Sechste Woche der Osterzeit, Montag, 23. Mai 2022
Sechste Woche der Osterzeit, Montag, 23. Mai 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Irgendwas mit Medien“, wollten sie mal machen und dann stehen sie gutgelaunt (aber auch kritisch, natürlich) in Demonstrationen, Siegesfeiern, Alltagsmomenten und suchen nach Zeugen. Die Reporter*innen fragen. Dazu suchen sich jemanden aus, der ihnen gefällt oder gar nicht gefällt, der besonders komisch aussieht oder besonders harmlos. Sie fragen die Person etwas und bekommen eine Antwort. Es funktioniert wunderbar. Die Antwort lautet ja nie: „Da kenne ich mich nicht aus. Ich weiß es nicht.“ Alle kennen sich in allem aus, in Seuchenbekämpfung, Klimawandel, internationaler Politik und Militärstrategien. Und in Fußball. Zeugen finden ist nicht schwer. Die Presseleute hören auch nie, was ein munterer Mann in der Pariser Buchhandlung zu hören bekam. Er hatte den Kardinal de Lubac erkannt und wollte gern ein Gespräch mit ihm. Einfach mal so. Der angesprochene Kardinal blickte aus dem Buch auf, in dem er gerade blätterte und sagte: „Pardon, Monsieur, wir wurden uns nicht vorgestellt. Guten Tag.“ Gut, vielleicht ist das leichter, wenn man de Lubac heißt und nicht Krautwickel. Wie auch immer: Nicht jeder taugt zum Zeugen. Das kümmert die Medien-Menschen nicht. Sie fragen drei, vier Passanten und schon wissen sie, „was die Leute denken“. Die, die gerne vor einer Kamera stehen (Grundbedingung dafür, dass das Ganze funktioniert), die sind mit einem Mal Zeugen geworden. – Eigentlich braucht es noch nicht einmal eine Kamera. Man sagt einfach: „Ich kenne wen, der hat gesagt…“ So wird man ein Zeuge. Die Anekdote wird zum Beweis. Ziemlich wacklig, oder? Der flüchtige Eindruck, den man auf einem Botschaftsempfang aufliest, wird zu einem Wissen über das, was die Leute denken. Der Plauderer wird zum Zeugen; das aus dritter, vierter Hand wird zur Wahrheit. Wacklige Wahrheit. Sie werden sehr selten hören: „Mir scheint.“ – „Vielleicht.“ – „Ich habe den Eindruck.“ – „Ich frage mich…“. Sehr oft hingegen: „So ist es.“ Ein Zeuge, einer, der etwas wahrnimmt, einer, der sich erinnert, ein einziger, der erzählt: nur ein Hauch, ein flüchtiges Zittern. Viele Zeugen sind: die Kirche. Ein paar Zeugen sind nur eine Partei. Die Schar der Heiligen, das ist die Kirche. Und die Delegierten beim Synodalen Prozess, was sind die? Nun, zunächst einmal Delegierte, nicht mehr, nicht weniger. Und dann berufen sie sich auf den Zeitgeist. Er trüge uns allen auf, die Kirche zu verändern, grundlegend, sagen sie uns. Die Kirche habe sich geirrt, zweitausend Jahre lang. Jetzt endlich sei die Zeit der Wahrheit gekommen. – Mir gefällt die Vorstellung, die ewige Wahrheit habe sich auf ein deutsches Kongresszentrum herabgesenkt, auf Menschen, die Rollkoffer hinter sich herziehen. Der Zeitgeist kann Spuren von Heiligem Geist enthalten, aber er ist nicht identisch mit dem Heiligen Geist. Das sollte man wissen, schon weil beide, Zeitgeist und Heiliger Geist schwer zu fassen sind. Deswegen werden sie gerne mit den eigenen Erkenntnissen und Vorlieben verwechselt. Es ist wie immer: Das Evangelium bringt Klarheit. „Wenn der Beistand kommt, der Geist der Wahrheit, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen.“ Zeugnis wovon genau? Vom Zeitgeist? Von mir selbst? Von unserer netten Truppe hier? Nein. Von Christus. Der Heilige Geist legt Zeugnis ab für Christus. Die den Heiligen Geist empfangen haben, in der Taufe, legen Zeugnis ab für Christus. Daran können Sie jedes Zeugnis messen. Meines, Ihres, das der Kirchenzeitung. Die Kirche ist auf Zeugen gegründet. Jeder hier hat seinen Glauben von anderen empfangen; von anderen, die ihm erzählten und denen er vertraute. Das Fundament der Kirche ist also Verdacht und Vertrauen gleichermaßen. Kann ich diesen Zeugen trauen, fragt der Verdacht. Und prüft. Er schaut sich die Zeugen an. Sie. Mich. Und irgendwann sagt der Verdacht zum Vertrauen: Jetzt kann ich gehen. Nun ist deine Zeit. Der Moment des Vertrauens. Da spricht der Mensch: Ich glaube. Als Sie zum Glauben kamen, wie war das? Wer hatte da „Zeugnis“ abgelegt? Wie entsteht die Kirche? Wie geht die Kirche fort? Indem Delegierte diskutieren, ob es überhaupt richtig ist, dass es Priester gibt? Das Evangelium zeigt uns, wie die Kirche vorangeht: „Wenn der Beistand kommt, der Geist der Wahrheit, dann wird er Zeugnis für mich ablegen.“ Der Souveräne Malteser-Ritter-Orden feiert heute den seligen Wilhelm Apor, Bischof von Györ in Ungarn. Der gute Hirte hatte viele Verfolgte und Flüchtlinge in sein Palais aufgenommen. Als am 30. März 1945 ein Trupp russischer Soldaten sich Eintritt verschafft und die Herausgabe der Frauen und Mädchen verlangt, stellt der Bischof sich zusammen mit seinem Neffen, dem Grafen Pallfy, den Soldaten entgegen. Beide werden niedergeschossen. Den Frauen geschah nichts. Der Bischof starb am Ostersonntag an seinen Verletzungen. Ist dieses Zeugnis glaubwürdig? Gibt es irgendeinen Verdacht? Glaube ich dem Zeugnis des Märtyrers? Und wo? Wo glaube ich? In meinem Verstand? In meiner Meinung? Oder im Herzen? „Der Geist der Wahrheit wird er Zeugnis für mich ablegen.“ Wo wird dieses Zeugnis abgelegt? Es gibt Argumente. Es gibt den Verstand und seine Gesetze; es gibt die Geschichte; es gibt die Gemeinschaft. Alldem muss sich der Zeuge stellen. Der Zeuge wird geprüft. Aber das Entscheidende geschieht im Inneren. Die Wahrheit hat zwei Garanten: die Kirche und das Innere. Beide sind Orte des Heiligen Geistes. Der Zeugnis ablegt für den Sohn. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören