Fastentücher – vom Tempelvorhang zum Hungertuch
Das Fastentuch hat den Zweck während der Fastenzeit in Kirchen die bildlichen Darstellungen Jesu zu verhüllen. Sein Ursprung liegt vermutlich im jüdischen Tempelvorhang, der im Neuen Testament im Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu mehrfach erwähnt wird. Die frühesten Erwähnungen vom Brauch, ein Fastentuch vor dem Altar aufzuhängen, es hing in der Regel im Chorbogen der Kirche vor dem Hauptaltar und verhüllte diesen, wobei es meist zweigeteilt war und so zur Seite gezogen werden konnte, finden sich bereits im 9. Jahrhundert. Üblicherweise ist das Fastentuch ein schlichtes, auch manchmal mit biblischen Motiven versehenes Tuch. Die Darstellungen reichen von der Heilsgeschichte der Schöpfung bis Weltende über Tier- und Pflanzenabbildungen bis hin zu ganz außergewöhnlichen Motiven. Das Fastentuch wird in der Regel am Aschermittwoch im Chorraum der Kirche aufgehängt und wird erst am Karsamstag wieder entfernt. Im Mittelalter war es Brauch an den Sonntagen der Fastenzeit, das Fastentuch vor dem Hauptalter zu öffnen, nicht aber die Fastentücher vor den Seitenaltären. Dahingegen wurde an den Wochentagen das Fastentuch auch vor dem Hauptaltar nicht zurückgezogen. Die Altarverhüllung in der Fastenzeit ist eine Bußübung der Gläubigen in der Fastenzeit. So hatte das Fastentuch ursprünglich die Funktion, die Gemeinde optisch vom Altarraum zu trennen. Auf diese Weise war es den Gläubigen nur möglich, das Geschehen des Gottesdienstes hörend zu verfolgen. Es wurde also mit den Augen gefastet. Hierauf geht die alte Redewendung „am Hungertuch nagen“ zurück und bezieht sich somit nicht nur auf materielle Armut, sondern auch auf die optisch erzwungene scheinbare Gottferne. Durch diese Tradition wird dem anschließenden Osterfest ein noch stärkerer Glanz verliehen. Die Abnahme des Fastentuchs vor der Osternacht soll zeigen, dass Jesus wieder unverhüllt in seiner Göttlichkeit vor den Menschen steht und er den Himmel für diese geöffnet hat. Seit einigen Jahrzehnten erleben Fastentücher eine Renaissance. In Österreich entstanden in den vergangenen Jahren vor allem durch Gegenwartskünstler neue Fastentücher. Neue wie alte Fastentücher hängen allerdings nicht mehr vor dem Altar, sondern an einer Wand oder vor dem Hochaltar, sodass sie nicht den gesamten Altarraum verdecken. Neben dem „Fasten des Auges“ gibt es in der katholischen Kirche auch ein „Fasten der Ohren“. Während der gesamten Fastenzeit entfallen das „Gloria“ und das „Halleluja“ während der Messe und die Orgel und Kirchenglocken schweigen.