor“ Scheuer: Nie ist jemand schuld. Am II. Weltkrieg war keiner schuld. Nur der Hitler, und der war ja verrückt. Wo schon das Schuldbekenntnis zu Anfang der Messe unmöglich ist (also in den meisten Pfarreien), da geht eine Predigt über die Schuld erst recht nicht. Sogar dann nicht, wenn, wie heute, in den Lesungen von Schuld die Rede ist. Ich bin gottlob alt und unabhängig genug, um mich mit diesen klerikalen Bräuchen nicht aufhalten zu müssen. Geht die Schuld weg, wenn man nicht über sie spricht? Der Steuerbetrug, der Ehebruch, die Lüge, die verweigerte Verzeihung, geht das alles weg, wenn man schweigt? Oder meint jemand ernstlich, es gebe keine Schuld? Das würde bedeuten, dass Ihr Herz immer nur das Gute will, dass alle Ihre Entscheidungen gut waren, schlimmstenfalls ein Irrtum. Oder meint jemand, am Main und droben im Grund gebe es keine Schuld, aber in Israel schon? Die beiden Apostel im Evangelium, haben die Schuld? „Lass den einen von uns zu deiner Rechten und den anderen zu deiner Linken sitzen“, also auf den besten Plätzen. In einer Welt, in der es um Karriere-Planung geht, um das Ausschalten der Konkurrenz, um den Sieg über andere, in so einer Welt sind die beiden unschuldig. Aber Jesus räumt die beiden zusammen. Ehrgeiz, der andere wegdrängt: für Darwinisten kein Problem. Für Christen schon. Wir glauben nicht an das Recht des Stärkeren. Eitelkeit, Ehrgeiz und Neid nehmen anderen ihren Platz weg; sie nehmen anderen etwas von ihrem Leben weg. Eitelkeit, Ehrgeiz und Neid sind in diesem Sinn lebensfeindlich, also Schuld. Sünde aber muss gestoppt werden und Schuld muss geheilt werden. Warum? Weil sie sonst die ganze Welt vergiften. Es soll Substanzen eben, von denen ein Tropfen genügt, um ein ganzes Meer zu vergiften. Es gibt sicher das eine einzige Wort, das genügt, um einen Familien-Streit zu schaffen, der über Jahre hin nicht zu heilen ist. Wenig kann viel bewirken, im Schlechten wie im Guten. So wie ein Wort genügt, um eine Welt zu vergiften, so genügt ein Mensch, um die Welt zu retten. „Als Gerechter wird mein Knecht die Vielen rechtfertigen und ihre Schuld auf sich nehmen.“ Worte der Lesung. Die Kirche erkennt in dem Gerechten, von dem Isaias spricht, Jesus Christus. Er, der einzige Mensch, der in jeder Hinsicht und in jedem Moment so ist, wie Gott den Menschen gedacht hat, er ist der eine, der die Vielen rettet. Wie können Sie sich das vorstellen? Vielleicht so: Gott sieht sein schönstes Geschöpf, Jesus von Nazareth – und liebt in Jesus alle anderen Geschöpfe, sogar die Sünder, die ihm eigentlich so fremd sind. Gott sieht das Leiden seines Sohnes. Er sieht, dass sein Sohn für andere leidet. Das Kreuz Jesu lenkt den Blick Gottes auf die ganze Menschheit, und der gerechte Gott wird der barmherzige Gott. Vergebung und Heilung. Um Jesu willen. Nicht das Leiden selbst rettet, sondern die Liebe, die im Leiden Wohnung nimmt. Man kann liebevoll leiden. „Als Gerechter wird mein Knecht die Vielen rechtfertigen und ihre Schuld auf sich nehmen.“ Hier haben Sie die ganze Lehre des Christentums. Es gibt Schuld, Schuld wird geheilt, durch einen einzigen Menschen, durch Jesus Christus: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Die Messe verwandelt schuldige Menschen in geliebte Menschen. Das tun nicht wir, das tut ein anderer. Christus. Was bedeutet das für Sie? Keine Angst vor der Schuld mehr. Weil einer sie für alle weggenommen hat. Keine Angst vor Blamage mehr, weil es nur ein Urteil gibt, das zählt: das des Vaters im Himmel, der Christus sieht und in ihm uns alle annimmt. Keine Angst vor der Sünde mehr. Ich meine damit nicht, dass Sie nun munter sündigen sollen, vielmehr: Aktivieren Sie nicht Schuldgefühle, Angst, schlechtes Gewissen, sondern Ehrgefühl, die Fähigkeit, sich zu schämen, Stolz, Dankbarkeit. Liebe. Das wird Sie vor der Sünde bewahren. Und wenn Sie gesündigt haben, dann pflegen Sie nicht ein schlechtes Gewissen, sondern Reue. Reue kommt aus der Liebe, das schlechte Gewissen aus dem Stolz. Liebe aber bringt Sie in die Nähe Jesu und seines Vaters (s. Hebr 4,16). FÜRBITTEN Vater im Himmel, mach uns bereit, deinen Weisungen zu folgen. – Wir beten in Stille. Gib uns ein Herz, das dir aufrichtig dient. – Wir beten in Stille (so auch bei den folgenden Bitten). Belohne die, die ihrer Familie dienen oder einem kranken Menschen oder einem guten Werk in ihrer Gemeinde. „Nach der Mühsal der Seele“ kommt das Licht. Behüte alle, die in einer Versuchung stehen. Wir beten für unsere Kranken, die Angst haben oder Schmerzen oder beides. Und für ihre Angehörigen. Das Gebet um den Frieden ist dringender denn je. Oktober ist der Monat des Rosenkranzes. Wir beten bitte zusammen ein Ave Maria um den Frieden in dieser Welt. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. 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Wir beten für alle, die sich plagen.