Dritte Woche der Fastenzeit, Montag, 21. März 2022
Dritte Woche der Fastenzeit, Montag, 21. März 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Wie ist das mit Ihnen? Wollen Sie Aufsehen erregen? Nein? Auch nicht bei feierlichen Einzügen? Wollen Sie bemerkt werden? Gesehen werden? Oder wollen Sie, dass einer Sie anblickt? Wollen Sie wahrgenommen und verstanden werden? Oder begehrt werden? Ich denke nicht, dass die Millionen von Menschen, die ihr Gesicht ins Netz stellen, verstanden werden wollen. Denen wird es reichen, eine Spur zu hinterlassen, wenigstens irgendeine Spur, einmal begehrt zu werden, wenigstens in der Jugend, wenigstens aus der Ferne. „Sie zeigten mir den Rücken.“ Die Klage Gottes. „Sie zeigten mir ihren Rücken und nicht das Gesicht.“ Vom ersten Anfang an bis zu diesem Montagsmoment hier geht es immer nur darum: Werden die Menschen eine Beziehung zu Gott haben? Werden Sie Gott begegnen? Bei ihm bleiben? Der theologische Begriff „Offenbarung“ mag Ihnen nicht viel sagen, er wird Sie nicht rühren, aber gemeint ist damit nichts anderes als: Gott sucht nach Ihnen. Dazu zeigt er sich. Gott zeigt sein Gesicht, nicht seinen Rücken. Das beschreibt das Leben Jesu. Jesus ist der Gott, der sein Gesicht zeigt. Damit man es anspucken kann? Fällt Ihnen auf, wie oft das Evangelium vermerkt: „Jesus sah sie an.“ Haben Sie den Blick Jesu schon gespürt? Sicher nicht? Haben Sie ihn erwidert? Haben Sie seinen Blick ausgehalten – so wie er Ihren? Der ganze Text aus dem Propheten Jeremias, den Sie eben gehört haben, spricht von gescheiterter Begegnung. Von der verweigerten Beziehung. Der Prophet stellt uns ein Bild der Religion vor Augen, das die meisten nicht sehen wollen. Bedenken Sie: Die Menschen, die der Prophet anklagt, sind alle, wenn Sie so wollen „Kirchgänger“. Leute, die in den Tempel gehen, Geld spenden, an den großen religiösen Feierlichkeiten teilnehmen. Das ist so aus dem einfachen Grund, dass es damals keine weltanschauliche Indifferenz gab, keinen neutralen Staat, keine Atheisten, nichts dergleichen. Alle waren religiös. Gläubig waren nur wenige. Der Souveräne Malteser-Ritter-Orden, alle Orden überhaupt, auch alle Pfarren sind zunächst einmal religiöse Institutionen, die sich darstellen in Texten, Bräuchen, Verfassungen… Und Buchhaltungen. Alles das funktioniert auch ohne Glauben. Gut sogar. – Mir gehen manche Gestalten der Literatur nie ganz aus dem Sinn; Figuren wie der Abbé de Pradt oder der Abbé Cénabre[1]: Priester, die untadelig ihre Pflichten erfüllen, morgens die Soutane anlegen, ernst die Messe lesen, Gebete sprechen, Gutes tun – und nicht glauben. Nicht weil sie nicht glauben können, sondern weil sie nicht glauben wollen. Das geht. Solche Priester werden nicht verachtet. Sie sind ja tadellos. Mir geht auch die Geschichte der Seelsorge in Österreich nie ganz aus dem Sinn: Echter Glaube, Glaube als ein intimes, persönliches Geschehen war gar nicht gefragt. Gefragt war die äußere Erfüllung äußerer Pflichten, Sitten und Gebräuche. So kommt es, dass gestandene Priester unfähig sind, über ihren Glauben zu sprechen; dass die Mehrzahl der Gläubigen ein persönliches Gebet erst in der Not kennenlernt und befremdet ist, wenn einer das Versprechen der Firmlinge, Paten, Ehepaare usw. ernst nimmt. So war nicht gewettet. Das alles geht nicht, wenn man dem Propheten folgt. Das alles geht nicht, wenn man sich dem Blick Jesu stellt. Vielleicht ist das ja Beten: Sich dem Blick Jesu stellen. Muss ich Ihnen sagen, dass es dazu Kraft braucht? Oder Verzweiflung. Gut, dass wir alle beides erleben: Momente der Kraft und solche der Verzweiflung. Religion geht auch unpersönlich, Glaube nicht: Darauf will ich hinaus. Obwohl alle – ich, Sie, ganze Pfarrgemeinderäte und ganze Abteien – es immer wieder versuchen, die eigene Person herauszuhalten, nicht anzusehen und nicht angesehen zu werden: Glaube ohne Begegnung geht nicht. Das erklärt das Scheitern der Kirche. „Sie zeigten mir ihren Rücken und nicht das Gesicht.“ – „Wenn du sie rufst, werden sie dir nicht antworten.“ Ende des Gesprächs, nicht wahr? Aber wann war der Anfang des Gesprächs? Ich bete, – aber ist das ein Dialog? Nicht garantiert. Viele Gebete sind nichts als Selbstgespräche. Beim Synodalen Weg wird geredet. Aber wer spricht mit wem? Wer hört auf wen? Wer blickt wen an? Einer schaut Sie an. Er zeigt Ihnen sein Gesicht. Vielleicht ist ein Lächeln in seinen Augen. Oder Traurigkeit. Oder Hoffnung. Er schaut Sie an – und Sie wenden sich ab. Zeigen Ihm den Rücken. Ist das so? „Sie aber hörten nicht und neigten mir ihr Ohr nicht zu.“ Denken Sie von diesem Bild aus weiter. Wem neige ich mein Ohr zu? Dem der leise spricht. Dem, den ich unbedingt verstehen möchte. Dem, dessen Nähe mich nicht schreckt. Wäre so nicht das Beten? Gott will nicht Opfer, sondern Gehorsam. Opfer, das wäre leicht. Man gibt etwas. Nicht sich selbst. Auf Gott hören (denn nichts anderes bedeutet Gehorsam), das ist schwer. Egal, was wir tun, Er zeigt sein Gesicht. Noch am Kreuz. Bis zum Schluss. [1] Montherlant, Les Garçons und Bernanos, L‘Imposture. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
(Texte vom Donnerstag derselben Woche)