Hochfest Allerheiligen
Hochfest Allerheiligen Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Richard David Precht, kennen Sie den? Markus Lanz? Wenn Sie die beiden nicht kennen: Precht sieht fabelhaft gut aus, findet meine Tante. Die Zeitungen sagen, er sei Philosoph. Lanz sieht auch fabelhaft gut aus, er ist im Fernsehen. Diese beiden cuties sorgten jetzt für Wirbel in den Medien, weil sie in ihrem Podcast gewaltigen Stuss über die Juden erzählt haben. Also objektiv Falsches. Sie mussten zurückrudern, sich entschuldigen und so weiter. Was dabei unterging: In derselben Sendung haben die beiden auch über Gott geplaudert. Das hat keinen aufgeregt. Nur mich. Denn da wurde deutlich, wie die Leute heute ticken, wenn es um Gott geht. Lanz behauptete: Die orthodoxen, also strenggläubigen Juden machen den ganzen Tag lang nichts anderes als beten. Dabei hat er Beten und Studieren verwechselt. Es gibt tatsächlich Juden, deren Beruf es ist, ihre Religion zu studieren. Es gibt auch Christen, die ihre Zeit damit verbringen, den Glauben zu studieren; die nennt man „Theologen“. Der Journalist hat also was durcheinandergebracht. Kann passieren. Wobei, es gibt in der langen Geschichte der Religion tatsächlich viele Menschen, die nach dem „immerwährenden Gebet“ suchen. Die berufen sich auf den Apostel Paulus und dessen berühmtes Wort: „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17). Das sagt, wohlgemerkt, Paulus, der sein Geld als Zeltmacher verdiente. Also arbeitete. – Gemeint ist wohl: beten und dabei arbeiten, arbeiten und dabei beten. Man kann beim Kartoffelschälen ein Vaterunser beten. Auch die Nonnen und Mönche versuchen das, wenn sie siebenmal am Tag ihre Arbeit unterbrechen und in die Kirche gehen um zu beten. Das ganze Leben soll Gebet sein. Vor Gott sein. Heilig sein. Die beiden hübschen Journalisten wissen von alldem nichts. Sie wissen nicht, dass man zum Beten nicht die Hände falten muss. Zum Beten braucht es keine Kirche, kein Buch, auch keinen Stuhlkreis mit einem Lappen, einer Kerze und einem Stein in der Mitte. Es braucht nur eine Seele, die weiterbetet, während die Hände oder der Verstand arbeiten. Das geht, das kann man lernen. Bei den Heiligen z. B. Zurück zu den beiden coolen Medien-Männern, die reden, was man heute halt so redet. Deswegen ist es ja so nötig, die Uhren richtig zu stellen. Die beiden sind also beim Thema „Gott“. „Was ist das für ein Gott, der das verlangt“, immer zu beten? fragt Lanz empört, und Precht setzt nach: Das kann ja wohl kein lieber Gott sein, der von morgens bis abends verherrlicht werden will. Gott ruht doch in sich selbst, sagt Precht. M. a. W. Gott ist einfach da, zufrieden mit sich selbst, basta. Er will gar nichts von uns. Übersetzt heißt das alles: Ein bisschen Gott ist schon okay, aber Gott zuerst, Gott vor allem, nur Gott: Das geht nicht! Hm. Ein Trainer darf von der Mannschaft alles fordern; der dynamische Jungchef von seinem Startup-Team auch; auch die Sterne-Köchin in ihrer Küche. Und wenn eine Sportlerin alles geben will um zu siegen, finden die Leute das toll. Aber Gott, „der Herr des Himmels und der Erde“, darf nichts verlangen? Für viele Leute ist Gott nicht „das Höchste Gut“, nicht „die Wahrheit selbst“, nicht die Schönheit, nicht der Schöpfer, nicht der Lenker, nicht das Ziel der ganzen Welt, auch nicht der Vater. Gott ist für viele eigentlich auch nur ein Mensch. Man denkt an ihn an Weihnachten oder am offenen Grab, aber man fragt nicht: Was will Gott? Ich bin sicher: Es gibt sogar Christen, die beten „Dein Wille geschehe“, ohne je darüber nachzudenken, was der Wille Gottes denn sei. Den Podcast-Mumien kommt gar nicht in den Sinn, dass Gott ein lebendiges Gegenüber sein könnte. Einer, der will. Gott ist einer, so glauben wir Christen, der vom einen Menschen will: Bete, den ganzen Tag! Vom anderen: Pflege Kranke! Vom dritten: Zieh in den Krieg, verteidige die Schwachen! Vom vierten: Denke nach und lehre! Vom fünften: Sei eine kluge Mutter! Oder eine tatkräftige Politikerin! Die beiden erfolgreichen Journalisten sagen nicht: Gott gibt es nicht. Aber sie setzen voraus, dass Gott irrelevant zu sein hat, nicht entscheidend. Genau das machen die Heiligen nicht mit. Es gibt sehr, sehr viele Heilige. Heilige Frauen, heilige Männer, sogar heilige Kinder. Alte Heilige und ganz junge, völlig verrückte und sehr gescheite, Einsiedlerinnen und Anführer ganzer Volksmengen, ein paar heilige Bauern, sehr viele heilige Bischöfe. Das hat aber mehr mit den Heiligsprechungsprozessen zu tun als mit dem tatsächlichen Bestand. Es gibt Märtyrinnen, die gefoltert wurden und Nonnen, die friedlich eingeschlafen sind. Es gibt Heilige, die es vielleicht nie gegeben hat und solche, die sogar fotografiert wurden. Alle haben eines gemeinsam: GOTT. Heiligkeit bedeutet zuerst einmal: Auseinandersetzung mit dem Willen Gottes. Den wir kennen können. Heiligkeit bedeutet, vorsichtig ausgedrückt, Mensch und Gott. Mit Gott eine Beziehung haben. Heiligkeit bedeutet Treue zu Gott. Man kann schon Erwartungen an Gott haben, aber Treue braucht es auch. Viele vergessen das. Sie erwarten etwas von Gott, wollen ihm aber nichts geben. So funktionieren Beziehungen nicht. Wenn Sie sich für Gott interessieren (was eine schräge Formulierung), dann sind Sie schon im Bereich der Heiligen, die wir heute feiern. Das Evangelium und die Kirche lehren die allgemeine Berufung zur Heiligkeit. Sie. Sind. Berufen. Heilig zu werden. Lassen Sie sich auf Gott ein, der Rest kommt von selbst. Sie dürfen das Thema „Gott“ nicht abschieben auf die Heiligen. Wenn Sie das tun und dann noch bei „Heiligen“ nur an seltsame Statuen und Bilder denken, aber nicht an das, was dahinter ist, nicht an echte Frauen und Männer, wenn sie das tun, dann wird es leer. Eine langweilige, leere Religion. Gottlob ist der Himmel aber voll. Voll von Frauen und Männern, die vor uns waren, die uns beistehen, die uns beunruhigen und die uns trösten. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Trennfeld am 01. November 2023