Stephanitag 2023
Stephanitag 2023
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Wo schauen Sie hin? Stephanus schaut in den offenen Himmel. „Er aber blickte zum Himmel empor und sah die Herrlichkeit Gottes.“ Nicht mit diesen Brillen-Augen, sondern mit dem geistigen, inneren Auge (Sie wissen alle, dass es das gibt). Wo schauen Sie hin? Auf den Bildschirm? Auf die Pizza vor sich? Die Zahl am Kontoauszug? Das neue Auto des Nachbarn? – Wenn Sie wirklich liebevoll auf Ihre Frau schauen oder auf Ihre Kinder, ist schon viel gewonnen. Ich treffe oft alte Menschen. Ich treffe eine alte Dame, die große Sehnsucht hat nach Berührungen und nach Gesellschaft. Doch sie lebt allein, wie es eben kommt im Leben. Da ist keiner mehr, der große Lust hat, sie zu berühren oder bei ihr zu sitzen. Jetzt spricht sie nur noch vom Essen. Meistens von schlechtem Essen, denn sie ist schwierig geworden. Es ist, wie wenn ihr der Kopf auf den Teller sinken würde und sie nur noch das harte Schnitzel vor sich sehen könnte. – Soll das Leben so zu Ende gehen, mit diesem Blick? Ich treffe mittlere Menschen und mir scheint: Sie schauen nur auf ihren Besitz. Vielleicht noch auf das, was die anderen haben. Auf Dinge also. Und dann treffe ich Kinder. Die schauen überall hin. Kinder sehen Geschenke, aber auch Elfen und das Christkind, ihr eigenes Herz und den Lieben Gott. Kinder sehen alles. Sogar die Wahrheit über uns Erwachsene. Kinder sind Körper und Geist, Phantasie, Herz, Ernst und Spiel, alles gleichzeitig. Dann werden sie groß. Sie werden Frauen und sie werden Männer. Erwachsene. Menschen, die es blöde finden, in den Himmel zu schauen. Warum haben so viele Menschen den Blick nicht, den Stephanus hatte? Ich habe erst kürzlich verstanden, warum das so ist. Weil sie sinnlich sind. Eigentlich ist die Sinnlichkeit etwas Schönes. Aber wenn einer nur noch Greifen und Schmecken ist, nur noch Fühlen und Festhalten, dann ist etwas krumm. Dann stimmt es nicht mehr. Die ungute Sinnlichkeit ist die, die unbedingt festhalten muss am Greifbaren. Lieber noch ein Blech backen, lieber noch ein Meeting, lieber klagen können über den Stress: alles besser als fünf Minuten still zu sein, also Geist. Was ist da los? Sie haben doch auch eine Seele. Sie haben Geist. Und Sie wissen, dass es da nicht um den blanken Verstand geht und schon gar nicht um Schulbildung. Es geht einfach darum, mehr zu sein als Essen und Trinken, mehr als Rechnen und Sorgen. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Wort Jesu. Der erste Tag nach Weihnachten, und die Kirche feiert einen Märtyrer. Den „Erzmärtyrer“ Stephanus. Der erste derer, die wegen Jesus umgebracht werden. Die Lesung erzählt die Geschichte eines Konflikts, noch dazu eines religiösen Konflikts. Also das, wovon wir wirklich alle genug haben. Stephanus kann uns vieles lehren. Vieles, was Sie gerade gar nicht brauchen können: Tapferkeit, Todesmut, Streitlust, Glauben… Aber auch das lehrt er uns: Mensch zu sein, Körper und Geist. Körper sind Sie schon. Seien Sie auch Geist! Früher gingen die Priester auf der Straße und zum Altar mit gesenkten Augen. Das mochte verdruckt wirken, aber eigentlich ging es darum, sich nicht ablenken zu lassen von den göttlichen Dingen. Die Priester wurden erzogen zur „custodia oculorum“, dazu, auf ihren Blick Acht zu haben. Mir fiel das jetzt wieder ein, als es ein Leichtes war, sich im Internet die Horror-Bilder des 7. Oktober anzusehen. Irgendwie war ich neugierig. Eine seltsame Lust, gefolterte Menschen anzuschauen. Ich habe die Kurve bekommen, habe die Links nicht angeklickt. Es genügt doch zu wissen, was da in Israel geschehen ist. Ich muss die Bilder nicht vor Augen haben, um zu verstehen. Hier geht es um die Keuschheit des Blickes. Eine geistige Haltung. „Keuschheit“ ist ein alter, verrufener Begriff. Schade! Denn Keuschheit meint hier: Menschen nicht zu Objekten meiner Neugierde machen. Sexuelle Keuschheit meint: den anderen nicht für meine Lust benutzen. Mit das Bedrückendste in den letzten Wochen war für mich, dass so viele Jugendliche sich auf Tiktok tagelang alles Grauenvolle angesehen haben, wieder und wieder. Wozu? Und keiner beschützt die Kinder vor den Bildern. Verstehen Sie jetzt, dass es wichtig ist, was wir sehen und was nicht? Dass es wichtig ist, auf seinen Geist achtzuhaben? Das bedeutet hier ganz konkret: checken, dass Tiktok unmöglich die einzige Quelle der Wahrheit sein kann. Stephanus war Diakon der Urkirche, also beauftragt mit der Fürsorge und der Verwaltung. Er konnte sehen, wer Hilfe brauchte und wusste, wie man sie organisiert. Er konnte aber auch seinen Glauben anderen erklären und ihn „standhaft gegen alle Angriffe verteidigen“, wie es im Ordensgebet der Malteser-Ritter heißt. Wo sind die Priester, die Ihnen den Glauben erklären? Wo sind die Katholik*innen, die den Glauben verteidigen? Bei Stephanus, dem Mann, der in den Himmel blickt, geht es nicht um einen, der Luftschlösser baut, sondern um einen geraden, tatkräftigen Menschen, der seinen Glauben kennt und ihn verteidigt. Einen Mann des Geistes. „Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes – und Jesus zur Rechten Gottes.“ Der Glaube sieht. Der Himmel ist Schauen. Wir werden Gott sehen. Johannes zeigt auf Jesus: „Seht, das Lamm Gottes!“ Stephanus blickt hinauf, und sein Gesicht wird „wie das Gesicht eines Engels“. Seien Sie Geist. Denken Sie nach. Verstehen Sie. Suchen Sie. Blicken Sie nach oben. FÜRBITTEN Herr, eines Tages werde ich streiten müssen, vielleicht schon bald. Gib mir die Liebe im Schweigen. – Ruf Liebevoll streiten? Herr, hilf, dass das geht! Gib mir die Kraft zu verzeihen. Heiliger Geist, gib mir den Sinn für die Wahrheit und den Sinn für die Gerechtigkeit. Vater, gib der Welt Frauen und Männer an die Macht, die für das Gute streiten. Zeige uns, was das Gute ist. Wir beten um Versöhnung in den Familien und unter den Nachbarn. Wir beten für unsere Kranken. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Marienbrunn St.-Barbara und in Zimmern St.-Michael am 26. Dezember 2023
Gib mir Mut und das richtige Wort. Und den richtigen Moment. – Ruf