22. Sonntag im Jahreskreis (C), 28. August 2022
22. Sonntag im Jahreskreis (C), 28. August 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Was ist zivilisiert? „Bitte“ und „Danke“, das finde ich zivilisiert. Nicht ins Handy glotzen, sondern sich mit seinen Kindern unterhalten: auch zivilisiert. Und noch ein Beispiel: In Mailberg gibt es eine Gang von drei kleinen Muslimen. Neulich kamen sie vom Spielplatz gelaufen, um mich zu begrüßen. Wir plauderten ein wenig. Über Frauen und Banküberfälle, dann zogen die Stöpsel weiter. Einer drehte sich um zu mir und rief: „Einen schönen Tag noch!“ Sehr zivilisiert! War Jesus zivilisiert? Ich habe meine Zweifel. „Er bemerkte, dass sich die Gäste die besten Plätze aussuchten.“ Was sich Jesus wohl gedacht hat, als er das sah? Dachte er: Du hast keine Chance, aber nutze sie? Das, was Jesus sah – Menschen nämlich –, war ja nichts Neues. Die besten Plätze suchen: Das war immer so, das wird immer so sein. So ist die Welt. Jesus hätte auch einfach abwinken können und sich zu den Leuten setzen. Netter Abend. Reicht doch. Aber nein. „Er erzählte ihnen ein Gleichnis.“ Und was ist die Lehre? Nun, zunächst einmal kluge Ratschläge. Wisse dich zu benehmen, sei kein Trampel, erspare dir peinliche Situationen und den anderen auch. Etwas Lebenserfahrung reicht, um zu verstehen, was Jesus meint. Braucht es für solche Lehren den Sohn Gottes? Jeder Yoga-Lehrer auf Twitter könnte uns das auch sagen. Mit dem, was Jesus da sagt, bleibt die Welt, wie sie ist: Manierliche Leute drängen sich nicht um die Ehrenplätze, unzivilisierte tun, was sie halt immer tun… Es bleibt, wie es ist. Und wo ist das Problem? Wäre doch schön, wenn es mal bliebe wie es ist. Wenn ein Sommer einfach schönes Wetter bedeuten würde und ein Winter lange Regentage, wenn man nicht einfach in andere Länder einmarschieren würde, um das eigene Land wieder groß zu machen. Und so weiter. Wir haben alle genug von Neuigkeiten, nicht wahr? Dafür, dass es bleibt, wie es ist, ist Jesus allerdings die falsche Adresse. Sie sollten hellhörig werden, wenn er sagt: „Wenn du ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde ein.“ Auch keine Verwandten, keine wichtigen Leute. Schon hier wird klar, dass Jesus unsere Welt über den Haufen haut. „Nein! Lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein.“ Statt der Freunde. Das will doch kein Mensch. Und warum sollen wir die einladen? „Weil sie es euch nicht vergelten können.“ Das ist der Punkt. Der Punkt, an dem Jesus neu ist. Also nicht einfach nur Armenfürsorge, sondern der Ausstieg aus dem System der Vergeltung. Dieses System, das Wie-du-mir-so-ich-dir erhalten wir alle aufrecht. Einladung – Gegeneinladung. Weihnachtsgeschenk von dir – Weihnachtsgeschenk von mir. Ich kenne Leute, die total nervös werden, wenn man ihnen etwas schenkt und sie haben selbst kein Gegengeschenk zur Hand. Oder der Mann sagt: „Wenn ich ihr schon ein schönes Haus biete und ein eigenes Auto, – dann kann sie doch was für ihre Figur tun. Damit ich mich mit ihr sehen lassen kann. Dafür kriege ich dann den Neid der anderen Kerle.“ Kurz, haben Sie sich noch nie gefragt: Was bekomme ich dafür? Fragt Gott sich das auch? Fragt Gott: Was bekomme ich dafür? Lohnt sich das? Sie sagen: Wenn ich bete, dann muss Gott mich doch erhören. Wirklich, muss er das? Ist Gott zivilisiert? Hält er sich an unsere Regeln? In diesem Evangelium sagt uns Jesus etwas über Gott. Gott, der anders tickt als wir. Der uns gibt, was wir nicht erbeten haben und nicht gibt, was wir unbedingt wollen. Gott, der um die Kranken so viel Liebe entstehen lässt, aber sie nicht gesund macht. Der Hilfsbereitschaft und Treue weckt, aber uns die OP nicht erspart. Der den Arbeitern, die nur eine Stunde im Weingarten arbeiteten genauso viel gibt wie denen, die zwölf Stunden geschuftet haben. Der dem Taugenichts-Sohn ein Fest ausrichtet und dem braven, fleißigen nicht. Und so weiter. Zwischen Gott und uns gibt es keine Vergeltung. Kein Geschäft. Die Frage ist nur: Wollen Sie sich auf einen solchen Gott einlassen? Wollen Sie so leben wie dieser Gott es uns vormacht? „Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten.“ Was will Jesus erreichen? Er will ein Loch in die Mauer schlagen. Um unsere zivilisierte Welt mit ihren starren Regeln ist eine dicke, dunkle Mauer. Jesus schlägt eine Bresche hinein. Das ist der Sinn der Kirche, der Messe, einer Pfarre: mehr Licht! Mehr Luft! Klar, die anderen werden es immer wieder zuspachteln. Aber wir Katholiken hauen die Mauer wieder auf. Sehen Sie, ein Kloster scheint auf den ersten Blick wie ein verschlossener, zugemauerter Ort. Aber das ist doch nur so, um den Blödsinn abzuhalten. In Wahrheit ist ein Kloster eine Öffnung für Gott. Der sich an keine Regeln hält. Warum? Weil Gott so ist. Wenn Sie unbedingt wollen: Weil Gott auch so ist. Natürlich ist Gott Ordnung, Vernunft, Gerechtigkeit… Aber nicht einfach unsere Ordnung, unsere Gerechtigkeit. Deswegen ist die Lehre dieses Evangeliums: Seid großzügig, abenteuerlich, verschwenderisch. Nicht mit eurem Geld, mit euren guten Taten. Seid verschwenderisch mit eurer Vergebung. Und keine Sorge: „Es wird euch vergolten werden – bei der Auferstehung der Gerechten.“ Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören